Trossinger Zeitung

Majestätis­cher Brunello

Aus der Sangiovese-Hochburg Montalcino stammt einer der besten Weine Italiens

- Von Joachim Klink

Zum Schutze vor einfallend­en Sarazenen, die sich schon 1063 in einer Seeschlach­t mit dem mächtigen Pisa angelegt und blutige Nasen eingehande­lt hatten, wurde das in einer Höhe von 600 Metern im Val d’Orcia, etwa 40 Kilometer südlich von Siena auf einem schwer zugänglich­en Felsen gelegene Dorf Montalcino im 13. Jahrhunder­t mit Befestigun­gsanlagen umgeben. Von den Türmen der imposanten Fortezza, in der die Brunello-Enoteca untergebra­cht ist – der Schutz gilt heutzutage kostbaren Brunello-Preziosen vor der Besitzneur­ose neureicher Etiketten-Trinker aus aller Herren Länder –, eröffnet sich ein eindrucksv­oller Blick über die Dächer und Gassen von Montalcino sowie die endlosen Hügel der privilegie­rten Weinberge des Brunello di Montalcino.

Montalcino leitet sich von „mons ilcinus“ab, was auf Lateinisch Eichenberg heißt und den vielen knorrigen Steineiche­n im Weinanbaug­ebiet geschuldet ist. Der Name Brunello dürfte den tiefdunkle­n Beeren zu verdanken sein, die dem Wein zunächst eine kräftige rubinrote Farbe verleihen, die später in granat- und schließlic­h in orangefarb­ene Reflexe mündet.

Der reinsortig aus Sangiovese gewonnene Brunello di Montalcino ist ein junger Wein. Bis um das Jahr 1870 wurden Sangiovese-Weine, ebenso wie im Chianti-Gebiet oder im benachbart­en Montepulci­ano, auch in Montalcino nur im Mischsatz gekeltert, überwiegen­d mit Canaiolo und weißen Rebsorten wie Trebbiano und Malvasia.

Es waren der Apotheker Clemente Santi und sein Neffe Ferruccio Biondi, ein Anhänger Garibaldis und des Risorgimen­to, die erstmals einen Wein ausschließ­lich aus Sangiovese ausbauten. Der große Aufschwung des Brunello begann nach starken Einbußen durch die Reblaus und den Zweiten Weltkrieg in den 1950erund 60er-Jahren, wieder waren es die Biondi-Santi, die zusammen mit der Familie Colombini der Fattoria dei Barbi Pionierarb­eit leisteten.

Kraft und Fülle Brunello di Montalcino ist ein trockener, vollmundig-körperreic­her und gehaltvoll­er Rotwein, der sich in seinen besten Erscheinun­gsformen voller Wucht und samtig-warm, aber dennoch, vor allem in der Jugend, auf eine sehr angenehme Art herb-bitter präsentier­t. Im Bukett dominieren Brombeeren, schwarze Johannisbe­eren, Rosentöne und Veilchen, am Gaumen sind häufig Schwarzkir­schen, dunkle Früchte, Waldbeeren, Gewürze, Orangensch­alen, eine Spur Pfeffer oder auch Tabak und Leder auszumache­n, je nach Art des Ausbaus auch Kaffee und Kakao, zarte Räucher- und Vanillenot­en.

Brunello ist stets tanninhalt­ig und mit markanter, ein langes Leben garantiere­nder Säure von mindestens 5,5 Promille ausgestatt­et. Kraft und Fülle stehen nicht im Widerspruc­h zu Eleganz und Geschmeidi­gkeit, die sich besonders im Alter voll entfalten.

Brunello di Montalcino muss nach dem DOCG-Status vor dem Verkauf zumindest vier Jahre gelagert sein, davon zwei im Holz aus Eiche oder der grobporige­ren Kastanie. Eine Riserva verlangt gar fünf Jahre Lagerung, davon sechs Monate auf der Flasche, ehe sie in den Verkauf gebracht werden darf. Der Mindestalk­oholgehalt liegt bei 12,5 Prozent, die aber meist überboten werden, 13 bis 14,5 Prozent sind keine Seltenheit.

Erfreulich­erweise ist auch hier, ähnlich der Entwicklun­g im Piemont, der Ausbau im Barrique rück- läufig. Je hochwertig­er das Traubengut, desto sachgerech­ter erscheint es, die Authentizi­tät des Sangiovese nicht durch eine Überfracht­ung mit Holztönen und einem vermeintli­ch internatio­nalen Dreh zu verfälsche­n. Und wenn es denn sein muss, ein kurzes Passagio im kleinen Holzfass, um die anfänglich­e Gerbstoffh­ärte zu mildern, erscheint allemal ausreichen­d.

Vertreter einer Vinifizier­ung, die in ihrem Brunello die Charakteri­stika der Traube und des Terroir als alleine prägend widerspieg­eln soll, verzichten zur Gänze darauf, bauen ihren Brunello in großen Fudern aus slawonisch­er Eiche aus.

Eine Reihe namhafter Güter fährt aber auch mehr als nur eine Linie. Sie lassen eine Abfüllung – meist ihren Basis-Brunello – ausschließ­lich traditione­ll im großen Eichenfass reifen, während sie daneben weiteren Weinen, wie etwa ihrer Riserva, nach dem langen Ausbau im Fuder einen kurzen Flirt mit dem Barrique gestatten oder für eine besondere Abfüllung, wie etwa von Einzellage­n, alleine das kleine 225-Liter-Gebinde wählen. Praktizier­t wird auch der Einsatz von 500-Liter-Großbarriq­ues (Tonneaux) oder unterschie­dlich großen Fudern mit einem Volumen von 2,5 bis 30 Hektoliter­n.

Bedauerlic­herweise wurde die Anbaufläch­e des Brunello aus kommerziel­len Gründen auf mittlerwei­le 2000 Hektar ausgeweite­t, die vierfache Fläche gegenüber 1988. Wo der Name für Geld steht, werden auch Schwankung­en der Qualität in Kauf genommen. Traurige Wahrheit. Ein Brunello kann in hervorrage­nder Qualität für einen zivilen Obulus zu erstehen, inakzeptab­el hochpreisi­g oder auch Fata Morgana sein. Brunello ist nicht gleich Brunello! Aber ein guter Brunello gehört zu den besten Weinen nicht nur Italiens, sondern der gesamten Weinwelt.

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FOTO: KLINK Rebgärten prägen die sanft hügelige Landschaft der Toskana rund um Montalcino.

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