Vom Campingbus zum Luxusmobil
Der Reisemobilhersteller Carthago feiert 25 Jahre selbst aufgebaute Wohnmobile
AULENDORF - 25 Jahre aufgebaute Reisemobile – unter diesem Titel feiert der Reisemobilhersteller Carthago aus Aulendorf (Kreis Ravensburg) in diesem Jahr Jubiläum. Dabei ist das Unternehmen schon deutlich älter. Es wurde 1979 in Ravensburg gegründet. 1992 allerdings, vor 25 Jahren, bringt Carthago mit dem Abakus 35 sein erstes Reisemobil auf den Markt und verschiebt den Fokus vom Umbau von VW-Bussen zum Eigenbau von Wohnmobilen. Damit stellt Carthago die Weichen für seine Zukunft als Hersteller von Reisemobilen in der gehobenen Mittel- bis Luxusklasse.
Wer die Geschichte von Carthago erzählen will, kommt an dem Gründer und noch heute geschäftsführenden Gesellschafter Karl-Heinz Schuler nicht vorbei. Wer allerdings einen Gründungsmythos voller Abenteuerlust und Reisefieber erwartet, dem weht Pragmatismus entgegen. „Ich hatte damals gar keine Affinität zu Reisemobilen“, erinnert sich der Wirtschaftsingenieur an die Anfänge. Damals, als er kurz vor dem Abschluss seines Studiums bei einem Spaziergang durch Tübingen zufällig einen Blick in einen Campingbus wirft und sich denkt: „Das kann ich auch, das ist nichts Schwieriges, da kommt es auf die wirtschaftliche Führung an.“
Der Ausbau von Campingbussen auf VW-Basis läuft gut für das junge Unternehmen – jedenfalls so lange, bis die Konkurrenzsituation etwa mit VWs eigenem Campingbus und aus dem Ausland reimportierter Gebrauchtfahrzeuge dazu führt, dass mit den Neufahrzeugen kein großer Gewinn mehr zu erwirtschaften ist. 2001 verabschiedet sich das Unternehmen von der ursprünglichen Geschäftsidee und stellt die Produktion des Malibu-Campingbusses ein. Schuler schwenkt schon früher um, setzt auf eigenen Karosseriebau statt Umbau und bringt 1992 mit dem Abakus ein Alkoven-Wohnmobil auf den Markt.
In den Premiummarkt steigt Carthago endgültig 1999 ein. Jetzt baut das Unternehmen auch Karosserien komplett selbst auf, ohne das serienmäßige Fahrerhaus zu übernehmen. Der M-Liner ist somit das erste sogenannte vollintegrierte Reisemobil der Firma. Er kostet damals knapp 190 000 DMark. Heute sind 85 Prozent der Carthago-Reisemobile vollintegriert. Das inhabergeführte Unternehmen hält seinen Marktanteil in Deutschland und Europa in seinem Kernsegment – der im Vergleich zur Mittelklasse teureren Premiumklasse mit Fahrzeugen ab 80 000 Euro – bei rund 15 Prozent.
In den 2000er-Jahren wächst das Unternehmen und baut seine Modellpalette weiter aus. 2008 eröffnet die Firma ein Fertigungswerk im slowenischen Odranci – auch, um dem Fachkräftemangel im süddeutschen Raum auszuweichen. Die Eröffnung fällt in die Zeit der Finanzkrise und auch bei den Führungskräften von Carthago machen sich schlaflose Nächte breit. Der Einstieg in die leichte 3,5-Tonnen-Klasse rettet das Unternehmen, denn für die verhältnismäßig leichten Fahrzeuge ließen sich auch Kunden ohne Lkw-Führerschein gewinnen.
Mit der Gründung der Tochtermarke Malibu kehrt Carthago 2013 zu seinen Ursprüngen zurück und bringt den Malibu Van, einen LuxusCampingbus, diesmal auf Basis des Fiat Ducato, auf den Markt. Gebaut wird der Malibu nach anfänglichen Startschwierigkeiten im Werk in Slowenien. Seit etwa eineinhalb Jahren werden dort auch Malibu-Reisemobile gefertigt, die günstiger als die der Marke Carthago sind. Zu haben sind sie ab 60 000 Euro. Damit trägt das Unternehmen der Annahme Rechnung, dass weiteres Wachstum in der Premiumklasse begrenzt ist. Carthago soll bleiben Entwickelt werden auch die Malibus am Unternehmenssitz in Aulendorf, wohin die Firma 2013 von Ravensburg umzieht. Rund 25 Millionen Euro hat sich Carthago den Neubau kosten lassen. Nach gut 30 Jahren allein an der Spitze hat Schuler damals bereits die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Heute leiten die drei Geschäftsführer Anton Fetscher, Bernd Wuschack und Johannes Stumpp das Unternehmen mit. Mit der vor rund zwei Jahren gegründeten Carthago-Familienstiftung hat sich Firmengründer Schuler festgelegt, Carthago als eigenständiges Familienunternehmen zu erhalten und es nicht zu zerstückeln oder an einen Konzern zu verkaufen. Carthago, das einst als Ein-MannBetrieb startete, hat heute 1100 Mitarbeiter. Im vergangenen Geschäftsjahr setzte das Unternehmen 255 Millionen Euro um, im laufenden will es seinen Umsatz auf 300 Millionen Euro steigern und 5000 Fahrzeuge verkaufen. Im Geschäftsjahr 2015/16 waren es 4100. Über den Gewinn schweigt sich das Unternehmen aus, Carthago gilt in der Branche aber als recht profitabel. So wenig Affinität Schuler zu Beginn zu Reisemobilen hatte, so begeistert ist er heute davon, „auf so kleinem Raum so schöne Architektur und Lösungen erleben zu dürfen“. Auch heute noch steht der 63-Jährige immer wieder in seinen Fahrzeugen und überlegt, welches Detail er noch besser machen könnte. Den Begriff Tüftler mag Schuler dabei nicht besonders – das klinge zu sehr nach Improvisation, findet er. In seinem Umfeld nennen sie ihn gerne einen „strategischen Innovationsgeist“. „Unternehmer“, sagt er schließlich, sei er, und ja, vom oberschwäbischen Einfallsreichtum habe er wohl auch etwas abbekommen.
Zur diesjährigen Tourismusmesse CMT, die am Samstag in Stuttgart eröffnet, fährt Carthago 22 Reisemobile vor. Die gesamte Modellpalette von mittlerweile 56 Fahrzeugen stellt das Unternehmen in drei Katalogen auf insgesamt 362 Seiten vor. Für den Abakus 35 reichte vor 25 Jahren noch ein sechsseitiges Faltblatt.