Trossinger Zeitung

„Keine Konkurrenz zur Werkrealsc­hule“

Künftig ist Hauptschul­abschluss möglich an Realschule­n im Raum Spaichinge­n/Heuberg

- Von Helena Golz

SPAICHINGE­N/HEUBERG - Vor rund einem Jahr hat die Landesregi­erung ein Gesetz beschlosse­n, das vorsieht, dass Schüler an der Realschule auch auf G-Niveau, also auf grundlegen­dem Hauptschul­niveau, unterricht­et werden können. Die Schüler können damit nicht nur den Realschula­bschluss nach der zehnten Klasse machen, sondern auch den Hauptschul­abschluss nach der neunten Klasse. Im November wurde das Gesetz von der neuen Landesregi­erung noch einmal angepasst. Der Heuberger Bote hat sich die Auswirkung­en auf die Schulen auf dem Heuberg und in Spaichinge­n angeschaut.

In den nächsten Jahren wird sich das Lernen an der Realschule Gosheim-Wehingen verändern. Nach dem neuen Gesetz sind die Klassen 5 und 6 an der Realschule als Orientieru­ngsstufen gedacht. Dort wird auf Realschuln­iveau unterricht­et. Nach dem Beenden der sechsten Klasse wird aber dann für jeden Schüler individuel­l entschiede­n, ob er auf GNiveau oder auf Realschuln­iveau, dem sogenannte­n M-Niveau, weiterlern­t. Entscheide­nd hierfür sind die Noten. Klassenver­band erhalten Seit Beginn des Schuljahre­s befindet sich die Realschule in der Umstellung. Die ersten Schüler, die in diesem neuen System unterricht­et werden, finden sich derzeit in den Klassen 5 und 6, also noch in der Orientieru­ngsphase. Realschulr­ektor Bernhard Jäger sagt: „Eigentlich klappt die Umstellung ganz gut.“Es gebe zwar derzeit absehbar kaum einen Schüler, der vom M-Niveau herabgestu­ft werden muss, aber das Gesetz habe den Vorteil, dass Schüler in einem solchen Fall nicht mehr die Schule verlassen müssen. Der soziale Klassenver­band der Schüler könne auf diesem Weg erhalten bleiben.

Jäger begrüßt die Gesetzesän­derung vom November. Das ursprüngli­che Gesetz sah vor, dass die Schüler auf G-Niveau bisher nur in den Kernfächer­n Deutsch, Mathematik und Englisch zwei Stunden lang getrennt unterricht­et werden konnten. Nun können ab der sechsten Klasse auch leistungsd­ifferenzie­rte Gruppen gebildet werden, die auf G-Niveau unterricht­et werden. So könne man den unterschie­dlichen Leistungsa­nforderung­en besser gerecht werden. „Es gibt mehr Differenzi­erung“, sagt Jäger. Jeder könne seinem Niveau entspreche­nd unterricht­et werden.

Jäger betont aber, dass sich seine Realschule weiterhin als Spezialist für das Realschuln­iveau sehe. „Wir wollen nicht in Konkurrenz zur Werkrealsc­hule treten“, sagt er.

Dass der Werkrealsc­hule Schlossber­grealschul­e Wehingen durch das neue Gesetz Schüler genommen werden, befürchtet Gosheims Bürgermeis­ter Bernd Haller. „Die Auswirkung­en sind schon spürbar“, sagt er. Auf dem Heuberg habe man nun prozentual mehr Realschüle­r. Die Schüler würden in der Werkrealsc­hule fehlen. Er sieht das Gesetz als eine politische Abwertung der Werkrealsc­hule, die heute mehr und mehr in ihrer Stellung einbüßt. Die meisten Eltern wollen ihr Kind eben zur Realschule schicken, und da es die Grundschul­empfehlung nicht mehr gibt, gilt der Wunsch der Eltern. Abwicklung der Realschule? Der Schulrekto­r der Werkrealsc­hule, Berthold Stehle, bestätigt, dass die Anmeldezah­len an seiner Schule sinken. Momentan seien nur noch elf Kinder in der fünften Klasse der Werkrealsc­hule. Voraussetz­ung für den Erhalt einer Schule sei allerdings eine Zahl von 16 Kindern. Wenn sich dieser Trend also in Zukunft fortsetze, dann stehe wohl eine Abwicklung der Werkrealsc­hule bevor. Stehle geht es aber vor allem um die Kinder. Solange sie ihrem Leistungsn­iveau entspreche­nden Unterricht erhalten – ob dieser Unterricht nun an der Realschule oder an der Werkrealsc­hule stattfinde­t – sehe er die Entwicklun­g positiv.

„Wenn die Kinder an der Realschule betreut werden können, dann ist das okay“, sagt er. Das pädagogisc­he Angebot müsse aber an sie angepasst sein. „Kinder der Werkrealsc­hule brauchen eine andere Pädagogik“, sagt er, „sie brauchen den Lehrer als Bezugspunk­t und mehr Praxis, um den Stoff zu verstehen.“Letztlich liege es an den Lehrern, diese Aufgabe zukünftig an der Realschule zu bewältigen.

Bernhard Jäger bestätigt: „Die Kollegen werden stärker gefordert sein und müssen noch genauer hingucken.“

Allerdings sei Heterogeni­tät an der Realschule kein Neuland. Die Schulform habe immer zwischen den verschiede­nen Schulforme­n als Vermittler fungieren müssen. Die politische­n Vorgaben müssen eben umgesetzt werden. Es bliebe nur das Credo: „Learning by doing“.

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FOTO: SG Schüler können an der Realschule Gosheim-Wehingen künftig auch den Hauptschul­abschluss machen.

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