Der Gesprächspartner der Zukunft
Ein kleiner Roboter wird zum Gesprächspartner – und stößt beim Menschen an die Grenzen der Akzeptanz
Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, gleichzeitig gibt es immer weniger Personal. Moderne Technik könnte dieses Problem lösen. Nicht nur als Haushaltshelfer oder in der Pflege, auch für persönliche Gespräche könnten Roboter die Aufgaben von Menschen übernehmen. Doch die stoßen oft auf Misstrauen – und an ihre Grenzen. SEITE 3
RAVENSBURG - Die Gelenke summen, als Nao seinen Arm hebt. „Hoch auf dem gelben Wagen“, schallt es blechern aus den kleinen Boxen an der Seite seines Kopfes, während der kleine Mann mit seinem weißen Plastikarm etwas ungelenk im Takt dazu winkt. Nao steht auf dem Esstisch von Hansjörg und Hannelore Mälzer in der Ravensburger Weststadt und strengt sich an, die beiden Senioren für sich zu begeistern. „Grüß Gott“, begrüßt er Hansjörg Mälzer, während er ihm den Kopf zuwendet und anscheinend Blickkontakt sucht.
Nao ist ein Roboter, der von Aldebaran entwickelt wurde, einem französischen Technologieunternehmen, das inzwischen zum japanischen Medienkonzern Softbank gehört. Der 58 Zentimeter kleine, sogenannte humanoide, also menschenähnliche Roboter steht im Dienst der Universität Ulm. Sein „Gehirn“hat Ilker Bagci im Rahmen seiner Bachelorarbeit mit einem eigens entwickelten Programm bestückt. Der Roboter soll mit älteren Menschen kommunizieren. Neugier und Skepsis „Grüß Gott. Ich hoffe, Ihnen geht es gut“, tönt die Computerstimme, von der man nicht genau sagen kann, ob sie männlich oder weiblich ist. Einzelne Silben sind unnatürlich betont, wie man es von Automaten-Stimmen kennt. Das Weiße der Augen leuchtet warm um eine schwarze Linse, schnell aufblinkende Schatten von oben und unten erwecken den Eindruck, als würde der Nao blinzeln. Hansjörg Mälzer blickt den Roboter mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis an. Der 74-Jährige und seine Frau dürfen den Roboter als eine der Ersten ausprobieren. „Der Umgang mit einem toten Gegenstand ist befremdlich“, sagt Hannelore Mälzer. „Ein Hund, der reagieren kann, wäre besser.“
Tatsächlich ist der sogenannte Dialog-Roboter, den Bagci innerhalb eines halben Jahres aufwändig entwickelt hat, vergleichsweise rudimentär gehalten und weit von filmischen Vorbildern wie „Sonny“aus dem Science Fiction-Streifen „I, Robot“entfernt. „Wir sind hier im Bereich der schwachen künstlichen Intelligenz“, erklärt Bagci. „Das heißt, ich gebe ihm vor, was er machen darf.“Damit steht der Nao im Gegensatz zur beispielsweise in autonomen Fahrzeugen eingesetzten starken künstlichen Intelligenz, die Roboter dazu befähigt, auf Grundlage ihrer Programmierung eigene Entscheidungen zu treffen. Der in Serie produzierte Roboter habe nur eine begrenzte Software-Plattform, erklärt Juliana Miehle von der Universität Ulm, die Bagci bei seiner Arbeit betreute. Mit der Bachelorarbeit von Bagci habe die Uni die Möglichkeiten und Akzeptanz dieser Technik ausprobieren wollen, um darauf weitere Studienarbeiten aufzubauen. Der Nao sei sehr anschaulich und mache Ergebnisse schnell sichtbar. „Er ist eher ein Spielzeug für unsere Studenten“, sagt sie. Der Roboter kann mittels Spracherkennung an bestimmten Stellen seines Programms einfache, vorgegebene Sprachbefehle „verstehen“und darauf reagieren. Sportnachrichten vom Roboter „Diese Woche ist in Deutschland vieles passiert. Möchten Sie mehr darüber erfahren?“, fragt der kleine Roboter. Hansjörg Mälzer bejaht. „Ja. Das freut mich. Welchen Artikel soll ich Ihnen vorlesen? Über Sport, Politik oder Wirtschaft?“„Sport“, antwortet Hansjörg Mälzer. Der Nao beginnt, aktuelle Nachrichten aus dem Sport vorzutragen. Mälzer zieht irritiert die Stirn kraus, als sich der Roboter in einem umständlich wirkenden Bewegungsablauf vor ihm hinsetzt und die Hände um die Knie legt. Dann fragt er den Rentner nach seiner Lieblingssportart. Mälzer überlegt kurz, dann tippt er dem Roboter auf die Stirn.
