Infektionen mit Geschlechtskrankheiten nehmen zu
Zahl der HIV- und Syphilis-Erkrankungen landesweit gestiegen – Tendenz auch im Kreis Tuttlingen erkennbar
TUTTLINGEN - Eine Infektion mit HIV oder Syphilis: Diese Diagnose ist im Land Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren wieder deutlich häufiger gestellt worden. Das belegen Zahlen des RobertKoch-Instituts (RKI) in Berlin. Und auch im Landkreis Tuttlingen stecken sich mehr Menschen mit Geschlechtskrankheiten an. Es gebe seit Jahren einen gewissen Anstieg bei HIV-Infektionen, meint Siegfried Eichin, Leiter des Gesundheitsamtes. Auffällig sei zudem die Zunahme anderer sexuell übertragbarer Krankheiten.
Zahlen liegen für den Landkreis nicht vor. Das liege daran, so Eichin, dass Daten zu den sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV oder Syphilis anonym erhoben werden. Die Ansteckung sei damit nicht kreisbezogen zuzuordnen. Im Jahr 2015 wurden im Land Baden-Württemberg 615 Syphilis- (2001: 191) und 404 HIV-Erkrankungen (2001: 184) erkannt. Geschlechtskrankheiten im ländlichen Raum eher Seltenheit Einen dramatischen Anstieg, „vor dem man Angst haben müsste“, sieht Eichin darin nicht. Und auch Florin Gabor meint, dass Geschlechtskrankheiten „im ländlichen Bereich eher eine Seltenheit sind“. Von einem massiven Anstieg könne sie aus eigener Erfahrung nicht sprechen, sagt die Tuttlinger Ärztin für Hautund Geschlechtskrankheiten. „Aber eine Tendenz ist da.“So hätten sich bei Gabor, die im Tuttlinger Ärztehaus in der Praxis von Ruxandra Boit und Barbara Schuh arbeitet, in letzter Zeit erst zwei Menschen mit Syphilis vorgestellt. Weniger Angst vor HIV – weniger Schutz beim Sex Den Grund für den Anstieg der Geschlechtskrankheiten sehen Gabor und Eichin vor allem darin, dass sich die Menschen bei wechselnden Sexualpartnern nicht ausreichend schützen. Von Sorglosigkeit will der Leiter des Gesundheitsamtes nicht sprechen. „Aber die jungen Menschen sind lax im Umgang mit Kondomen geworden“, meint die Ärztin. Es sei nicht mehr im Bewusstsein, dass Krankheiten wie Gonorrhoe, Syphilis oder HIV beim Geschlechtsverkehr übertragen werden. „Ich denke, dass HIV längst nicht mehr die Ängste wie früher auslöst. Eine Infektion ist heute kein Todesurteil mehr“, sagt Eichin. Die Erkrankten hätten bei einer rechtzeitigen Behandlung mittlerweile eine gute Lebenserwartung. „Wer sich mit 20 oder 30 Jahren ansteckt, kann durchaus auch 70 Jahre alt werden“, meint Gabor. HIV: Medikamente senken Virenzahl und Infektiösität Während laut einer Mitteilung des RKI im Jahr 2001 noch rund 600 Menschen an HIV/Aids starben, wären „dank der guten Behandlungsmöglichkeiten bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung HIV-bedingte Todesfälle heute weitgehend vermeidbar“, sagt das Berliner Institut 14 Jahre später. Deshalb, so Eichin, sei das Wissen um eine HIV-Positivität das Wichtigste. Durch eine Medikamenten-Behandlung könne der Anstieg gebremst werden. „Dann geht die Infektiosität gegen Null.“Und Gabor ergänzt: „Die antiviralen Medikamente drücken die Viruslast im Blut.“Je weniger Viren im Blut sind, desto weniger infektiös ist der Erkrankte. Deshalb sei die Übertragungsrate des Erregers bei einem versehentlichen Stich mit einer kontaminierten Spritzennadel „nicht wahnsinnig hoch.“ „Wer aufpasst, steckt sich nicht ohne weiteres an“Menschen, die befürchten, sich mit HIV infiziert zu haben, sollten sich testen lassen, sagt Eichin. Dies, erklärt die Tuttlinger Ärztin, passiere aber selten. Das könne auch daran liegen, dass die Hemmschwelle, sich bei einem Arzt testen zu lassen, doch größer sei und sich mögliche Betroffene lieber bei anderen Stellen anonym testen lassen. Es könne aber auch sein, dass diejenigen „ihre Ansteckung nicht bemerken oder verdrängen“. Anders als bei der Gonorrhoe – Schmerzen beim Wasserlassen – seien andere Infektionen nicht sofort zu bemerken. Bei HIV können Wochen später grippe-ähnliche Symptome auftreten.
Der beste Schutz vor Geschlechtskrankheiten ist das Benutzen von Kondomen. „Das ist etwas, das jeder für sich selbst tun kann. Und wer aufpasst, steckt sich auch nicht ohne weiteres an“, sagt Gabor. Zu den Geschlechtskrankheiten zählen auch die Feig- oder Genitalwarzen. Die Betroffenen haben zunächst keine Beschwerden, sollten sich nicht nur wegen der Übertragung behandeln lassen, sagt die Tuttlinger Ärztin Florin Gabor. Bei Männern kann bei längerer Wucherung Hautkrebs entstehen. Bei Frauen besteht die Gefahr, dass Genitalwarzen Gebärmutterhalskrebs verursachen.