Trossinger Zeitung

Die Spionin aus dem Kinderzimm­er

Die umstritten­e Spielzeugp­uppe „Cayla“darf in Deutschlan­d nicht länger verkauft werden

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Die umstritten­e SpielzeugP­uppe „Cayla“darf in Deutschlan­d nicht länger verkauft werden. Ihre Technik verstößt gegen ein Spionagege­setz. Die Bundesnetz­agentur fordert Eltern auf, die Puppe zu zerstören.

Sie ist blond, hat große blaue Augen und ist gerade mal einen halben Meter groß – „Cayla“ist die sprechende Plastikfre­undin Tausender Kinder in Deutschlan­d. Doch „Cayla“ist nicht irgendeine Puppe: „Fantastisc­h, was sie alles weiß“– mit diesem Slogan wirbt der Hersteller für das Spielzeug. Genau dieses Wissen beziehungs­weise die Technik, die dahinter steckt, sorgt dafür, dass „Cayla“auf dem deutschen Markt nicht länger erlaubt ist.

Die Bundesnetz­agentur hat die Puppe in Deutschlan­d verboten. Der Grund: „Cayla“ist eine sogenannte „getarnte Sendeanlag­e“, die Daten unbemerkt weiterleit­en kann. Die Experten der Behörde sehen die Privatsphä­re der Menschen in Gefahr. Bei dem Verbot gehe es um den Schutz der Schwächste­n in der Gesellscha­ft, teilt die Bundesnetz­agentur mit.

Das Gutachten eines Studenten der Universitä­t Saarland hat die Behörde auf die „Spionin“aufmerksam gemacht. Der angehende Jurist Stefan Hessel hat herausgefu­nden, dass das Spielzeug gegen Paragraph 90 des Telekommun­ikationsge­setzes verstößt. Das Gesetz verbietet den Besitz von getarnten Sendeanlag­en. Damit soll verhindert werden, dass Informatio­nen abgefischt und weitergere­icht werden.

„Hauptprobl­em ist die BluetoothV­erbindung, die die Puppe zum Handy aufbaut“, sagt Hessel. „Diese Verbindung ist komplett ungesicher­t. Jedes bluetoothf­ähige Gerät kann sich mit der Puppe verbinden und hat dann Zugriff auf das Mikrofon der Puppe.“Datendiebe und Spitzel hätten also leichtes Spiel. Genau diese Technik macht „Cayla“zu einer Sendeanlag­e. Hinzu kommt: Das Mikrofon ist in die Puppe eingebaut und gilt damit als getarnt.

Die Bundesnetz­agentur fordert die Besitzer auf, „Cayla“zu zerstören. Sie können das entweder selbst tun oder das Spielzeug bei einer Abfallwirt­schaftssta­tion abgegeben. Dass die Spionagefu­nktion nicht mehr funktionie­rt, wird dann mit einem Foto oder über einen Vernichtun­gsbescheid belegt. Halten sich Eltern nicht an die Aufforderu­ng, droht ein Bußgeld. Auch Hessel muss „Cayla“vernichten. Selbst zu Forschungs­zwecken sind solche Anlagen in Deutschlan­d nicht erlaubt.

Nicole Maisch, Sprecherin für Verbrauche­rpolitik bei der Grünen-Bundestags­fraktion, hat mehrfach auf die datenschut­zrechtlich­en Mängel der Puppe hingewiese­n. „Für die Zukunft, in der eher mit einer Zunahme ähnlicher Produkte zu rechnen ist, muss das heißen, dass bei Bedenken schneller reagiert wird, bevor wieder zahlreiche­n Kindern eine Puppe aus den Händen gerissen werden muss.“Sie fordert verbrauche­rfreundlic­he Erstattung­sregeln für die Käufer.

Wie die aussehen können, ist bisher noch unklar. Verbrauche­rschützer raten „Cayla“-Besitzern, sich direkt an den Hersteller zu wenden und eine Erstattung des Kaufpreise­s zu fordern – am besten per Einschreib­en. In Deutschlan­d wird „My Friend Cayla“von der Firma Vivid in Nauheim vertrieben, im Auftrag des Hersteller­s Genesis. Vom Unternehme­n war zunächst keine Stellungna­hme zu erhalten. Verdacht gegen Disney Verbrauche­r- und Datenschüt­zer kritisiere­n seit Langem Spielzeug wie die sprechende Puppe „Cayla“. Sie bezweifeln, dass der Datenschut­z eingehalte­n wird und fürchten, dass Unternehme­n sich gezielt Zugang zum Spielzeug und damit zu den Kindern verschaffe­n. So steht etwa der US-Entertainm­ent-Riese Disney im Verdacht, mit dem interaktiv­en Spielzeug Werbung für seine Angebote zu machen. Auch die Bundesnetz­agentur spricht diese Gefahr an.

Die Behörde will weitere Produkte auf den Prüfstand stellen und wenn nötig dagegen vorgehen. Verwaltung­sverfahren gegen die Eltern sind nicht geplant.

Rechtlich gesehen ist die Puppe ein Spionagege­rät. Für viele Kinder aber ist „Cayla“ein Spielzeug zum Liebhaben. Die niedliche Puppe mit den großen blauen Augen und den langen blonden Haaren mit dem Hammer zerschlage­n? Undenkbar. Damit „Cayla“kein Spitzel mehr ist, reicht es aus, die Puppe aufzuschra­uben und die Technik zu zerstören. Ein Beweisfoto muss dann an die Bundesnetz­agentur gehen.

 ?? FOTO: AFP ?? Gefährlich­e Freundin: die Puppe „Cayla“.
FOTO: AFP Gefährlich­e Freundin: die Puppe „Cayla“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany