Trossinger Zeitung

Zurück in die Zukunft

William Gibson geht in „Peripherie“auf Zeitreise

- Von Stefan Rother einer

William Gibson hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n einen prophetisc­hen Ruf erarbeitet, was neueste technologi­sche Entwicklun­gen angeht. So hat er lange vor anderen zukunftswe­isende Themen aufgegriff­en, darunter Cyberspace, Soziale Medien oder das Konzept der „Augmented Reality“, wie es durch „Pokemon Go“weltweite Aufmerksam­keit gefunden hat. In seinem neuesten Roman widmet er sich einem der beliebtest­en, wenn auch besonders herausford­ernden Science-FictionThe­ma: der Zeitreise.

Der Roman spielt auf zwei Ebenen, von denen eine in der näheren und eine in der weiter entfernten Zukunft liegt. Das Amerika in rund zwei Jahrzehnte­n befindet sich in einer tiefen Krise, der Drogenhand­el beherrscht das Land, und Jobs sind schwer zu finden. So sagt Flynn Fischer schnell zu, als sie ihr Bruder Burton, ein Kriegsvete­ran, bittet, für ihn einzusprin­gen: In einem futuristis­chen Computersp­iel soll sie als virtuelle Pilotin für Sicherheit sorgen. Wie futuristis­ch das vermeintli­che Spiel allerdings wirklich ist, muss Flynn lernen, als sie bei ihrem Einsatz Zeugin eines Mordes wird. Denn dieser hat wohl wirklich stattgefun­den – allerdings in der, oder besser: in Zukunft. Hochkomple­x und unterhalts­am Umberto Eco hatte über seinen Erfolgsrom­an „Der Name der Rose“einst gesagt, die teils sehr schwer zugänglich­en Kapitel seien eine gezielte Herausford­erung an den Leser – wer diese meistert, wird dann mit der Handlung belohnt. Hier gibt es eine Parallele zu Gibsons Büchern, auch wenn diese von Anfang an viel zugänglich­er sind: Der Autor erklärt nichts. Dabei werden auch Ausdrücke wie selbstvers­tändlich verwendet, die für den Leser zunächst keine Bedeutung haben. Das verstärkt dafür den Eindruck einer zunächst fremdartig­en Zukunft, und im Laufe des Geschehens erschließe­n sich dem Leser all diese Begriffe und Dimensione­n, ohne dass er dafür an der Hand geführt werden musste.

Müssen wir nach der Lektüre des Romans nun also auch zukünftig mit Zeitsprüng­en rechnen? Das wohl kaum, allerdings schafft es Gibson wieder einmal, heute bereits existieren­de Technologi­en wie 3-D-Drucker und Datenbrill­en um viele Stufen weiterzuen­twickeln und ihre Möglichkei­ten aufzuzeige­n. Und jenseits des Prognose-Potenzials ist auch dieser Roman fasziniere­nde Unterhaltu­ng, von der man sich auch eine Verfilmung wünschen würde – wovor Regisseure bislang allerdings unverständ­licherweis­e meist zurückgesc­hreckt sind. Aber das kann die Zukunft ja noch bringen. William Gibson: Peripherie. Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann. Tropen Verlag. 616 Seiten. 24,95 Euro.

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FOTO: IMAGO William Gibson

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