Im Wald bleibt wohl nichts beim Alten
Richter: Holzverkauf und Bewirtschaftung durch das Land stehen vor dem Aus
RAVENSBURG - Wer darf künftig die Wälder Baden-Württembergs pflegen, bewirtschaften und das Holz verkaufen? Im Streit um diese Frage hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) am Mittwoch erneut verhandelt. Der Landesregierung droht eine Niederlage. Sägewerksbetreiber und Waldbesitzer sind besorgt, Förster fürchten um ihre Jobs.
Dem Bonner Bundeskartellamt ist das baden-württembergische Modell der Waldbewirtschaftung und des Holzverkaufs ein Dorn im Auge. Bis 2015 vermarktete der Landesbetrieb ForstBW nicht nur die Ernte aus staatlichen Wäldern, sondern auch jene von Privatleuten und Kommunen. Wettbewerbsverzerrung sei das, kritisierten die Kartellwächter.
Im Juni 2015 dann kam es noch schlimmer. Das Bundeskartellamt befand: Nicht nur der Holzverkauf durch das Land ist unzulässig. Arbeiten wie Pflege, Abholzen oder Kennzeichnen des Holzes dürfe ForstBW nicht im Auftrag von Privaten oder Kommunen leisten. Damit steht ein seit Jahrzehnten praktiziertes Modell vor dem Aus. Bisher können Private oder Kommunen Förster des Landes für ihre Wälder gegen eine Gebühr einsetzen. Wenig Hoffnung für das Land Das Land zog vor das OLG. Doch seit dem Termin am Mittwoch gibt es noch weniger Aussichten als bisher, dass sich Baden-Württemberg gegen die Wettbewerbshüter durchsetzt. Anlass für Hoffnung hatte eine Änderung des Bundeswaldgesetzes Ende 2016 gegeben. Darin werden die klassischen Forstarbeiten nicht mehr als wirtschaftliche, sondern als hoheitliche Aufgaben definiert. Sprich: Der Staat darf solche Tätigkeiten übernehmen, weil sie nicht nur Geld bringen sollen, sondern höheren Zielen dienen – etwa einer naturnahen Erhaltung des Erholungsraums Wald.
Doch die Richter in Düsseldorf ließen am Mittwoch durchblicken: Das neu gefasste Gesetz ändert aus ihrer Sicht wenig. Denn das Modell von ForstBW verstoße auch gegen EU-Recht. Das Land berechne seine Leistungen zum Selbstkostenpreis. Dieser sei durch die Steuerfinanzierung etwa der Mitarbeiter viel günstiger, als Private die Dienstleistungen anbieten könnten. Das sei unzulässige staatliche Unterstützung und benachteilige private Anbieter.
Damit bleibt ungewiss, was mit den gut 3000 Mitarbeitern von ForstBW geschieht. Darf der Staatsbetrieb gar nicht mehr oder nur noch in abgespeckter Form Dienste anbieten, wären die Jobs bedroht oder die Mitarbeiter müssten zu anderen Waldbewirtschaftern wechseln – etwa zu Kommunen oder zu Privaten.
Auch kleine Waldbesitzer fürchten Nachteile. ForstBW vermarktet große Mengen Holz und erzielte dadurch gute Preise. Wer nun wenig Holz selbst verkaufen muss, sieht sich im Nachteil. Betreiber kleiner Sägewerke beklagen, ihre Bedürfnisse könnten ebenfalls ins Hintertreffen geraten. Wenn international operierende Konzerne regionales Holz auf- und weiterverkaufen, würden sie die kleinen, für sie wirtschaftlich uninteressanten Sägewerke nicht berücksichtigen.
Der Forstwissenschaftler Andy Selter von der Universität Freiburg hat im Herbst Waldbesitzer und andere Akteure befragt. Alle beklagen die Unsicherheit durch das laufende Verfahren. Selter sieht auch Chancen: „Wenn sich örtliche Waldbesitzer, Kommunen und Sägewerke zusammenschließen und ihre Wälder gemeinsam bewirtschaften, ergeben sich durchaus neue Möglichkeiten.“Erfolgreiche Beispiele dafür gebe es bereits im Allgäu oder im Schwarzwald. So könnte der Quasi-Monopolist ForstBW durch flexiblere, auf regionale Besonderheiten ausgerichtete Anbieter ersetzt werden.
Das Urteil des OLG wird für März erwartet. Bis dahin will das Land mit allen Beteiligten nach Lösungen suchen, sollte es die erwartete Niederlage für das bisherige Modell geben.