Zurück in die Zukunft
William Gibson geht in „Peripherie“auf Zeitreise
William Gibson hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einen prophetischen Ruf erarbeitet, was neueste technologische Entwicklungen angeht. So hat er lange vor anderen zukunftsweisende Themen aufgegriffen, darunter Cyberspace, Soziale Medien oder das Konzept der „Augmented Reality“, wie es durch „Pokemon Go“weltweite Aufmerksamkeit gefunden hat. In seinem neuesten Roman widmet er sich einem der beliebtesten, wenn auch besonders herausfordernden Science-FictionThema: der Zeitreise.
Der Roman spielt auf zwei Ebenen, von denen eine in der näheren und eine in der weiter entfernten Zukunft liegt. Das Amerika in rund zwei Jahrzehnten befindet sich in einer tiefen Krise, der Drogenhandel beherrscht das Land, und Jobs sind schwer zu finden. So sagt Flynn Fischer schnell zu, als sie ihr Bruder Burton, ein Kriegsveteran, bittet, für ihn einzuspringen: In einem futuristischen Computerspiel soll sie als virtuelle Pilotin für Sicherheit sorgen. Wie futuristisch das vermeintliche Spiel allerdings wirklich ist, muss Flynn lernen, als sie bei ihrem Einsatz Zeugin eines Mordes wird. Denn dieser hat wohl wirklich stattgefunden – allerdings in der, oder besser: in Zukunft. Hochkomplex und unterhaltsam Umberto Eco hatte über seinen Erfolgsroman „Der Name der Rose“einst gesagt, die teils sehr schwer zugänglichen Kapitel seien eine gezielte Herausforderung an den Leser – wer diese meistert, wird dann mit der Handlung belohnt. Hier gibt es eine Parallele zu Gibsons Büchern, auch wenn diese von Anfang an viel zugänglicher sind: Der Autor erklärt nichts. Dabei werden auch Ausdrücke wie selbstverständlich verwendet, die für den Leser zunächst keine Bedeutung haben. Das verstärkt dafür den Eindruck einer zunächst fremdartigen Zukunft, und im Laufe des Geschehens erschließen sich dem Leser all diese Begriffe und Dimensionen, ohne dass er dafür an der Hand geführt werden musste.
Müssen wir nach der Lektüre des Romans nun also auch zukünftig mit Zeitsprüngen rechnen? Das wohl kaum, allerdings schafft es Gibson wieder einmal, heute bereits existierende Technologien wie 3-D-Drucker und Datenbrillen um viele Stufen weiterzuentwickeln und ihre Möglichkeiten aufzuzeigen. Und jenseits des Prognose-Potenzials ist auch dieser Roman faszinierende Unterhaltung, von der man sich auch eine Verfilmung wünschen würde – wovor Regisseure bislang allerdings unverständlicherweise meist zurückgeschreckt sind. Aber das kann die Zukunft ja noch bringen. William Gibson: Peripherie. Aus dem Englischen von Cornelia Holfelder-von der Tann. Tropen Verlag. 616 Seiten. 24,95 Euro.