Trossinger Zeitung

Schnoddrig­er Star

Schauspiel­er Michael Gwisdek wird 75 – Ans Aufhören denkt er noch lange nicht

- Von Elke Vogel

BERLIN (dpa) - Er hat die typische Berliner Schnauze: Schnoddrig, frech und dennoch warmherzig. Michael Gwisdek ist fast so etwas wie ein Berufs-Berliner. Mit Filmen wie „Good Bye, Lenin!“, „Boxhagener Platz“, „Nachtgesta­lten“und „Oh Boy“hat er sich in die Herzen des Publikums gespielt. Heute feiert der Schauspiel­er seinen 75. Geburtstag.

Quasi „aus Versehen“ist er nun im Rentenalte­r auf einem weiteren Höhepunkt seines Schaffens. „Ich wollte eigentlich vor zwei Jahren aufhören“, sagt Gwisdek. „Und ausgerechn­et jetzt bekomme ich ständig Angebote, die man schwer ablehnen kann“, so Gwisdek. „Ick komm’ nicht dazu, Rentner zu sein.“

Ab 26. Januar ist er in der Kinokomödi­e „Kundschaft­er des Friedens“von Robert Thalheim zu sehen – an der Seite der ebenfalls aus Ostdeutsch­land stammenden Stars Henry Hübchen, Winfried Glatzeder und Thomas Thieme. Erzählt wird die Geschichte früherer DDR-Spione, die vom ehemaligen Erzfeind, dem Bundesnach­richtendie­nst, noch einmal zu einem großen Auftrag losgeschic­kt werden. Gwisdek spielt Jaecki – den verschrobe­nen, leicht trottelige­n Tüftler der Truppe.

„Komödie ist das Schwerste“, sagt Gwisdek. „Aber ich bin nicht festgelegt. Charakterd­arsteller würde ich gerne genannt werden.“Tatsächlic­h ist die Bandbreite des Schauspiel­ers groß – vom Vater-Tochter-Drama „Das Lied in mir“mit Jessica Schwarz bis zur Tragikomöd­ie „Oh Boy“mit Tom Schilling.

Der 1942 geborene Gastwirtss­ohn aus Berlin-Weißensee kam schon in der DDR groß raus – erst am Theater, dann im Kino. Damit erfüllte sich ein Traum – genährt in den 1950er-Jahren, wie damals bei vielen jungen Ost-Berlinern, durch den kleinen Grenzverke­hr. „In Westberlin ins Kino – das war unser ‚Saturday Night Fever‘“, schwärmte Gwisdek einmal.

Beeindruck­t hat ihn vor allem der rote Teppich der Berlinale, der Internatio­nalen Filmfestsp­iele. In einem Gespräch erinnerte sich Gwisdek: „O. W. Fischer war mein Vorbild. Ich habe mir geschworen, dass ich auch einmal, so wie er, über diesen roten Teppich laufen werde.“ Duckmäuser­tum und Propaganda Gwisdek spielte in den 1960er- und 1970er-Jahren an Theatern in der DDR. Sein komödianti­sches Talent brachte ihm bald Rollen im Kino ein. Entscheide­nd waren zwei Arbeiten: Die Literaturv­erfilmung „Dein unbekannte­r Bruder“(1982) und das Boxer-Drama „Olle Henry“(1983). Beide Filme missfielen den Zensoren, weil sie formal unangepass­t die Verlogenhe­it der ostdeutsch­en Gesellscha­ft zwischen verordnete­m Duckmäuser­tum und sinnfreier Propaganda beleuchtet­en.

Das Publikum, darin geübt, zwischen den Zeilen zu lesen, feierte die Filme und den Hauptdarst­eller. „Für uns war das toll, aufregend, ungewöhnli­ch. Aber es war einfach auch schlimm, nicht sagen zu können, was man dachte“, erinnerte sich Gwisdek einmal.

Diese Situation prägte auch sein Regiedebüt „Treffen in Travers“(1988), mit seiner damaligen Frau Corinna Harfouch und ihm selbst in den Hauptrolle­n. Gwisdek verlegte die Auseinande­rsetzung mit der Ausgrenzun­g Andersdenk­ender ins historisch­e Gewand. Das Publikum verstand den Gegenwarts­bezug des aufmüpfige­n Kostümdram­as aber sehr genau. Damit wurde Gwisdek endgültig zum Idol all jener, die sich nicht mehr widerspruc­hslos anpassen wollten.

Nach dem Fall der Mauer erfüllte sich sein Traum, über den roten Berlinale-Teppich zu gehen. 1999 erhielt Gwisdek einen Silbernen Bären als bester Hauptdarst­eller in Andreas Dresens „Nachtgesta­lten“. Seine Trophäen-Ausbeute ist überhaupt groß und reicht vom Deutschen Filmpreis über den Deutschen Fernsehpre­is bis zum Grimme-Preis.

Privat waren Michael Gwisdek und Corinna Harfouch viele Jahre ein Paar. Ihre Söhne sind ebenfalls als Künstler erfolgreic­h: Robert als Schauspiel­er, Johannes als Komponist. Mittlerwei­le lebt Gwisdek mit seiner Frau, der Drehbuchau­torin und Schriftste­llerin Gabriela Gwisdek, auf dem Land vor den Toren Berlins. Auf seinem Grundstück baut der bekennende Genussrauc­her gerne Wasserfäll­e und Teiche.

„Ich habe Teiche mit 25 großen, 70 Zentimeter langen Kois. Die habe ich selbst aufgezogen“, erzählt Gwisdek. „Einen Teich habe ich ganz ans Haus angebaut, damit ich am Frühstücks­tisch das Fenster aufmachen und eine Hand in den Teich hängen lassen kann – dann kommen die ganzen Kois und ich kann sie streicheln“, sagt er. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich eine Minute in meinem Leben langweile.“

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FOTO: DPA Der Schauspiel­er Michael Gwisdek bei Dreharbeit­en zum Kinofilm „Kundschaft­er des Friedens“, der am 26. Januar anläuft. Heute feiert Gwisdek Geburtstag.

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