Indizien für versuchten Mord häufen sich
Prozess um brutale Prügel-Attacke beim Busbahnhof zieht sich weiter hin
TUTTLINGEN/ROTTWEIL - Seit Anfang September des vergangenen Jahres müht sich die 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Rottweil, ein besonders brutales Verbrechen aufzuklären, das sich kurz vor Weihnachten 2015 mitten in Tuttlingen ereignete: Zwei Männer knüppelten derart auf einen schon am Boden liegenden 21-Jährigen ein, dass er schwerste Schädel- und Hirnverletzungen erlitt. Die Anklage lautet deshalb auf versuchten Mord.
Ob die Angeklagten, 34 und 37 Jahre alt, wirklich die Täter sind, ist auch nach dem 13. Verhandlungstag am Dienstag unsicher. Allerdings verdichten sich die Indizien. Ursprünglich wollte das Gericht bereits im Oktober das Urteil verkünden, doch dann häuften sich die Ungereimtheiten. Inzwischen steht fest, dass weitere vier Verhandlungstage nötig sind und der Prozess frühestens am 10. Februar endet. Unter anderem soll ein weiterer Gutachter hinzugezogen werden.
Bisher steht fest, dass die beiden Beschuldigten und das Opfer in jener Nacht zum 19. Dezember den Campus-Club besucht hatten. Gegen 5.15 Uhr trafen sie – so die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift – zwischen Busbahnhof und „Nahkauf“wieder aufeinander. Dabei kam es zum Überfall. Die beiden Männer sollen dabei mit einen Meter langen Rundhölzern immer wieder auf den Zufallsbekannten eingeschlagen haben. Die Täter schlugen ihm im wahrsten Sinn des Wortes den Schädel ein. Bis heute ist er nicht arbeitsfähig, hat den Geschmacks- und den Geruchssinn verloren.
Von Beginn an schien alles für die beiden Angeklagten als Täter zu sprechen. Sie übten in Tuttlingen Gelegenheitsjobs aus, der eine vor allem als Autohändler, der andere unter anderem als sein Helfer. An die Vorfälle in jener Nacht hätten sie wegen des übermäßigen Konsums von Alkohol und zum Teil auch anderer Drogen „keine Erinnerung“, beteuerten sie vor Gericht. Ein Tatnachweis erwies sich als schwierig, weil sich sowohl Zeugen als auch Gutachter nicht durchgängig schlüssig äußerten. Allerdings bestätigten mehrere Zeugen, dass der ältere Angeklagte sich sehr aggressiv verhalte und einmal in ein Lokal gestürmt sei und einen Mann mit einer Machete bedroht habe. Neue Zeugenaussage belastet Angeklagte Eine kurze Videoaufnahme vom Parkhaus nahe des Tatorts zeigt nur verschwommene Bilder. Trotzdem ermittelte das Landeskriminalamt auf deren Basis die Größe der beiden Täter, die etwa mit den Angeklagten übereinstimmte. Gutachter Friedrich Wilhelm Rösing, Anthropologie-Professor, bezweifelte die Methode, erkannte aber seinerseits auf Grund der Physiognomie eine große Ähnlichkeit zwischen den Tätern und den Angeklagten. Rösings forsche Art brachte ihm einen Befangenheitsantrag von Pflichtanwalt Bernhard Mussgnug ein, der den Älteren der beiden Beschuldigten verteidigt. Zudem verweist Mussgnug auf eine Bande junger Männer, die mehrfach am frühen Morgen grundlos Passanten im Bereich der ScalaBrücke und des Busbahnhofs brutal geschlagen haben. Ein Mitglied sei inzwischen in Italien untergetaucht. Nach ihm müsse gefahndet werden.
Am gestrigen Verhandlungstag wurde die Aussage eines Mannes bekannt, der in der Dönerbude neben dem „Nahkauf “arbeitet. Er trat an jenem Morgen um 5 Uhr seinen Dienst an und beobachtete den Vorfall. Die beiden Männer hätten aggressiv an sein Schaufenster geschlagen. Sie seien dann auf den jungen Mann losgestürmt und hätten „lange Zeit“, etwa fünf Minuten, mit einer Keule brutal auf ihn eingeschlagen, gab der Mann bei der Polizei zu Protokoll, das gestern vorgelesen wurde. Er identifizierte beide auch auf Bildern.
Am nächsten Verhandlungstag will das Gericht über die Anträge von Verteidiger Mussgnug entscheiden. Außerdem soll das Strafregister im Heimatland der beiden Angeklagten zur Sprache kommen. Allerdings wird das nicht, wie zunächst geplant, am 13., sondern erst am 17. Januar sein. So lange braucht die Dolmetscherin, um die umfangreichen Akten zu übersetzen.