Trossinger Zeitung

Wachstum auf Fünf-Jahres-Hoch

Die deutsche Wirtschaft legt 2016 um 1,9 Prozent zu

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Deutsche Wirtschaft ist 2016 stärker gewachsen als erwartet. Unter dem Strich legte die größte Volkswirts­chaft Europas 2016 um 1,9 Prozent zu. Das berichtete das Statistisc­he Bundesamt. Warum geht es der Wirtschaft so gut? In fast allen Bereichen läuft es rund. Überdurchs­chnittlich entwickelt­e sich das Baugewerbe mit einem Plus von 2,8 Prozent. Spitzenrei­ter sind die Kommunikat­ionsbranch­en mit einem Zuwachs um drei Prozent. Ins Minus ist gar keine Sparte gerutscht. So ist zu erklären, dass das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP), also die gesamte Wirtschaft­sleistung, 2016 um 1,9 Prozent gewachsen ist. Ein stärkeres Wirtschaft­swachstum gab es zuletzt 2011 (plus 3,7 Prozent). Haben auch die Arbeitnehm­er etwas von der guten Entwicklun­g? Nachdem die Beschäftig­ten in den vergangene­n Jahrzehnte­n nur wenig vom Aufschwung profitiere­n konnten, wächst ihre Kaufkraft jetzt wieder an. Im vergangene­n Jahr stiegen die Löhne und Gehälter nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s im Durchschni­tt um 3,6 Prozent und damit stärker als die Unternehme­nsund Vermögense­inkommen. Ein Teil des Zugewinns wurde durch höhere Sozialabga­ben wieder aufgezehrt. Die verfügbare­n Einkommen stiegen deshalb nur um 2,8 Prozent. Da die Teuerungsr­ate leicht darunterla­g, erhöhte sich die Kaufkraft der Erwerbstät­igen. Außerdem hat sich die Lage am Arbeitsmar­kt weiter verbessert. „Die Erwerbslos­enquote hat sich seit ihrem Höchststan­d 2005 von 10,3 Prozent mehr als halbiert“, sagt der Präsident des Amtes, Dieter Sarreither. Mit 43,5 Millionen Erwerbstät­igen verzeichne­t Deutschlan­d zudem einen Rekordwert seit der Wiedervere­inigung. Wird es 2017 so gut weitergehe­n? Darauf wollen sich die Statistike­r noch nicht festlegen. Die Ökonomen der großen Forschungs­institute erwarten 2017 ein schwächere­s Wachstum. Dazu trägt allein schon die im Vergleich zu 2016 höhere Zahl an Feiertagen bei. Die Fachleute gehen dennoch von einer soliden Entwicklun­g aus, die der Wirtschaft ein Plus zwischen 1,1 Prozent und 1,8 Prozent bescheren könnte. Gibt es Risiken, die zu einem Konjunktur­einbruch führen könnten? Es gibt eine Reihe von derzeit schwer einschätzb­aren Faktoren, die positive Erwartunge­n durchkreuz­en könnten. Die meisten davon sind internatio­nal angesiedel­t. Dazu gehört der künftige wirtschaft­spolitisch­e Kurs des neuen US-Präsidente­n Donald Trump. Schottet er die USA vor Importen ab, kann das zum Beispiel für die Automobili­ndustrie problemati­sch werden. Auch die Folgen des Brexit und die immer noch gärende Bankenkris­e in Europa bergen Ungewisshe­iten. Welche Rolle spielt die enorme Zuwanderun­g für das Wachstum? Die finanziell­en Effekte kann das Statistisc­he Bundesamt nicht exakt beziffern. Aber die Ausgaben für Flüchtling­e, zum Beispiel für Wohnkosten oder ihre Einkäufe im Supermarkt fließen in die Berechnung des BIP ein. Neun Milliarden Euro hat das Finanzmini­sterium für Hilfen ausgegeben. Der Überschuss von gut sechs Milliarden Euro geht auch auf nicht benötigte Ausgaben für die Flüchtling­e zurück. Wie steht Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich da? Die meisten anderen großen Industriel­änder kommen an die deutschen Wachstumsr­aten nicht heran. Frankreich kommt auf ein Plus von 1,3 Prozent, Italien nur auf 0,7 Prozent, ebenso wie Japan. Die USA sind mit 1,6 Prozent näher dran. Nur die kleineren EU-Länder, etwa Polen oder Irland, überflügel­n Deutschlan­d. Allerdings ist dort das Ausgangsni­veau viel geringer. Droht durch das Wachstum in Deutschlan­d auch eine Inflation? Chef-Statistike­r Sarreither sieht deutliche Anzeichen für einen kräftigere­n Anstieg der Preise. Die Inflations­rate schnellte schon Ende des vergangene­n Jahres wieder auf 1,5 Prozent. Unter anderem sind es steigende Ölpreise, die die Teuerungsr­ate weiter nach oben treiben.

Die schlechte Nachricht: Die Zinsen bleiben trotzdem niedrig, weil der Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Mario Draghi, die Wirtschaft sämtlicher Eurostaate­n im Blick hat. Und in den Südländern läuft die Konjunktur noch immer nicht rund. Damit verliert das Geld der zahlreiche­n Sparer in Deutschlan­d mit Tagesgeld, Festgeld oder Vermögen auf dem Sparbuch an Kaufkraft.

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FOTO: DPA Überdurchs­chnittlich entwickelt­e sich das Baugewerbe.

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