Lockruf der Stadt
Die Landflucht in Deutschland hält an – Die Jüngeren zieht es in die Ballungsgebiete
BERLIN (dpa) - Städte wachsen, in der Provinz nimmt die Zahl der Menschen ab – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungszentrums Demografischer Wandel der Frankfurt University of Applied Sciences. Die Forscher haben dafür Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder ausgewertet. Demnach bekommen Frauen in den Boomstädten nicht etwa mehr Kinder, „es leben aber dort deutlich mehr junge Frauen, die Kinder bekommen können“, erläutert Sven Stadtmüller, der Autor der Studie. Bundesländer, die mehr Geburten als Sterbefälle haben, verzeichnen auch überdurchschnittlich viel Zuwanderung. Aber es gibt auch andere spannende Aspekte.
Bevölkerungsentwicklung: Deutsche Großstädte locken Menschen an. Die stärksten Bevölkerungsrückgänge zwischen 2000 und 2015 verzeichneten dagegen die mittelgroße Stadt Suhl (minus 22,1 Prozent) in Thüringen und der Kreis Oberspreewald-Lausitz in Brandenburg (-21,7). Dagegen konnten sich München (plus 20,5), Potsdam (+19,6) und Landshut (Bayern/+17,8) über die höchsten Zuwächse freuen.
Alter: Deutschlandweit sind 21 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre, in Großstädten nur 19,8 Prozent. Doch es gibt auch hier Unterschiede: Nach einer Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung vom Herbst 2016 liegt das Medianalter, bei dem die Hälfte der Bevölkerung älter und die andere jünger ist, etwa in Heidelberg bei 38,1 und in Chemnitz bei 48,9 Jahren. Grundsätzlich gilt: Der Osten ist älter. Der Altersdurchschnitt in den ostdeutschen Bundesländern liegt jeweils bei mehr als 46 Jahren, bundesweit bei 44,3 Jahren.
Geburten: In Deutschland kamen 2015 im Schnitt 1,5 Kinder je Frau auf die Welt – so viele wie seit 1982 nicht mehr. Am höchsten war der Wert in Sachsen (1,59), am niedrigsten im Saarland (1,38). Da junge Menschen in Großstädte zuwandern, gibt es dort mittlerweile mehr Geburten als auf dem Land.
Hotel Mama: Sechs von zehn jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren lebten 2015 noch bei ihren Eltern – vor allem in ländlichen Gebieten. In Gemeinden mit weniger als 10 000 Einwohnern hatten 78 Prozent noch ein Zimmer im elterlichen Haushalt, in Großstädten ab 500 000 Einwohnern lediglich 45 Prozent.
Binnenwanderung: Manche Regionen sind beliebter als andere – gerade das Berliner und Hamburger Umland zieht viele Menschen aus anderen Bundesländern an. Bei Umzügen innerhalb Deutschlands war 2015 unterm Strich Brandenburg mit 11 440 mehr Zu- als Fortzügen am attraktivsten, gefolgt von SchleswigHolstein (+7093).
Einkommen: Wer mehr verdienen will, muss oft in eine Stadt ziehen. In Wolfsburg lag das sogenannte Mediangehalt 2015 bei 4610 Euro brutto – das heißt, dass die eine Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitnehmer mehr, die andere Hälfte weniger erhielt. Damit war das Monatseinkommen in der niedersächsischen VW-Stadt am höchsten. Auch am Audi-Standort Ingolstadt (Bayern/4545 Euro), in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz/ 4491) und Erlangen (Bayern/4486) bekam man einen richtig guten Lohn. Das geringste Einkommen gab es im sächsischen Erzgebirgskreis (2036), in Vorpommern-Rügen (2057), im brandenburgischen Elbe-ElsterKreis (2060) und im sächsischen Görlitz an der polnischen Grenze (2068).
Mietkosten: Die Miete in den Großstädten steigt deutlich. Während in Berlin im ersten Halbjahr 2016 die Preise in Inseraten um 5,5 Prozent höher waren als ein Jahr zuvor, kletterten sie in München sogar um 7,6 Prozent. Während etwa in Wunsiedel im bayerischen Fichtelgebirge der Quadratmeter durchschnittlich für 4,24 Euro Kaltmiete angeboten wurde, waren es in München 15,52 Euro.