Frei von ...
Es gibt Begriffe, die für das maximale Wohlbefinden des Menschen stehen. Glück etwa. Auch Liebe. Oder: Freiheit. Man denke nur daran, wie oft Scheidungsrichter den glückseligen Ausruf hören: „Ich bin frei!“Freiheit gilt als hohes Gut. Inzwischen auch bei der Nahrung. Neulich im Café bestellte der Tischnachbar: „Bitte einen doppelten Espresso. Koffeinfrei.“Nun ist jeder frei, sich zu überlegen, welche Wirkung ein koffeinfreier Espresso auslöst. Auch in doppelter Konzentration: keine. Gastronomen haben sich längst an „Frei von“-Bestellungen gewöhnt, wie auch diese: Koffeinfreier Cappuccino mit laktosefreier Milch. Und: frei von genussvollem Geschmack.
Von Freiheit kann der Mensch gar nicht genug bekommen. Manche kaufen nur Produkte, die frei sind von Laktose, Gluten, Nüssen, Eiern, Soja, Fruktose und mehr. Vor allem gilt Gluten als Teufelszeug. Es soll verantwortlich sein für Übergewicht, Parkinson, Alzheimer, Epilepsie, Multiple Sklerose, gewiss auch für Sommersprossen und Schluckauf. Allerdings sind diese Auswirkungen gar nicht bewiesen. Der Kauf dieser Produkte lohnt trotzdem, weil er von der Angst befreit, eine dieser Handicaps zu bekommen. Und er gibt die Freiheit, eine Pizza mit 60 Prozent-Fett-Käse und eimerweise Salz, aber ohne Gluten bedenkenlos zu verzehren. Genauso logisch klingt die Antwort darauf, warum so viele Menschen laktosefreie Produkte kaufen, obwohl sie gar keine Unverträglichkeit haben. Weil dank sinnfreiem Konsum die Lebensmittelindustrie ein Leben frei von finanziellen Sorgen führt. (dg) untermstrich@schwaebische.de