Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Neues Konzerthaus in Stuttgart könnte als Ersatzspielstätte der Oper dienen
STUTTGART (dpa/sz) - Musikfreunde schauen dieser Tage voller Neid nach Hamburg. Denn die Hamburger haben, was den Stuttgartern (und den Münchnern) fehlt: einen Konzertsaal, der höchsten Ansprüchen genügt. In Stuttgart ist die Situation nochmal komplizierter. Denn auch die Oper ist marode und müsste dringend renoviert werden. Nun hat der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn eine Idee: Man könnte ein Konzerthaus bauen und dieses zunächst als Ersatzspielstätte für die Oper nutzen, während diese saniert wird. So könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
„Ein Konzerthaus brauchen wir ziemlich sicher sowieso. Die Frage ist, in welcher zeitlichen Reihenfolge wir es finanzieren können“, sagte der Stuttgarter OB Kuhn der Deutschen Presse-Agentur. Geprüft werde in der Stadtverwaltung, ob für die sanierungsbedürftige Oper eine Ersatzspielstätte im Zentrum gebaut werden kann. Der „Hybridbau“wäre dann künftig als Konzerthalle zu nutzen. Neubau auf dem Bahngelände Denkbar ist demnach auf dem Gelände der Baustelle für das Bahnprojekt Stuttgart 21 in der Nähe des Planetariums ein Neubau, der vorübergehend als Opern- und Ballettbühne dienen könnte. Dies sei eine von drei Möglichkeiten, die bis zur nächsten Sitzung des Verwaltungsrats der Württembergischen Staatstheater im April untersucht werden sollen. „Wir werden dann entscheiden, was am besten geht“, sagte Kuhn.
„Die Lebensqualität in unserer Stadt steht und fällt mit dem, was sie ihren Besuchern kulturell bieten kann“, sagte der Rathaus-Chef. Die Stadt habe ein großes Interesse daran, dass das Staatstheater den von Musikkritikern verliehenen Titel „Opernhaus des Jahres“auch in Zukunft erhalte.
„Wir wollen eine gemeinsame Lösung finden“, sagte Kuhn mit Blick auf Befürchtungen der Künstle, die Ausweichspielstätte könnte dem Ruf der Oper schaden. Geprüft werden außerdem zwei weitere Möglichkeiten: der Umbau des ehemaligen Paketpostamtes oder ein Interimsbau neben dem Mercedes-Benz-Museum. Die Künstler beklagen, dass diese Varianten zu weit vom Stadtzentrum entfernt seien und kein attraktives Umfeld böten.
„Jedes der drei Beispiele hat Vorteile, aber auch Nachteile“, sagte Kuhn. „Eine Nachnutzung der Interimsspielstätte als Konzertsaal ist wirtschaftlich sinnvoll und kulturpolitisch gut gedacht“, sagte der geschäftsführende Intendant der Staatstheater Stuttgart, Marc-Oliver Hendriks. Die Gesamtplanung werde damit aber noch einmal komplexer. Im April solle die Vorentscheidung fallen. Im Anschluss soll es einen städtebaulichen Wettbewerb für die Interimsspielstätte geben. Die Stadt und das Land finanzieren die bereits beschlossene Sanierung der Oper je zur Hälfte. Die Rede ist von 340 Millionen Euro – einschließlich der Ausweichspielstätte. Einen Termin für den Baustart gibt es nicht.
Die Stuttgarter Orchester hoffen seit langem auf ein Konzerthaus. Die bisher genutzte Liederhalle sei längst an ihren Grenzen, räumte Kuhn in einer Bilanz der ersten Hälfte seiner Amtszeit ein. Ob ein Konzerthaus im Zentrum auf dem Gelände von Stuttgart 21 als Interim während der Opernsanierung möglich sei, bleibe abzuwarten. „Bei dieser Möglichkeit, die viele am plausibelsten finden, ist die Frage zu klären, wann dafür Grundstücke zur Verfügung stehen, letztlich auch, wann Stuttgart 21 fertig wird“, sagte Kuhn. Wenn sich die Fertigstellung des Bahnprojekts über 2021 verzögere, seien die Flächen noch länger nicht nutzbar für Neubauten.