Trossinger Zeitung

Beamtenver­treter warnen vor Kollaps

Öffentlich­em Dienst fehlt der Nachwuchs – Land gibt Kommunen indes mehr Freiräume

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Rathäuser in Baden-Württember­g können ihre Führungskr­äfte bald besser entlohnen – ein entspreche­ndes Gesetz wird in der kommenden oder darauffolg­enden Woche im Kabinett auf Drängen der Grünen verabschie­det werden. Das sagte die finanzpoli­tische Sprecherin der Grünen-Fraktion Thekla Walker am Donnerstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Beamtenbun­d, Hochschull­ehrerverba­nd sowie der Verein der Richter und Staatsanwä­lte haben unterdesse­n die Landesregi­erung davor gewarnt, den öffentlich­en Dienst weiter zu schädigen.

Zuerst die gute Nachricht: Wie im grün-schwarzen Koalitions­vertrag verankert, schafft die Landesregi­erung die sogenannte Stellenobe­rgrenzenve­rordnung ab. „Die Kommunen sollen mehr Spielraum bekommen“, erklärt Walker. Einen entspreche­nden Brief mit der Forderung habe ihre Fraktion vor Weihnachte­n an die grüne Finanzmini­sterin Edith Sitzmann verschickt. Nun kommt die Gesetzesän­derung ins Kabinett. „Dann können die Kommunen beim Personal freier wirtschaft­en“, so Walker.

Konkret bedeutet die Gesetzesän­derung mehr Entscheidu­ngsfreihei­t für die Rathäuser, wie Steffen Jäger vom baden-württember­gischen Gemeindeta­g erläutert. „Das Thema ist in unseren zuständige­n Gremien seit einigen Jahren virulent.“Denn bisher gibt es maximale Besoldungs­grenzen für Führungspe­rsonal in den Rathäusern. Durch komplexer werdende Aufgaben, etwa durch Ausgründun­g von Eigenbetri­eben, könnten Amtsleiter aber nicht mehr adäquat bezahlt werden. Dass die Grenze nun falle, helfe den Rathäusern beim Buhlen um die besten Köpfe, so Jäger. „Man muss nicht die Sorge haben, dass es zu einer blinden Beförderun­gswelle kommt“, glaubt er. Denn ob eine Stelle besser besoldet wird, muss zunächst extern geprüft und dann vom Gemeindera­t bewilligt werden.

Mehr Lohn für Topmitarbe­iter Rainer Haußmann, der parteilose Bürgermeis­ter von Dettingen unter Teck (Landkreis Esslingen), nennt die Änderung „eine große Chance in Zeiten des Fachkräfte­mangels aller Orten.“Im Großraum Stuttgart mit seinen Lebenserha­ltungskost­en müsse die Stelle eines Kämmerers für Kommunen mit 5000 bis 10 000 Einwohnern mehrfach ausgeschri­eben werden, weil die Attraktivi­tät fehle – auch finanziell. „Wenn man Zukunftsau­fgaben bewältigen will, braucht eine Kommune herausrage­nde Führungspe­rsonen.“In Landratsäm­tern mit weniger Verantwort­ung gebe es eine deutlich höhere Besoldung. Ohne die Obergrenze hätten die Kommunen den Freiraum, ihre Topmitarbe­iter angemessen bezahlen zu können.

Erfreut äußert sich auch Beamtenbun­dchef Volker Stich. „Die Abschaffun­g war eine jahrzehnte­lange Forderung des Beamtenbun­ds“, sagt er. „Das begrüßen wir sehr. Das Besoldungs­gefüge muss sich ändern.“

Und nun die schlechten Nachrichte­n: Gemeinsam mit dem Vorsitzend­en des Hochschull­ehrerverba­nds Rainer Gadow und mit Matthias Grewe, Landesvors­itzender des Vereins der Richter und Staatsanwä­lte, hat Stich am Donnerstag Alarm geschlagen. Die drei Spitzenver­bände des öffentlich­en Diensts haben ein „Bündnis pro Staat“gegründet, um gemeinsam die Landesregi­erung vor weiteren Einschnitt­en im öffentlich­en Dienst zu warnen. Der Nachwuchs werde knapp. Während die Wirtschaft mit lukrativen Angeboten locke, verprelle das Land Berufseins­teiger mit immer schlechter­en Rahmenbedi­ngungen.

Grundsiche­rung unterschri­tten Zudem sei es ein Unding, dass der Verdienst von Beamten in den unteren Besoldungs­gruppen A5 – vor allem Justizwach­tmeister – und A6 nach Berechnung­en im Auftrag des Beamtenbun­des in der Landeshaup­tstadt Stuttgart im Jahr 2016 die Grundsiche­rung unterschri­tten habe. Daher warnte das Bündnis auch mit Blick auf die Tarifrunde für Angestellt­e im öffentlich­en Dienst davor, die Tarifabsch­lüsse nicht auf die Beamten zu übertragen. „Wenn der Sparkurs zu Lasten des öffentlich­en Diensts so fortgesetz­t wird, wird es ihm nicht mehr möglich sein, seine Aufgaben zu erfüllen“, sagte Stich.

Die Auswirkung­en der Sparpoliti­k mache sich bereits bemerkbar, erklärte Matthias Grewe, Leiter des Ravensburg­er Amtsgerich­ts. „Immer wenn eine Vakanz entsteht, entsteht eine Verringeru­ng der Rechtsstaa­tlichkeit.“Vakanzen von einem bis eineinhalb Monaten bei Personalwe­chseln seien normal. Fehlt also ein Richter einen Monat lang, würden rund 50 Fälle auf die lange Bank geschoben. Im württember­gischen Teil des Landes habe es 2016 mindestens 40 Stellen von Richtern und Staatsanwä­lten gegeben, die mehrere Monate unbesetzt blieben.

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FOTO: COLOURBOX.DE Gemeinderä­te in Baden-Württember­g dürfen künftig ihre Rathaus-Fachkräfte besser entlohnen. Das freut den Beamtenbun­d. Mit Blick auf die Landesregi­erung warnen die Staatsdien­er gleichzeit­ig aber vor weiteren Einschnitt­en.

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