„Keine Konkurrenz zur Werkrealschule“
Künftig ist Hauptschulabschluss möglich an Realschulen im Raum Spaichingen/Heuberg
SPAICHINGEN/HEUBERG - Vor rund einem Jahr hat die Landesregierung ein Gesetz beschlossen, das vorsieht, dass Schüler an der Realschule auch auf G-Niveau, also auf grundlegendem Hauptschulniveau, unterrichtet werden können. Die Schüler können damit nicht nur den Realschulabschluss nach der zehnten Klasse machen, sondern auch den Hauptschulabschluss nach der neunten Klasse. Im November wurde das Gesetz von der neuen Landesregierung noch einmal angepasst. Der Heuberger Bote hat sich die Auswirkungen auf die Schulen auf dem Heuberg und in Spaichingen angeschaut.
In den nächsten Jahren wird sich das Lernen an der Realschule Gosheim-Wehingen verändern. Nach dem neuen Gesetz sind die Klassen 5 und 6 an der Realschule als Orientierungsstufen gedacht. Dort wird auf Realschulniveau unterrichtet. Nach dem Beenden der sechsten Klasse wird aber dann für jeden Schüler individuell entschieden, ob er auf GNiveau oder auf Realschulniveau, dem sogenannten M-Niveau, weiterlernt. Entscheidend hierfür sind die Noten. Klassenverband erhalten Seit Beginn des Schuljahres befindet sich die Realschule in der Umstellung. Die ersten Schüler, die in diesem neuen System unterrichtet werden, finden sich derzeit in den Klassen 5 und 6, also noch in der Orientierungsphase. Realschulrektor Bernhard Jäger sagt: „Eigentlich klappt die Umstellung ganz gut.“Es gebe zwar derzeit absehbar kaum einen Schüler, der vom M-Niveau herabgestuft werden muss, aber das Gesetz habe den Vorteil, dass Schüler in einem solchen Fall nicht mehr die Schule verlassen müssen. Der soziale Klassenverband der Schüler könne auf diesem Weg erhalten bleiben.
Jäger begrüßt die Gesetzesänderung vom November. Das ursprüngliche Gesetz sah vor, dass die Schüler auf G-Niveau bisher nur in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch zwei Stunden lang getrennt unterrichtet werden konnten. Nun können ab der sechsten Klasse auch leistungsdifferenzierte Gruppen gebildet werden, die auf G-Niveau unterrichtet werden. So könne man den unterschiedlichen Leistungsanforderungen besser gerecht werden. „Es gibt mehr Differenzierung“, sagt Jäger. Jeder könne seinem Niveau entsprechend unterrichtet werden.
Jäger betont aber, dass sich seine Realschule weiterhin als Spezialist für das Realschulniveau sehe. „Wir wollen nicht in Konkurrenz zur Werkrealschule treten“, sagt er.
Dass der Werkrealschule Schlossbergrealschule Wehingen durch das neue Gesetz Schüler genommen werden, befürchtet Gosheims Bürgermeister Bernd Haller. „Die Auswirkungen sind schon spürbar“, sagt er. Auf dem Heuberg habe man nun prozentual mehr Realschüler. Die Schüler würden in der Werkrealschule fehlen. Er sieht das Gesetz als eine politische Abwertung der Werkrealschule, die heute mehr und mehr in ihrer Stellung einbüßt. Die meisten Eltern wollen ihr Kind eben zur Realschule schicken, und da es die Grundschulempfehlung nicht mehr gibt, gilt der Wunsch der Eltern. Abwicklung der Realschule? Der Schulrektor der Werkrealschule, Berthold Stehle, bestätigt, dass die Anmeldezahlen an seiner Schule sinken. Momentan seien nur noch elf Kinder in der fünften Klasse der Werkrealschule. Voraussetzung für den Erhalt einer Schule sei allerdings eine Zahl von 16 Kindern. Wenn sich dieser Trend also in Zukunft fortsetze, dann stehe wohl eine Abwicklung der Werkrealschule bevor. Stehle geht es aber vor allem um die Kinder. Solange sie ihrem Leistungsniveau entsprechenden Unterricht erhalten – ob dieser Unterricht nun an der Realschule oder an der Werkrealschule stattfindet – sehe er die Entwicklung positiv.
„Wenn die Kinder an der Realschule betreut werden können, dann ist das okay“, sagt er. Das pädagogische Angebot müsse aber an sie angepasst sein. „Kinder der Werkrealschule brauchen eine andere Pädagogik“, sagt er, „sie brauchen den Lehrer als Bezugspunkt und mehr Praxis, um den Stoff zu verstehen.“Letztlich liege es an den Lehrern, diese Aufgabe zukünftig an der Realschule zu bewältigen.
Bernhard Jäger bestätigt: „Die Kollegen werden stärker gefordert sein und müssen noch genauer hingucken.“
Allerdings sei Heterogenität an der Realschule kein Neuland. Die Schulform habe immer zwischen den verschiedenen Schulformen als Vermittler fungieren müssen. Die politischen Vorgaben müssen eben umgesetzt werden. Es bliebe nur das Credo: „Learning by doing“.