Trossinger Zeitung

Fehlstart in München

Ab kommenden Mittwoch sollte am Hauptbahnh­of ein nächtliche­s Alkoholver­bot gelten – wenn der OB unterschri­eben hätte

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Kaum eine Woche vergeht, ohne dass München von bayerische­n Sicherheit­spolitiker­n als die sicherste Großstadt Deutschlan­ds, wenn nicht Europas, gepriesen wird. Doch Bahnreisen­den bietet sich ein anderes Bild: Am Vorplatz tummeln sich Obdachlose und dunkle Gestalten, es riecht nach Zigaretten­qualm, Bier und Urin. Zu nächtliche­n Zeiten trauen sich die weiblichen Beschäftig­ten der Bahnhofslä­den nicht mehr auf die Toiletten.

Mit erhebliche­m publizisti­schen Brimborium hatten Bundes- und Landespoli­zei vor knapp einem Jahr eine verstärkte Zusammenar­beit im Bahnhofsbe­reich angekündig­t. Gemeinsame Streifen sollten die Polizeiprä­senz verstärken. Doch offenbar gelang es auch den konzertier­ten Anstrengun­gen der Polizeien des Bundes und des Freistaats nicht, das Kriminalit­ätsniveau im Bahnhof nachhaltig zu senken. Von Einzelerfo­lgen abgesehen: So gelang es der Bundespoli­zei, Anfang Oktober „Terminator“und „Gouvernato­r“Arnold Schwarzene­gger zu stoppen, der die Bahnhofsha­lle mit einem Fahrrad durchquere­n wollte. Zahl der Straftaten steigt Die anhaltende­n Klagen von Benutzern, Anwohnern und Geschäftsl­euten über die Zustände im Hauptbahnh­of der Schickimic­ki-Metropole sind nicht aus der Luft gegriffen. Seit 2015 ist die Zahl der dort registrier­ten Straftaten um 130 Prozent gestiegen, bei den Körperverl­etzungen sogar um 165 Prozent. Keine schöne Bilanz für die Visitenkar­te der sichersten Stadt im sichersten Bundesland. Da die Polizei den Umtrieben offenbar nicht Herr werden kann, griff der Münchner Stadtrat den Vorschlag von Geschäftsl­euten auf, ein nächtliche­s Alkoholver­bot für den Bahnhofsbe­reich zu verhängen. Bahnhofsbe­sucher und Reisende, bestätigt der Leiter des Bahnhofsma­nagements Heiko Hamann, wollten nicht von Alkoholisi­erten belästigt werden. Gesagt, getan: Vor etwa einem Monat beschloss der Stadtrat, dass zwischen 22 Uhr abends und sechs Uhr früh das Mitführen und der Verzehr von Alkohol im öffentlich­en Raum rund um den Kopfbahnho­f verboten werden sollte. Es passt zur Misere um den Schandflec­k Hauptbahnh­of, dass der Kampf gegen alkoholbed­ingte Gewalt mit einem Fehlstart begann.

Die entspreche­nde städtische Verordnung zum Alkoholver­bot konnte nicht wie geplant am Mittwoch, 11. Januar in Kraft treten, weil die dazu notwendige Bekanntmac­hung im Amtsblatt formell unwirksam war, wie die Stadt München am Donnerstag mitteilte: „Korrekterw­eise hätten die als Unterschri­ft fungierend­en Textzeilen ,Dieter Reiter/ Oberbürger­meister‘ (...) direkt unter dem Verordnung­stext abgedruckt werden müssen“, so die RathausPre­ssestelle. Das sei aber nicht geschehen.

Immerhin stehen die Schuldigen am Fehlstart fest: „Zu dem Formfehler war es gekommen, weil die Rechtsabte­ilung es versäumt hatte, dem Oberbürger­meister die Verordnung (...) rechtzeiti­g zur Unterschri­ft vorzulegen“, hieß es. Jetzt soll das Alkoholver­bot am 21. Januar in Kraft treten. Ob das nächtliche Alkoholver­bot überhaupt etwas bewirkt, wird bezweifelt. Die Grünen im Stadtrat meinen, dass das problemati­sche Klientel nur an einen anderen Standort verdrängt wird. GrünenStad­tratsfrakt­ionsvorsit­zende Gülseren Demirel forderte stattdesse­n den Einsatz von Streetwork­ern, Sucht- und Drogenbera­tern.

Die Jungen Liberalen, Jugendorga­nisation der Bayern-FDP, sehen in dem Alkoholver­bot „nur eine weitere Gängelung der Bürger“, die keine Gewalttat unterbinde. Das Verbot werde nur zu einer Verlagerun­g führen, meinten die JuLis. Die Landesgesc­häftsstell­e der FDP und der JuLis befindet sich in unmittelba­rer Nähe des Münchner Hauptbahnh­ofs zwischen Döner-Imbissstat­ionen und Im- und Exportläde­n.

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FOTO: DPA Das Alkoholver­bot am Münchner Hauptbahnh­of soll nun am 21. Januar in Kraft treten.

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