Trossinger Zeitung

Verbotene Liebe auf Sansibar

Auf den Spuren der Sultanstoc­hter Salme stößt der Besucher auf Paläste, ehemalige Sklavenmär­kte und Gewürzgärt­en

- Von Stephan Brünjes

Hier muss es gewesen sein – in den Forodhani Gardens, wo heute Grillständ­e und mobile Garküchen würzig duftende Teigtasche­n und Kartoffelb­ällchen anbieten. Dieser kleine Küstenpark in Stone Town, Sansibars Hauptstadt, ist auch am 24. August 1866 voll mit Menschen, die ausgelasse­n feiern, sogar im Wasser. Da fällt es nicht auf, dass eine Frau etwas weiter hinaus watet, schließlic­h ein Boot besteigt. Es bringt sie hinaus zum britischen Kriegsschi­ff „Highflower“, das die Anker lichtet und Kurs nimmt auf die gut 2000 Kilometer entfernte Arabische Halbinsel. Prinzessin Salme, einer 22-jährigen Sultanstoc­hter, gelingt so die Flucht – nötig geworden, weil sie mit dem Hamburger Kaufmann Heinrich Ruete angebändel­t hat und jetzt schwanger ist, von einem Christen. Eine Todsünde auf Sansibar, damals Teil des arabischen Sultanats Oman.

Diese islamische Vergangenh­eit ist bis heute gegenwärti­g auf Sansibar: 95 Prozent der Menschen hier sind Muslime. Zwar tragen nur wenige Frauen schwarze Gewänder mit Sehschlitz­en, aber für Reisende wird’s schwierig, sobald sie ihre Kamera zücken. Viele Sansibaris protestier­en lautstark und oft ist einer auf dem Bild, der aus religiösen Gründen abwehrend die Hand vor das Gesicht hält. Immerhin: In den Schulen der 83 Kilometer langen und bis zu 37 breiten Insel vor der Küste Tansanias lernen Mädchen heute lesen und schreiben. Prinzessin Salme hingegen hat sich heimlich das Schreiben beigebrach­t – „die entscheide­nde Voraussetz­ung, dass sie die weltweit erste Autobiogra­fie einer arabischen Frau verfasst“, sagt Guide Anjam Hassan Abbas. Die „Memoiren einer arabischen Prinzessin“werden 1886 weltweit zum Bestseller. Ein Zeitdokume­nt mit Beschreibu­ngen auch von Stone Town – buchstäbli­ch wegweisend bis heute, etwa für Guides wie Anjam.

„Hier in diesem Haus hinter dem wuchtigen von Omanis erbauten Fort kommen sich Heinrich, der junge Gewürzkauf­mann und Salme näher“, erzählt Anjam. Gleich dahinter beginnt heute ein kariöses Weltkultur­erbe – das Labyrinth der Altstadtga­ssen. Kaum eingetauch­t in die engen, dicht bevölkerte­n Gänge, hat man alle Hände voll damit zu tun, die – nun ja – sehr offensiv Kundenkont­akt suchende Händler abzuwimmel­n. „Genau wie zu Salmes Zeiten“, bestätigt Anjam, nur das Warenangeb­ot hat sich entscheide­nd verändert. Wo heute Taschen, Souvenirs, modisch bestickte Flip-Flops und farbenfroh­e Gewänder für Frauen ausliegen, werden bis zum Ende des 19. Jahrhunder­ts Menschen zum Markt auf den nahen Kelele Square („Lärm-Platz“) gepeitscht. Sansibars unrühmlich­e Vergangenh­eit wird hier, am einst wohl größte Sklavenmar­kt Afrikas, gegenwärti­g. Wer damals seinem grausigen Schicksal entgehen will, nimmt sich wenige Meter vorher das Leben – der Name „Suicide Alley“erinnert daran.

Salmes nächste Spur findet sich im ehemaligen Stadtpalas­t der Sultane, heute ein ihnen gewidmetes Museum, leider ziemlich marode. Ein Zimmer im ersten Stock zeigt Erinnerung­en an die Prinzessin, darunter Portraits einer stolz dreinblick­enden Frau sowie ein Himmelbett. „Wenn es wirklich ihres war, dann hat es nicht hier im Zweit-Palast ihres Sultan-Papas gestanden, sondern in der Nummer eins, außerhalb der Stadt“, erklärt Anjam und fährt uns hin. Auf den Straßen kreuzen unzählige Radund Mofafahrer, Großraumta­xen sowie Eselskarre­n wild durcheinan­der.

Blendet man alles aus, was knattert und nach Benzin stinkt, und biegt von den Hauptstraß­en ab, dann kommt man dem Sansibarbi­ld zu Zeiten Prinzessin Salmes recht nahe: staubige, schroffe Sand- und Geröllpist­en schlängeln sich durch ein Gewirr aus Hütten, manche noch aus Palmwedeln errichtet, die meisten aus Korallenst­einen und seit einiger Zeit auch zunehmend aus Steinquade­rn. So wie damals schon der Mtoni-Palast, in dem Salme 1844 geboren, wird. Anjam führt hier in einen Raum, der Möbel, ein geschnitzt­es Salme-Portrait und die von ihr getragenen hölzernen High-Heel-FlipFlops zeigt. Viel mehr Erinnerung­sstücke gibt es nicht, denn der Palast wird 1964 – nach der Vertreibun­g des letzten Sultans und dem Ende des britischen Protektora­ts – von Revolution­ären als Zementfabr­ik genutzt, dafür total entkernt und geplündert.

Mit 12 Jahren für volljährig erklärt, erbt Prinzessin Salme einen Teil des Familienbe­sitzes, als ihr Vater stirbt. Unter anderem eine Gewürzplan­tage auf dem Masingini, mit 133 Metern höchster Punkt der Insel. Obst- und Gemüseanba­u – wo denn? „Hier“, sagt Anjam und lässt raten. Riecht nach Weihnachte­n – also Zimt. „Richtig“, antwortet Anjam und hält uns die nächste Probe unter die Nase. „Eukalyptus?“„Nein“, antwortet er lachend, „auch Zimt – so riecht die Wurzel.“Daneben Vanille- und Pfeffersch­oten. Schnüffeln, probieren, tasten – Anjam schwärmt von der heilenden Wirkung des Curcuma, zeigt Ingwergräs­er und lässt saure Kakaobohne­n, Jackfruit und Rambutan probieren. Was für ein Paradies, das Salme da vor fast 150 Jahren verlassen hat, für ein Leben, das ihr fast nur Unglück brachte. Wäre sie doch geblieben, wo der Pfeffer wächst …

Informatio­nen über Sansibar gibt es auf der englischsp­rachigen Internetse­ite des Tanzania Tourist Board unter http://zanzibar.net/. Die Recherche wurde unterstütz­t von der Reiseagent­ur MK Salzburg.

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FOTOS: STEPHAN BRUENJES An einem Strand wie diesem hat Salme unbemerkt ein Boot bestiegen, das sie fort von der Heimat und hin zum Geliebten brachte.
 ??  ?? Ein Porträt der Prinzessin Salme.
Ein Porträt der Prinzessin Salme.

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