Dieses Signal, hat Bagci zuvor erklärt, soll Mälzer dann verwenden, wenn er seinen Redebeitrag beendet hat. Die Sensoren des Roboters sind zu ungenau, um von sich aus zu erkennen, wann der Gesprächspartner sein Thema beendet hat. Doch sich mit dem Roboter über persönliche Dinge zu unterhalten, das geht Mälzer bei aller Technikbegeisterung dann doch zu weit. „Jüngere Menschen sind eher an Maschinen gewöhnt“, erklärt er. Er hoffe, dass es auch in Zukunft, allen Einsparungen und allem Personalmangel zum Trotz, Menschen gebe, die sich mit Älteren und Kranken unterhielten. „Ein Hilfsmittel zu haben, das die Zeitung vorliest, vielleicht sogar verknüpft mit der ,Schwäbischen Zeitung’, wäre gut“, fügt seine Frau hinzu. „Aber da würde ein Kasten reichen, das muss kein humanoider Roboter sein.“
Die Akzeptanz beziehungsweise Skepsis der Nutzer ist nach Meinung von Juliana Miehle der wichtigste Aspekt bei der Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten der Technik. „Technisch ist sicher noch vieles möglich. Aber die Frage ist, was die Menschen überhaupt wollen.“Selbstfahrende Autos und Navigationssysteme mit Sprachsteuerung hält die Doktorandin am Institut für Nachrichtentechnik für sinnvoll und realistisch. Aber beim persönlichen Umgang von Menschen mit Maschinen ist sie nach der Erfahrung von Bagcis Bachelorarbeit skeptisch. Schon sprachgesteuerte Handys würden von Nutzern bisher wenig angenommen.
Die Entwicklung geht schon weiter: Bei der Technikmesse Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas wurde zuletzt der humanoide Haushaltsroboter Pepper von Aldebaran vorgestellt, der per Sprachbefehl Heizung, Kühlschrank oder Kaffeemaschine kontrolliert – oder seinem Besitzer auch einfach mal ein Glas Wasser bringt (die „Schwäbische Zeitung“berichtete). Doch Miehle bremst die Euphorie: „Was bringt es, wenn Techniker tolle Ideen haben, aber niemand sie benutzen will, weil es die Leute gruselt.“Ihr Institut verzichtet deshalb vorerst auf weitere Studienarbeiten im Bereich der Kommunikationsroboter. Ein häufig in Filmen durchgespieltes Horrorszenario, in dem Roboter die Weltherrschaft an sich reißen, hält Miehle für unrealistisch. „Davon sind wir weit entfernt. Selbst starke künstliche Intelligenz ist davon abhängig, was der Programmierer ihr eingibt und kann sich nur in diesen Grenzen bewegen.“ „Nicht das Richtige“Nachdem der Nao angeboten hat, aktuelle Nachrichten aus den anderen Themenbereichen vorzulesen, versucht er erneut, Mälzer dazu zu motivieren, aus seinem Leben zu erzählen: „Okay. Und als was haben Sie früher gearbeitet und hat Ihnen Ihre Arbeit gefallen?“, „Was sind Momente, an die Sie gerne denken, die Sie glücklich machen?“Doch der Rentner bleibt skeptisch und berührt gleich die Stirn des Roboters. „In bestimmten Bereichen, beispielsweise als Serviceroboter im Empfang eines Hotels oder in der Gastronomie, sind Roboter bestimmt eine feine Sache“, sagt er. „Aber für ältere Menschen ist das nicht das Richtige.“
Mit drei Nachrichtengebieten und einigen persönlichen Fragen ist das Repertoire des Roboters bisher überschaubar. Frei zwischen den verschiedenen Angeboten hin und her springen kann er nicht, ebenso wenig wie er auf Einwände, Widerworte oder Vorschläge seiner Gesprächspartner eingehen kann. Abhängig von ihren Antworten haben Benutzer die Bandbreite des Programms nach zwei bis drei Einsätzen komplett ausgeschöpft und müssten sich dann auf Wiederholungen einlassen. Mälzers und auch den meisten anderen Testpersonen, die Nao ausprobieren durften, hat der Versuch am Ende trotzdem Spaß gemacht. „Die Entwicklung geht ja weiter. Wer hätte früher gedacht, dass wir mal drahtlos telefonieren“, sagt Hansjörg Mälzer und seine Frau wirft ein: „Die beste Erfindung ist doch der Mensch. Er ist sensibel genug, um alles zu erfassen.“
„Roboter können helfen“, sagt Jochen Tenter, Chefarzt für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie am Zentrum für Psychiatrie Weißenau. Für ihn liegt die Zukunft der Robotertechnik darin, Menschen untereinander zu vernetzen oder ihnen durch Assistenzsysteme trotz Einschränkungen ein weitgehend selbstständiges Leben zu ermöglichen. Das reicht von einer elektronischen Patientenakte und Terminerinnerungen per Tablet über Sturzerkennungsprogramme und automatische Notrufsysteme bis hin zu komplexen Kommunikationssystemen für Querschnittsgelähmte, wie beispielsweise das von Stephen Hawkings. Jungen Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, könnten technische Systeme ein selbstständigeres Leben ermöglichen. Ein vernichtendes Urteil Doch in den Augen von Tenter gibt es Grenzen: „Für jedes System braucht es einen Wartungstechniker. Man kann sich fragen, ob man die Zeit lieber in die Pflege steckt.“Ältere und demente Menschen seien manchmal kognitiv nicht mehr in der Lage, eine Türklinke zu drücken. Von ihnen könne man nicht erwarten, ein neues technisches Gerät zu bedienen. Auch in der Pflege, bei der es darum gehe, individuelle Bedürfnisse zu erkennen, glaubt er nicht, dass Roboter allzu bald Menschen ersetzen können. Und „Gespräche, die ins Leere gehen, das ist Verarschung“, fällt er ein vernichtendes Urteil über den kleinen Nao.
Zum Abschied tönt es noch einmal aus dem kleinen HightechMann: „Ich danke Ihnen für das Gespräch. Es war sehr interessant und schön für mich, Ihnen zuzuhören. Ich wünsche mir, dass wir uns bald einmal wiedersehen, denn Sie können sicher noch viel aus Ihrem Leben erzählen. Bitte denken Sie an meine Worte und bleiben Sie gesund. Auf Wiedersehen.“