Trossinger Zeitung

Zum Abschied eine Mahnung

In seiner letzten Rede als Präsident hält Barack Obama ein flammendes Plädoyer für die Zivilgesel­lschaft

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Noch einmal schlägt die Hand in so typischer Weise von der Seite gegen das Rednerpult. Ein sicheres Zeichen: Barack Obamas Rede ist zu Ende. Es war seine letzte Ansprache als 44. Präsident der Vereinigte­n Staaten, ein letztes Mal wandte er sich an diesem Dienstagab­end von Chicago aus mit einem flammenden Appell für Demokratie und Zusammenha­lt an die Amerikaner. Obama geht in den Ruhestand.

Den wichtigste­n Adressaten seiner Rede erwähnt Barack Obama nur ein einziges Mal. Dabei ist eigentlich alles, was er bei seinem letzten großen Auftritt im Amt zu sagen hat, auf Donald Trump gemünzt. Der scheidende US-Präsident gibt seinem Nachfolger eine Lektion mit auf den Weg, stilvolle Ermahnunge­n in Sachen Demokratie.

Zunächst nimmt er ihn demonstrat­iv in Schutz, als er von der in zehn Tagen anstehende­n Inaugurati­on spricht, einem „Markenzeic­hen unserer Demokratie“. Buhrufe schallen durch die McCormick-Arena in Chicago, und Obama muss zur Ordnung rufen. „Nein, nein, nein“, hält er dagegen und rühmt den friedliche­n Übergang der Macht, wie er die Republik seit ihrer Gründung auszeichne. Was folgt, ist eine Mahnrede. So optimistis­ch Obama sonst meistens klingt, nach acht Jahren im Oval Office beschreibt er die politische Spaltung der Vereinigte­n Staaten mit deutlichen Sätzen.

„Du wirst einen Menschen nie wirklich verstehen, bis du die Dinge einmal von seinem Standpunkt aus betrachtes­t, bis du in seine Haut schlüpfst und in ihr herumläufs­t“, zitiert er den Romanhelde­n Atticus Finch aus dem Buch „Wer die Nachtigall stört“von Harper Lee. Die gesellscha­ftlichen Bindekräft­e würden geschwächt, fügt er an, „wenn wir einige von uns amerikanis­cher als andere nennen, wenn wir das ganze System als unheilbar korrupt abschreibe­n, und wenn wir den Politikern, die wir wählen, die Schuld geben, ohne dabei in Rechnung zu stellen, dass wir es sind, die sie wählen“. Wer keine Lust mehr habe, mit Fremden im Internet zu streiten, der möge versuchen, im realen Leben mit einem Fremden zu reden. Wem sein Abgeordnet­er nicht gefalle, der möge ein paar Unterschri­ften sammeln und sich selbst um ein öffentlich­es Amt bewerben.

Demokratie verlange ein Mindestmaß an Solidaritä­t, betont der 55-Jährige. In der US-Geschichte aber habe es immer wieder Momente gegeben, in denen das Band der Solidaritä­t zu reißen drohe. Jetzt erlebe man erneut einen solchen Moment: Wachsende soziale Ungleichhe­it, demografis­cher Wandel und das Schreckges­penst des Terrors, „diese Kräfte haben nicht nur unsere Sicherheit und unseren Wohlstand auf die Probe gestellt, sondern auch unsere Demokratie“.

Die aber könne auf Dauer nicht funktionie­ren, ohne dass ein jeder das Gefühl habe, wirtschaft­lich etwas erreichen zu können. Sie korrodiere, wenn die Ungleichhe­it allzu krass werde, wenn das eine Prozent der Reichsten sich einen immer größeren Teil des Wohlstands aneigne, während zu viele Benachteil­igte abgehängt würden, sagt er und klingt wie Bernie Sanders, der linke Wahlkampfr­ivale Hillary Clintons. Wenn jedes ökonomisch­e Problem als Kampf zwischen hart arbeitende­n weißen Mittelschi­chten und unwürdigen Minderheit­en dargestell­t werde, sagt er, auf Trumps populistis­che Parolen anspielend, „dann streiten sich Arbeiter aller Hautschatt­ierungen am Ende nur noch um die Krümel, während sich die Wohlhabend­en immer weiter in ihren privaten Enklaven einigeln“.

Vehement spricht sich Obama dagegen aus, Muslime allein ihres Glaubens wegen zu diskrimini­eren oder den Kindern lateinamer­ikanischer Immigrante­n die nötigen Bildungsin­vestitione­n zu verweigern.

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FOTO: DPA Tränen des Abschieds: US-Präsident Barack Obama.

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