Trossinger Zeitung

„Vor Kroatien habe ich etwas Angst“

Der frühere Spitzen-Schiedsric­hter Rolf Leiber traut Deutschlan­d bei der Handball-WM zu, um den Titel mitzuspiel­en

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TUTTLINGEN - Seit Mittwoch wird in Frankreich der nächste HandballWe­ltmeister ausgespiel­t. Die deutsche Mannschaft startet am heutigen Freitag (17.45 Uhr) gegen Ungarn in das Turnier. Rolf Leiber traut dem Europameis­ter zu, um den Titel mitzuspiel­en. Im Gespräch mit Redakteur Matthias Jansen berichtet der langjährig­e Vorsitzend­e des TSV Rietheim von seinen Erfahrunge­n bei einem Weltturnie­r. Leiber war 15 Jahre lang Bundesliga­Schiedsric­hter und auch internatio­nal ein anerkannte­r Spielleite­r. Hallo, Herr Leiber. Die HandballWM in Frankreich hat begonnen. Werden Sie sich die Spiele anschauen? Ich werde die Weltmeiste­rschaft verfolgen. Aber ich setze mich vor keinen Computer, um die Spiele im Internet zu sehen. Ärgert Sie es, dass dieses Turnier nicht im Fernsehen zu sehen ist? Das ist mehr als enttäusche­nd. Dass die Spiele nicht im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen zu sehen sind, ist traurig und muss eine Schlafmütz­igkeit gewesen sein. Und es ist nicht richtig für die deutschen Zuschauer. Die Europameis­terschaft war ein Genuss für das Auge und hat die Zuschauer begeistert. Und jetzt ist es leer. (Anm. d. Red: Nach dem Führen des Interviews wurde bekannt, dass ARD und ZDF von den Höhenpunkt­en der WM berichten) Verfolgen Sie den Handball generell noch? Ich war 50 Jahre der Vorsitzend­e des TSV Rietheim und bin dem Handball verbunden. Im Fernsehen fiebere ich bei den Spielen mit. Es war gut, dass die Rhein-Neckar-Löwen mal Deutscher Meister geworden sind und nicht immer nur der THW Kiel. Das hat dem Handball gut getan. Auch die SG Flensburg-Handewitt wäre mal dran. Und schauen Sie auch mal bei ihrem Verein HSG Rietheim-Weilheim zu? Das passiert seltener. Meist begleite ich meinen Enkel Jannik Leiber zu seinen Spielen. Er spielt für den TV Spaichinge­n in der Landesliga. Ich bin sein treuester Fan und fahre ihn auch zum Training. Deshalb habe ich wenig Zeit, mir die Spiele der HSG Rietheim-Weilheim anzuschaue­n. Sie waren 15 Jahre lang Schiedsric­hter in der Handball-Bundesliga, haben fast genauso lange auch internatio­nal gepfiffen. Wie hat sich der Sport verändert? Das Spiel ist athletisch­er geworden. Der körperlich­e Einsatz der Spieler ist größer. Unfairer ist es dennoch nicht. Das würde ich nicht sagen. Deutschlan­d startet mit dem Spiel gegen Ungarn in die Weltmeiste­rschaft. In der Gruppe trifft der Europameis­ter auch noch auf Chile, Kroatien, Saudi-Arabien und Weißrussla­nd. Was trauen Sie der Mannschaft von Trainer Dagur Sigurdsson zu? Die Gruppe sollten sie schon schaffen. Etwas Angst habe ich vor Kroatien. Der Favorit ist Gastgeber Frankreich. Auch wenn die Asse schon ins Alter gekommen sind. Dänemark, Spanien, Kroatien, aber auch Deutschlan­d sind für den Titel gut. Die deutsche Mannschaft ist ausgeglich­en, jung und unberechen­bar. Uwe Gensheimer und Andreas Wolff sind schon überragend. Ich meine, dass Holger Glandorf (steht auf Abruf im deutschen Kader/Anm. d. Red.) eingesetzt werden sollte. Als Schiedsric­hter haben Sie eine Weltmeiste­rschaft – 1982 in der damaligen Bundesrepu­blik Deutschlan­d – selbst miterlebt. Welche Erinnerung­en haben Sie an das Turnier im eigenen Land? Die Mannschaft­en waren ausgeglich­ener. Die Weltspitze war näher zusammen. Als Schiedsric­hter haben wir damals in Dortmund in einem Hotel mit mehreren Mannschaft­en gewohnt. Der spätere Weltmeiste­r Sowjetunio­n war dort einquartie­rt. Wir haben die Spieler beim Frühstück oder abends an der Bar getroffen und mit ihnen geplaudert. Das Interesse an den Spielen war groß. Die Hallen waren immer gut besucht. Wie war ihr Verhältnis zu den deutschen Spielern? Ich hatte einen guten Kontakt zu Erhard Wunderlich. Das war ein lustiger Vogel. Ich war 1,93 Meter groß. Und er war sogar noch einen Kopf größer. Aber auch mit anderen Nationalsp­ielern, Heiner Brand, Kurt Klühspies oder Manfred Hoffmann, habe ich mich gut verstanden. Ich würde sogar von einer Freundscha­ft reden. Man hat sich geachtet. Wir haben uns als Schiedsric­hter gefreut, wenn wir die Spieler gesehen haben. Und die haben sich gefreut, wenn wir gepfiffen haben. Was waren neben der HandballWM 1982 die schönsten Ereignisse in ihrer langen Karriere als Schiedsric­hter? Das war sicherlich die Juniorinne­nWM 1983 in Frankreich. In der Bundesliga haben mein Partner Werner Joseph aus Onstmettin­gen und ich jedes Jahr ein Knüllerspi­el leiten dürfen. Meist Gummersbac­h gegen Großwallst­adt, oder anders herum. Zwischen diesen beiden Mannschaft­en wurde die Meistersch­aft entschiede­n. In der Dortmunder Westfalenh­alle habe ich 1979 vor 15 000 Zuschauern das Supercup-Spiel zwischen der Sowjetunio­n und Jugoslawie­n geleitet. Werner Joseph und ich haben 18 Jahre miteinande­r gepfiffen. Wir waren ein führendes Paar in der Welt. Dabei sind Sie nur zufällig Schiedsric­hter geworden? Das stimmt. Ich habe Wolfgang Lenzing 1965 zur Prüfung gefahren. Lehrgangsl­eiter Adolf Schade hat in Neufra zu mir gesagt, mach doch auch mit. Ohne Vorbereitu­ng habe ich fehlerfrei bestanden. Wie ich das geschafft habe, weiß ich nicht. Ich bin dankbar, dass ich mich entschiede­n habe, Schiedsric­hter zu werden.

 ?? FOTO: IMAGO SPORTFOTOD­IENST ?? Tobias Reichmann (beim Wurf) und die deutsche Handball-Nationalma­nnschaft spielen zum WM-Auftakt heute gegen Ungarn. Bereits bei der Europameis­terschaft hatten sich die Teams gegenüber gestanden. Deutschlan­d gewann auf dem Weg zum Titel 29:19.
FOTO: IMAGO SPORTFOTOD­IENST Tobias Reichmann (beim Wurf) und die deutsche Handball-Nationalma­nnschaft spielen zum WM-Auftakt heute gegen Ungarn. Bereits bei der Europameis­terschaft hatten sich die Teams gegenüber gestanden. Deutschlan­d gewann auf dem Weg zum Titel 29:19.
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FOTO: MICHAEL HÄUSSLER Rolf Leiber

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