Zerrissene Staaten
Als er vor acht Jahren ins Weiße Haus einzog, wurde Barack Obama als großer Versöhner gefeiert. Nicht nur vertrackte Weltkonflikte wollte er lösen, vor allem im eigenen Land wollte er Brücken bauen, Brücken über politische Schluchten, die mit den Jahren tiefer und tiefer geworden waren. Obama, in den Augen der Amerikaner war er der Unbelastete, der kein Altgepäck mit sich herumschleppte und schon deshalb Bewegung in festgefahrene Fronten zu bringen versprach. Sein Name stand für den unendlich oft zitierten Satz, dass es kein Amerika der Demokraten und keines der Republikaner gebe, kein schwarzes Amerika, kein weißes Amerika und keines der Latinos, sondern nur die Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Hoffnung erwies sich als trügerisch. Acht Jahre später sind die Gräben noch breiter, als sie es im Januar 2009 waren. Wenn Obama eine Gesellschaft beschreibt, in der sich viele in eine Art geistiges Ghetto zurückziehen, in ihre eigenen Enklaven, wo sie nur noch unter Gleichgesinnten leben und nur Meinungen an sich heranlassen, die sie selbst teilen, dann gibt es kaum jemanden, der ihm widersprechen würde. Die Zerrissenen Staaten von Amerika, der Begriff wäre treffender.
Beim Abschied in Chicago, der Stadt, in der seine Karriere begann, war ihm anzumerken, wie sehr sie den scheidenden Präsidenten beschäftigt, die Polarisierung, die er nicht aufhalten konnte. Seinen Frust hat er nicht hinter Wortgirlanden versteckt. Er hat die Realität eines Landes, in dem Donald Trump nach dem hässlichsten Wahlkampf der jüngeren Geschichte ins Oval Office gewählt wurde, schonungslos offen skizziert: ohne Schnörkel, ohne Wortgirlanden, verbunden mit einem flammenden Appell zur Besinnung. Gerade wegen ihrer geradlinigen Nüchternheit gehört diese Rede wohl zu den besten, die der brillante Rhetoriker jemals gehalten hat.
Dass diese Qualitäten fehlen werden, hätte nichts deutlicher machen können als die Polter-Pressekonferenz seines künftigen Nachfolgers wenig später. Auch hier liegen zwischen ihm und Trump Welten.