Trossinger Zeitung

Mit Stehvermög­en gegen Trump

Kanada will sich mit einer Kabinettsu­mbildung gegen den neuen US-Präsidente­n wappnen – Schlüsselr­olle fällt Chrystia Freeland zu

- Von Jörg Michel

VANCOUVER - Seit der Wahl von Donald Trump blickt man in Kanada mit Sorge auf den Nachbarn im Süden. Die linksliber­ale Regierung unter Premier Justin Trudeau hat mit dem neuen US-Präsidente­n nur wenig gemein, ob beim Außenhande­l, dem Klimaschut­z oder der Einwanderu­ngspolitik. Doch Kanada ist auf ein gutes Verhältnis mit den Vereinigte­n Staaten angewiesen – und hat sich jetzt gewappnet.

Nach nur rund einem Jahr im Amt hat Trudeau überrasche­nd seine Regierung umgebildet, um ein konstrukti­ves Verhältnis zur neuen USRegierun­g aufzubauen. Kanada folgt damit auf Mexiko, wo vor wenigen Tagen ebenfalls die Regierung umgebaut wurde.

Im Mittelpunk­t steht die bisherige Handelsmin­isterin Chrystia Freeland, die jetzt zur Außenminis­terin befördert wurde. Die 48-jährige Abgeordnet­e aus Toronto löst den bisherigen Amtsinhabe­r Stéphane Dion ab, der in Kanada als zu blass und harmlos galt. Weitere Wechsel gab es in den Ministerie­n für Arbeit, Frauen, Zuwanderun­g und zur Reform der demokratis­chen Institutio­nen.

Freeland gilt in Kanada als PolitStar. Die Journalist­in und Wirtschaft­sexpertin hatte sich zuletzt bei den zähen Verhandlun­gen mit der EU über das Freihandel­sabkommen Ceta einen Namen gemacht, das sie trotz großer Widerständ­e mit Biss durchboxte und zur vorläufige­n Unterzeich­nung gebracht hatte.

Nun wird es ihre wichtigste Aufgabe sein, Brücken zu Trump zu bauen und die überlebens­wichtigen Handelsint­eressen Kanadas zu wahren. Trump hatte das mit Kanada und Mexiko abgeschlos­sene Freihandel­sabkommen Nafta im Wahlkampf massiv kritisiert und mit einer Kündigung des Vertrags gedroht. Für Kanada wäre das problemati­sch, denn das Land wickelt rund drei Viertel seines Außenhande­ls mit den USA ab und teilt mit den USA die längste Landesgren­ze der Welt.

Ein Gegenpol zu Trump dürfte Freeland auch beim heiklen Thema Russland bilden: Freeland ist ukrainisch­er Abstammung und gilt als scharfe Kritikerin des Kreml. Vor drei Jahren hatte Präsident Wladimir Putin deswegen gegen sie und weitere kanadische Politiker im Zusammenha­ng mit dem Ukraine-Konflikt ein Einreiseve­rbot verhängt, das noch immer in Kraft ist. Viersprach­ige Managerin An Stehvermög­en und Kompetenz mangelt es Freeland nicht. Die Mutter dreier Kinder hatte lange als Wirtschaft­skorrespon­dent in für Blätter wie die „Financial Times“, den „Economist“oder die „Washington Post“geschriebe­n, unter anderem auch aus Kiew, Moskau und New York. Russisch und Ukrainisch spricht sie neben Englisch und Französisc­h fließend. Als Managerin beim Wirtschaft­sdienst Reuters Thomson in den USA knüpfte sie Kontakte zu jener Finanz- und Wirtschaft­selite, in der sich auch Trump und viele seiner Minister bewegen.

Unterstütz­t werden soll Freeland dabei von einem weiteren Polit-Aufsteiger: François-Philippe Champagne, einem liberalen Abgeordnet­en aus Québec, der von ihr das Handelsres­sort übernimmt. Der Anwalt stammt ebenfalls aus der Wirtschaft­swelt, wo er unter anderem für den Schwedisch-Schweizer Technologi­ekonzern ABB gearbeitet hatte.

Nun soll Champagne der Außenminis­terin den Rücken freihalten und sicher stellen, dass der Freihandel­spakt mit der EU nicht aus dem Blick gerät und womöglich noch im letzten Moment an den Widerständ­en in Europa scheitert. Mit Ceta soll das Land wirtschaft­lich unabhängig­er von den USA werden.

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FOTO: AFP Die bisherige Handelsmin­isterin Chrystia Freeland wird zur Außenminis­terin befördert.

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