Spagat zwischen Emotion und Vernunft
Beim Neujahrsempfang berichten Firmeninhaber über ihre Nachfolgeregelungen
TUTTLINGEN - Rekord beim gemeinsamen Neujahrsempfang des Gränzboten und des Gewerbe- und Handelsvereins ProTUT: 310 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben der Kreisstadt sind am Donnerstag in die Tuttlinger Stadthalle gekommen. Grund für die große Resonanz der Gäste war sicherlich auch die Talkrunde zum Thema „Nachfolgemanagement“, die Regio-TV-Redakteurin Katrin Ziegler mit Unternehmern moderierte.
Dabei fanden sich auf dem Podium Unternehmer wieder, die jeder von ihnen eine unterschiedliche Lösung für die Fortführung ihres Unternehmens gefunden haben – jeder auf seine Weise. Fritz Habel (56) hat für seine Datenmanagement-Firma in Rietheim-Weilheim keinen Nachfolger aus der Familie finden können und verkaufte sein Unternehmen. „Meine Tochter ist erst 15 und eher kreativ veranlagt. Mit IT hat sie nichts am Hut. Und mein Sohn interessiert sich eher für Robotik – auch er ist erst zwölf“, erzählte Habel, dass vor der Veräußerung der Firma aber erst der Familienrat getagt habe.
Auf einem Seminar in Freiburg zum Thema „Nachfolgemanagement“habe es ihm dann schnell gedämmert, dass zu viele Unternehmer den Übergang verschlafen und es mit 85 Jahren dann oft zu spät sei, die eigene Nachfolge geordnet zu regeln. „Das wollte ich nicht!“, konstatierte Fritz Habel. Auf der anderen Seite: „Es war nicht schwierig, einen Käufer für mein Unternehmen zu finden. Aber es war gar nicht so leicht, den richtigen Käufer zu finden“, sagte er. Denn: Habel wollte sichergehen, dass das Unternehmen am Standort erhalten wird und die Angestellten ihre Jobs behalten konnten. Das habe er beim Verkauf geschafft und könne zufrieden sagen: „Ich habe alles richtig gemacht.“
Gut gemacht, konnte da nur Podiumsgast Jörg-Marcus Leisle sagen. er ist Rechtsanwalt und Spezialist in Sachen Unternehmensveräußerung und Nachfolgemanagement. „Kein Fall gleicht dem anderen.“Nicht immer sei es ratsam, den Betrieb mit aller Gewalt in Familienhand weiterführen zu wollen. Oftmals würden Modelle mit externen Geschäftsführern besser funktionieren und die Familie als Gesellschafter im Hintergrund bleiben. „Das erfordert aber ein Miteinander“, sagte Leisle, ständige Kontrolle durch die Familie könne da viel kaputt machen.
Thomas Schneckenburger hat die gleichnamige Bäckerei in Familienhand belassen können. Eine glückliche Fügung, wie er sagte, denn der Sohn Marc Schneckenburger führt den Familienbetrieb weiter. In diesem Falle hat der klassische Generationswechsel vom Senior zum Junior funktioniert – ohne Biegen und Brechen. Und plötzlich Chefin Ganz anders Aline Sutter: Die studierte Textilmanagerin hat über Umwege die Geschäftsführung des elterlichen Betriebs Kohler Gehring als Nachfolgerin übernommen. Sutter stieg vor sieben Jahren in den Laden für Handtaschen und Koffer ein – die Eltern noch im Hintergrund. Und das, obwohl sie vormals Handtaschen weder mochte, noch besaß. Das hat sich geändert: 40 Exemplare besitzt sie nun. Das Know-how als Chefin musste sie sich über Zusatzausbildungen „draufpacken“. Das „Du“mit den jahrelang bekannten Mitarbeitern musste dann aber wegfallen.
Plötzlich war Aline Sutter die Chefin. Sie sieht den Einzelhandel zwar in Konkurrenz mit den OnlineShops, doch sie punkte durch Service, persönliche Präsenz und den Vorteil, dass in ihrem Laden die Handtaschen sich anfassen und anprobieren lassen.