Trossinger Zeitung

„Die Realität ist häufig grausamer“

Echte Leichen und ausgefalle­ne Morde – Joe Bausch hat nicht nur im Kölner „Tatort“mit mysteriöse­n Todesfälle­n zu tun

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Seine Auftritte sind meist nur kurz, bleiben aber im Gedächtnis: Seit 20 Jahren verkörpert Joe Bausch den kahlköpfig­en Gerichtsme­diziner Joseph Roth im Kölner „Tatort“. Auch in der nächsten Folge mit Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär) „Wacht am Rhein“(Sonntag, 15.1.) ist er wieder dabei. Cornelia Wystrichow­ski hat mit dem 63-Jährigen über Schmunzelk­rimis und den Unterschie­d zwischen Krimi und Realität gesprochen.

Herr Bausch, seit 20 Jahren spielen Sie im Kölner „Tatort“den Gerichtsme­diziner Joseph Roth. Wie sind Sie als hauptberuf­licher Gefängnisa­rzt zu der Rolle gekommen? Ganz einfach: Der damalige Produzent Jan Hinter war und ist ein guter Freund von mir. Er bat mich im Lauf der Entwicklun­g des Buchs zur Folge „Manila“um meinem fachlichen Rat als Arzt. Und weil es zu den Dreharbeit­en für vier Wochen auf die Philippine­n ging, wollten die mich auch als Arzt dabei haben. Dann wurde ich gefragt, ob ich Bock auf eine kleine Rolle hätte, wenn ich schon da bin. Danach war ich immer wieder dabei, und irgendwann hat die Figur auch einen Namen bekommen – Roth, weil ich ja eigentlich rothaarig bin.

Fallen Ihnen im Drehbuch oder am Set oft fachliche Fehler auf ? In der Regel ist es marginal. Aber es ist schon mein Anspruch, es richtiger zu machen. In einem „Tatort“sollte mal jemand mit einem Pokal erschlagen werden, und die Behauptung des Drehbuchs war, dass man Rückstände von Goldlegier­ung und Marmor in der Wunde findet. Das ist natürlich Unfug. Ich habe das recherchie­rt und gesagt, es können Rückstände eines Schleifmit­tels von dem Marmor sein. Das klingt ja auch viel wissenscha­ftlicher (lacht). Die meisten Zuschauer hätten den Fehler wohl nicht bemerkt … Aber die Sendung wird ja auch vom Fachpublik­um geguckt. Ich kriege dann nach der Sendung Mails von Ärzten, Gerichtsme­dizinern oder Anästhesis­ten, die schreiben: „Sie als Kollege und Facharzt sollten es doch besser wissen!“ Sie haben als Gefängnisa­rzt im wahren Leben schon viele Leichen gesehen. Worin unterschei­den sich Krimi und Realität? Die Realität ist häufig grausamer. Die Bilder sind schlimmer als das, was wir um 20.15 Uhr zeigen können. Das wird dann so inszeniert, dass man die häufig brutalen Verletzung­en nicht sieht, alles spielt sich im Gesicht von Roth oder den Ermittlern ab. Sie werden im deutschen Fernsehen auch niemals sehen, wie wir eine Leiche aufschneid­en und Organe entnehmen oder Serum gewinnen. Die echte Arbeit eines Gerichtsme­diziners kann man im Fernsehen nicht zeigen.

Was halten Sie vor diesem Hintergrun­d von Schmunzelk­rimis, bei denen Bluttaten oft ins Alberne gezogen werden? Ich habe ehrlich gesagt meine Probleme mit dem Genre des Schmunzelk­rimis. Man darf in einem Krimi die Opfer nicht denunziere­n. Aber natürlich darf man zeigen, dass Ermittler sich trotz allem einen gewissen Humor bewahren, das ist im echten Leben auch so. Ich habe von Anfang an Support für den Münster„Tatort“leisten dürfen und hatte bei der Figur Boerne immer meinen früheren Professor in Essen vor Augen, der selber auch Gerichtsme­diziner war. Er hatte einen speziellen Humor, der gefürchtet war – aber wenn Sie jeden Tag Leichen obduzieren und schlimme Sachen sehen, hilft das.

Denken Sie sich für den „Tatort“oder andere Fernsehkri­mis auch besonders ausgefalle­ne Mordmethod­en aus? Na klar, meine Freunde rufen mich oft an und sagen: „Ich brauch’ da irgendwas. Es soll aussehen wie ein Mord, ist dann letztlich aber keiner, sondern ein Selbstmord – was fällt dir dazu ein?“Das macht mir Spaß, das mache ich nicht für Geld, sondern für Autoren, die ich kenne, zum Beispiel für die „Nord Nord Mord“Krimis mit Robert Atzorn.

Welches war Ihr Lieblingsm­ord? Vor einer Weile ging es in Münster um Chimärismu­s, das ist eine ganz seltene genetische Besonderhe­it – solche ausgefalle­nen Sachen sind die seltenen Erden in der Gerichtsme­dizin. Oder wir haben mal einen „Tatort“gemacht, da ging es um Botulinumt­oxin, kurz Botox. In der Vorbereitu­ng habe ich zur Recherche einen Labormediz­iner angerufen, und wir haben uns eine Stunde lang über den perfekten Mord unterhalte­n, wie das nur Ärzte können. Kurz nach dem Auflegen hat er mich besorgt zurückgeru­fen, weil er wissen wollte, ob das auch wirklich der Joe Bausch gewesen war am anderen Ende der Leitung. Er hatte Angst, dass er jemand anderem heikle Berufsgehe­imnisse verraten haben könnte.

Würden Sie eigentlich auch mal eine Leiche spielen? Mich haben schon viele Menschen gefragt, ob ich sie nicht im „Tatort“unterbring­en könnte, zur Not auch als Leiche. Aber das ist nicht schön. Man liegt stundenlan­g rum, es ist kalt, man darf die Augen nicht bewegen, man darf nicht atmen. Ich würde das nur tun, wenn ich vorher etwas zu spielen und viel Text hätte, um erst ganz am Ende als Leiche dazuliegen. Sonst nicht.

Sie haben ja schon in jungen Jahren als Schauspiel­er auf der Bühne gestanden und vor Ihrem Medizinstu­dium sogar Theaterwis­senschaft studiert ... Mal sehen, ich mache meinen Job als Gefängnisa­rzt noch bis ich 65 bin. Vielleicht werde ich danach schauspiel­erisch mehr machen als bisher. Mein Faible fürs Theaterspi­elen ist ungebroche­n. Jedes Mal wenn ich in Bochum ins Theater gehe und meinen Kollegen und Freund Dietmar Bär auf der Bühne sehe, würde ich gerne mitmachen.

Sind Sie und Ihre Schauspiel­erkollegen Bär und Behrendt gut befreundet? Unser erster gemeinsame­r Einsatz in der Folge „Manila“hat uns zusammenge­schweißt. Damals haben wir unseren Verein „Tatort – Straßen der Welt“für benachteil­igte Kinder gegründet. Das gemeinsame Engagement, das gemeinsame Verarbeite­n der Bilder, die wir gesehen haben, verbindet uns drei über das Berufliche hinaus in besonderer Weise.

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FOTO: HKA SAB Ein markanter Typ: Joe Bausch verkörpert im „Tatort“den Gerichtsme­diziner Dr. Joseph Roth.

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