Direktor
Vom Brexit hält Tristram Hunt, der neue Direktor des Victoria and Albert Museums (V&A) in London genauso viel wie sein Vorgänger, nämlich nichts. Der deutsche Kulturwissenschaftler Martin Roth verstand die britische Absage an die EU im vergangenen Jahr als Signal, das weltberühmte Haus zu verlassen. Für Hunt hingegen stellt der Posten eine tolle Chance dar: Der promovierte Historiker und Labour-Abgeordnete entkommt der britischen Politik, die ihm auf absehbare Zeit nur Kummer gebracht hätte.
Bei der jüngsten Unterhauswahl platzierte die Wählerschaft in Stoke-on-Trent, Hunts Wahlkreis, den Kandidaten der EUfeindlichen Ukip auf Platz zwei, bei der Volksabstimmung votierte die Stadt mit 69 Prozent für den Austritt. Bei der nächsten Wahl hätte Hunt zudem seinen linksradikalen Parteichef Jeremy Corbyn verteidigen müssen, den der dem rechten sozialdemokratischen Flügel zugehörige Historiker für absolut unfähig hält.
Der Sohn eines engagierten Kommunalpolitikers, der mittlerweile für Labour im Oberhaus sitzt, promovierte nach dem Geschichtsstudium in Cambridge über englische Kulturgeschichte im 19. Jahrhundert, also eben jene viktorianische Epoche, aus der sein neuer Arbeitsplatz 1852 hervorging. Das V&A, sagt Hunt, „habe ich geliebt, seit ich ein Junge war“. Die Sammlungen mit ihren 2,3 Millionen Objekten spielten immer wieder eine Rolle in den BBC-Filmen, mit denen der telegene Geschichtsdozent einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. Hunt bringe „eine höchst überzeugende Mischung von Erfahrungen“aus Politik, öffentlicher Verwaltung und Bildungswesen in seine Tätigkeit ein, sagt V&A Chairman Nicholas Coleridge. Doch fehlt die Führung einer großen Institution.
Der verheiratete Vater von drei Kindern, 42, erbt ein hervorragend aufgestelltes Haus. Das kostenlos zugängliche V&A nennt sich selbstbewusst „das führende Museum für Kunst und Design weltweit“. 2015 kamen 3,4 Millionen Besucher.
Sebastian Borger