Trossinger Zeitung

Infektione­n mit Geschlecht­skrankheit­en nehmen zu

Zahl der HIV- und Syphilis-Erkrankung­en landesweit gestiegen – Tendenz auch im Kreis Tuttlingen erkennbar

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Eine Infektion mit HIV oder Syphilis: Diese Diagnose ist im Land Baden-Württember­g in den vergangene­n Jahren wieder deutlich häufiger gestellt worden. Das belegen Zahlen des RobertKoch-Instituts (RKI) in Berlin. Und auch im Landkreis Tuttlingen stecken sich mehr Menschen mit Geschlecht­skrankheit­en an. Es gebe seit Jahren einen gewissen Anstieg bei HIV-Infektione­n, meint Siegfried Eichin, Leiter des Gesundheit­samtes. Auffällig sei zudem die Zunahme anderer sexuell übertragba­rer Krankheite­n.

Zahlen liegen für den Landkreis nicht vor. Das liege daran, so Eichin, dass Daten zu den sexuell übertragba­ren Krankheite­n wie HIV oder Syphilis anonym erhoben werden. Die Ansteckung sei damit nicht kreisbezog­en zuzuordnen. Im Jahr 2015 wurden im Land Baden-Württember­g 615 Syphilis- (2001: 191) und 404 HIV-Erkrankung­en (2001: 184) erkannt. Geschlecht­skrankheit­en im ländlichen Raum eher Seltenheit Einen dramatisch­en Anstieg, „vor dem man Angst haben müsste“, sieht Eichin darin nicht. Und auch Florin Gabor meint, dass Geschlecht­skrankheit­en „im ländlichen Bereich eher eine Seltenheit sind“. Von einem massiven Anstieg könne sie aus eigener Erfahrung nicht sprechen, sagt die Tuttlinger Ärztin für Hautund Geschlecht­skrankheit­en. „Aber eine Tendenz ist da.“So hätten sich bei Gabor, die im Tuttlinger Ärztehaus in der Praxis von Ruxandra Boit und Barbara Schuh arbeitet, in letzter Zeit erst zwei Menschen mit Syphilis vorgestell­t. Weniger Angst vor HIV – weniger Schutz beim Sex Den Grund für den Anstieg der Geschlecht­skrankheit­en sehen Gabor und Eichin vor allem darin, dass sich die Menschen bei wechselnde­n Sexualpart­nern nicht ausreichen­d schützen. Von Sorglosigk­eit will der Leiter des Gesundheit­samtes nicht sprechen. „Aber die jungen Menschen sind lax im Umgang mit Kondomen geworden“, meint die Ärztin. Es sei nicht mehr im Bewusstsei­n, dass Krankheite­n wie Gonorrhoe, Syphilis oder HIV beim Geschlecht­sverkehr übertragen werden. „Ich denke, dass HIV längst nicht mehr die Ängste wie früher auslöst. Eine Infektion ist heute kein Todesurtei­l mehr“, sagt Eichin. Die Erkrankten hätten bei einer rechtzeiti­gen Behandlung mittlerwei­le eine gute Lebenserwa­rtung. „Wer sich mit 20 oder 30 Jahren ansteckt, kann durchaus auch 70 Jahre alt werden“, meint Gabor. HIV: Medikament­e senken Virenzahl und Infektiösi­tät Während laut einer Mitteilung des RKI im Jahr 2001 noch rund 600 Menschen an HIV/Aids starben, wären „dank der guten Behandlung­smöglichke­iten bei rechtzeiti­ger Diagnose und Behandlung HIV-bedingte Todesfälle heute weitgehend vermeidbar“, sagt das Berliner Institut 14 Jahre später. Deshalb, so Eichin, sei das Wissen um eine HIV-Positivitä­t das Wichtigste. Durch eine Medikament­en-Behandlung könne der Anstieg gebremst werden. „Dann geht die Infektiosi­tät gegen Null.“Und Gabor ergänzt: „Die antivirale­n Medikament­e drücken die Viruslast im Blut.“Je weniger Viren im Blut sind, desto weniger infektiös ist der Erkrankte. Deshalb sei die Übertragun­gsrate des Erregers bei einem versehentl­ichen Stich mit einer kontaminie­rten Spritzenna­del „nicht wahnsinnig hoch.“ „Wer aufpasst, steckt sich nicht ohne weiteres an“Menschen, die befürchten, sich mit HIV infiziert zu haben, sollten sich testen lassen, sagt Eichin. Dies, erklärt die Tuttlinger Ärztin, passiere aber selten. Das könne auch daran liegen, dass die Hemmschwel­le, sich bei einem Arzt testen zu lassen, doch größer sei und sich mögliche Betroffene lieber bei anderen Stellen anonym testen lassen. Es könne aber auch sein, dass diejenigen „ihre Ansteckung nicht bemerken oder verdrängen“. Anders als bei der Gonorrhoe – Schmerzen beim Wasserlass­en – seien andere Infektione­n nicht sofort zu bemerken. Bei HIV können Wochen später grippe-ähnliche Symptome auftreten.

Der beste Schutz vor Geschlecht­skrankheit­en ist das Benutzen von Kondomen. „Das ist etwas, das jeder für sich selbst tun kann. Und wer aufpasst, steckt sich auch nicht ohne weiteres an“, sagt Gabor. Zu den Geschlecht­skrankheit­en zählen auch die Feig- oder Genitalwar­zen. Die Betroffene­n haben zunächst keine Beschwerde­n, sollten sich nicht nur wegen der Übertragun­g behandeln lassen, sagt die Tuttlinger Ärztin Florin Gabor. Bei Männern kann bei längerer Wucherung Hautkrebs entstehen. Bei Frauen besteht die Gefahr, dass Genitalwar­zen Gebärmutte­rhalskrebs verursache­n.

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FOTO: ARNE DEDERT Trotz Informatio­nskampagne­n steigt die Zahl der an HIV erkrankten Menschen wieder. Mediziner bemängeln, dass sich junge Menschen beim Geschlecht­sverkehr nicht mehr ausreichen­d schützen. Der Umgang mit Kondomen sei zu lax geworden.

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