Afghanistan laut Bericht extrem unsicher
UN-Flüchtlingshilfswerk gibt neue Einschätzung – Auswirkung auf Abschiebungen
RAVENSBURG - Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich 2016 „noch mal deutlich verschlechtert“. Zu dieser Bewertung kommt ein aktueller Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Der Bericht, der im Auftrag des Bundesinnenministeriums entstanden ist, könnte sich auf die Abschiebung afghanischer Asylsuchender auswirken. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein erwägt einen Abschiebestopp.
Im Dezember hatte eine Sammelabschiebung Asylsuchender nach Afghanistan für Schlagzeilen gesorgt. Auch Baden-Württemberg hatte sich mit fünf abgelehnten Asylbewerbern beteiligt. Vor allem der grüne Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand, dessen Partei mit der CDU die Regierung stellt, hatte sich darüber empört. Er hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) dafür kritisiert, Menschen abzuschieben, ohne benennen zu können, wo es in Afghanistan sichere Zonen geben soll.
Zur gleichen Einschätzung kommt jetzt das UNHCR. Im Bericht erklärt das Flüchtlingshilfswerk, dass es „aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage (...) keine Unterscheidung von ,sicheren‘ und ,unsicheren‘ Gebieten vornimmt.“Pauschal gelte keine afghanische Region als so sicher oder zumutbar, dass es dort nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommen könnte.
Laut der „Schleswig-Holsteinischen Zeitung“erwägt die Regierung des nördlichen Bundeslandes aufgrund des Berichts einen vorläufigen Abschiebestopp für Afghanen. Der SPD-Innenminister Stefan Studt sehe kaum Möglichkeiten für Abschiebungen in Sicherheit. Dagegen sieht Bundesinnenminister Thomas de Maiziére keinen Handlungsbedarf. In einem Schreiben an die Länderinnenminister argumentiert er, dass die Lage in Afghanistan nicht als allgemein unsicher bezeichnet werden könne. Eine Sprecherin erklärt, „dass den Bedenken des UNHCR vor allem dadurch Rechnung getragen wird, dass im Rahmen des Asylverfahrens in jedem Einzelfall Schutzansprüche (...) geprüft werden.“
Der baden-württembergische Grünen-Chef Hildenbrand kann das nicht verstehen. „Die vom UNHCR vorgelegte Expertise spricht eine klare Sprache: Afghanistan ist ein von Krieg und Terror geplagtes Land und die Sicherheitslage ist höchst prekär.“
Das Landesinnenministerium will den UNHCR-Bericht nicht bewerten. „Für unsere Rückführungspraxis ist nur die Einschätzung der Bundesregierung maßgeblich“, sagte ein Sprecher. Ähnlich äußerte sich Rudi Hoogvliet, Sprecher von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): Überlegungen wie in SchleswigHolstein gebe es in Baden-Württemberg nicht.