„Das trifft alle Trossinger gleich“
Bürgermeister Clemens Maier über Wohnungsmangel in der Musikstadt
TROSSINGEN - Während in vielen Regionen Deutschlands der demographische Wandel voll zuschlägt und Kommunen deshalb schrumpfen, erlebt Trossingen ein stetiges Bevölkerungswachstum. Innerhalb der vergangenen Jahre sind jährlich rund 220 Menschen neu in die Stadt gezogen. Unsere Redakteurin Sabine Felker hat sich mit Bürgermeister Clemens Maier über die damit verbundenen Chancen und Schwierigkeiten unterhalten. Der Trossinger Wohnungsmarkt ist quasi blockiert. Weil es keine Leerstände gibt, finden Menschen, die innerhalb der Stadt umziehen wollen, keine Wohnung, auch gibt es kaum noch gebrauchte Häuser zum Kauf. Woran liegt das? Wir erleben seit rund zwei Jahren einen enormen Zuzug. Besonders Menschen aus Rumänien kommen zu uns. Das ist eine ungewöhnliche Entwicklung, die uns jetzt zwar vor die Herausforderung stellt, neuen Wohnraum zu schaffen, aber auch die Chance mit sich bringt, dass dadurch die Folgen des demographischen Wandels abgefedert werden können. Ohne die rumänischen Familien, die oft sehr viele Kinder haben, wären wir schon längst an dem Punkt, an dem Kindergartengruppen geschlossen und an den Schulen die Klassenzahlen zurückgefahren werden müssten. Es ist also absolut positiv, dass wir so viele Kinder und Jugendliche in der Stadt haben. Wie kann das Wohnungs-Problem gelöst werden? Wir müssen dringend etwas tun, denn der Mangel an Wohnraum führt auch zu steigenden Mietpreisen, und das trifft alle Trossinger gleich. Mit dem neuen Baugebiet Albblick wollen wir den Druck aus dem Wohnungsmarkt nehmen. Dort werden Wohnungen entstehen, die groß genug für Familien sind. So haben vor allem die alteingesessenen Trossinger die Möglichkeit, eine neue Wohnung zu finden, aber auch die Neubürger. Wenn man an die 90er-Jahre denkt, als die Spätaussiedler in die Stadt kamen, da war das sehr ähnlich. Die Neuankömmlinge kamen erst einmal in kleinen, meist einfachen Wohnungen unter, als sie dann fest im Job waren, bauten viele aus eigener Kraft ein Haus und haben oft dann noch die Großeltern mit in die Einliegerwohnung genommen. Ich vermute, dass es mit unseren rumänischen Mitbürgern ähnlich sein wird. Die Frage ist, wann der Zuzug der Rumänen endet. Sollte trotz des Neubaugebiets der Druck auf den Wohnungsmarkt weiter steigen, haben wir zwei Optionen. Entweder wir entscheiden uns für ein weiteres Baugebiet - wir würden vom Regierungspräsidium sicherlich ausreichend neue Fläche dafür genehmigt bekommen - oder wir entscheiden uns erst einmal gegen ein weiteres Baugebiet, dann wandern die, die hier keine Wohnung finden, in andere Gemeinden ab. Das würde dann aber alle Trossinger gleichermaßen treffen. Es geht nicht nur um Wohnungen, auch die Infrastruktur muss einer wachsenden Bevölkerung angepasst werden. Mit dem Bau des Schulzentrums und der Umnutzung des jetzigen Löhrschulgebäudes sollen die vollen Kindergärten und Schulen entlastet werden. Doch was, wenn der demographische Wandel doch noch zuschlägt? Das müssen wir natürlich im Blick haben. Es wird sich zeigen, wie viele Menschen auch zukünftig nach Trossingen ziehen werden. Unsere Planungen werden maßgeblich dadurch beeinflusst, ob es weiterhin Großfamilien sind oder ob in einem zweiten Schritt die Großeltern nachgeholt werden. Wenn der Zuzug irgendwann vorbei ist - so war es auch bei den Spätaussiedlern - dann werden wir nicht weiter wachsen. Die Spätaussiedler aus Russland hatten damals auch häufig viele Kinder, schon die zweite Generation lebt aber meist in kleineren Familien. Wenn dieser Effekt auch bei den rumänischen Neubürgern greift, dann werden wir in zehn oder 15 Jahren wieder weniger Schul- und Kindergartenplätze brauchen. Doch insgesamt bewegen wir uns durch das gesamte Wachstum der Stadt dauerhaft auf einem höheren Niveau. Trotzdem habe ich keine Sorge, dass wir in 15 Jahren mit Leerständen zu kämpfen haben. Trossingen ist und bleibt ein beliebter Wohnort, was auch an unserer Nähe zur Autobahn liegt. Eine Wohnung allein reicht nicht, um Menschen in der ihnen fremden Gesellschaft erfolgreich aufzunehmen. Hat die Stadt Pläne, wie die Rumänen integriert werden können? Von den Rumänen kommt selbst eine große Portion an Integrationswille. Die Kinder lernen im Kindergarten und in der Schule die deutsche Sprache. Das unterstützt die Stadt flankierend durch viele Maßnahmen zur Deutschförderung. Außerdem wollen wir die Rosenschule 2018 im zweiten Anlauf zur Ganztagsschule machen. Gerade für die rumänischen Kinder ist das eine Chance, den ganzen Tag mit der deutschen Sprache im Kontakt zu sein.