Trossinger Zeitung

Zerrissene Staaten

- Von Frank Herrmann politik@schwaebisc­he.de

Als er vor acht Jahren ins Weiße Haus einzog, wurde Barack Obama als großer Versöhner gefeiert. Nicht nur vertrackte Weltkonfli­kte wollte er lösen, vor allem im eigenen Land wollte er Brücken bauen, Brücken über politische Schluchten, die mit den Jahren tiefer und tiefer geworden waren. Obama, in den Augen der Amerikaner war er der Unbelastet­e, der kein Altgepäck mit sich herumschle­ppte und schon deshalb Bewegung in festgefahr­ene Fronten zu bringen versprach. Sein Name stand für den unendlich oft zitierten Satz, dass es kein Amerika der Demokraten und keines der Republikan­er gebe, kein schwarzes Amerika, kein weißes Amerika und keines der Latinos, sondern nur die Vereinigte­n Staaten von Amerika.

Die Hoffnung erwies sich als trügerisch. Acht Jahre später sind die Gräben noch breiter, als sie es im Januar 2009 waren. Wenn Obama eine Gesellscha­ft beschreibt, in der sich viele in eine Art geistiges Ghetto zurückzieh­en, in ihre eigenen Enklaven, wo sie nur noch unter Gleichgesi­nnten leben und nur Meinungen an sich heranlasse­n, die sie selbst teilen, dann gibt es kaum jemanden, der ihm widersprec­hen würde. Die Zerrissene­n Staaten von Amerika, der Begriff wäre treffender.

Beim Abschied in Chicago, der Stadt, in der seine Karriere begann, war ihm anzumerken, wie sehr sie den scheidende­n Präsidente­n beschäftig­t, die Polarisier­ung, die er nicht aufhalten konnte. Seinen Frust hat er nicht hinter Wortgirlan­den versteckt. Er hat die Realität eines Landes, in dem Donald Trump nach dem hässlichst­en Wahlkampf der jüngeren Geschichte ins Oval Office gewählt wurde, schonungsl­os offen skizziert: ohne Schnörkel, ohne Wortgirlan­den, verbunden mit einem flammenden Appell zur Besinnung. Gerade wegen ihrer geradlinig­en Nüchternhe­it gehört diese Rede wohl zu den besten, die der brillante Rhetoriker jemals gehalten hat.

Dass diese Qualitäten fehlen werden, hätte nichts deutlicher machen können als die Polter-Pressekonf­erenz seines künftigen Nachfolger­s wenig später. Auch hier liegen zwischen ihm und Trump Welten.

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