„Charly“Altmann: Bett und Büro im Mannschaftsbus
Für SERC-Oldie war Eishockey ein gutbezahltes Hobby – Altmann spielt trotz Verletzungen, verpasst kaum Partien
VS-SCHWENNINGEN - Höher, schneller, härter, fleißiger: Grenzen hat Karl „Charly“Altmann in seinem Leben kaum gekannt. Die Lust zum Risiko, der Reiz des Nervenkitzels begleite ihn schon lange, sagt der 58Jährige, der zwölf Jahre lang für den Schwenninger ERC Eishockey spielt. Altmann verpasst in zwölf Jahren nur sieben Spiele In 477 Spielen steht er in der ersten Liga für den Verein vom Neckarursprung auf dem Eis. Als Anerkennung für seine Leistungen wird seine Rückennummer 21 nicht mehr vergeben. Die Zahl der Partien, die er verpasste, kann er an den Fingern abzählen. „Es waren genau sieben Spiele, die ich wegen Verletzung und Sperre nicht bestritten habe“, sagt Altmann. In acht Spielzeiten verpasst er gar keine Begegnung. Auch wenn eine Pause notwendig gewesen wäre.
„Ich habe auch mit einer Gipshand gespielt“, erinnert sich Altmann. Bei einer Schulterverletzung lässt er sich den Arm an den Körper kleben. „Das war nicht zur Schonung, sollte nur die Schmerzen lindern“, meint der Verteidiger, der trotzdem keine Rücksicht nimmt. „Du kannst ja nicht nur halb spielen.“Und auch keine Rücksicht erwarten. „Wenn du verletzt bist, darf es nur der Gegner nicht erfahren. Nach einem ärztlichen Verbot durfte ich zum Auswärtsspiel nach Mannheim nicht mit. Ich bin dann mit meinem Auto gefahren und habe mein Spiel gemacht.“Warum er sich in den Jahren aufopfert und seinen Körper nicht schont, beantwortet Altmann knapp. „Mein Ehrgeiz.“
Dabei ist Eishockey für Altmann nicht einmal sein Beruf. „Der Vorstand hat das nicht gerne gehört. Aber Eishockey war mein gutbezahltes Hobby. Beim Training konnte ich den Stress von der Arbeit rauslassen“, sagt der gelernte Bauzeichner, der vom Berliner SC nur unter der Voraussetzung nach Schwenningen wechselt, „wenn ich einen Job erhalte.“Bei Architekt Braun erhält er 1982 seine Anstellung. Allerdings nicht wegen des Star-Status des Schwenninger Spielers. „Mir wurde gesagt, dass ich nicht durchgefüttert werden kann.“Altmann bewährt sich. Als 30-Jähriger übernimmt er als alleiniger Bauleiter ein 43 Millionen-DM-Projekt, den Bärenpark in Schwenningen. Eishockey als Hobby: Bett und Büro im Mannschaftsbus Zwischen acht und zehn Stunden arbeitet Altmann täglich im Beruf. „Ich hatte ein Bett und mein Büro im Mannschaftsbus“, sagt der gebürtige Landshuter, der auch bei Auswärtsfahrten erreichbar ist. Weit vor der Einführung der Handys hat Altmann ein Autotelefon. Früh hat er sich auf den Beruf festgelegt, weil man damals vom Eishockey gut habe leben können. „Aber reich wirst du damit nicht“, sagt Altmann, der sich von vielen Mitspielern unterscheidet. „Wenige haben in dem Umfang gearbeitet, einige nur halbtags. Ich habe nach den Spielen im Bus geschlafen, damit ich morgens fit für die Arbeit war.“
Seit 1991 betreibt Altmann als Selbstständiger ein Planungsbüro. „Das sind klassische Architektenleistungen, ohne dass ich den Titel habe.“Von sechs Mitarbeitern sind nur noch sein Sohn Daniel und er als Geschäftsgründer geblieben. „Es gibt gute, es gibt schlechte Zeiten.“Derzeit würden die Geschäfte aber sehr gut gehen. Ein- und Mehrfamilienhäuser, Studentenwohnheime sowie Industriebauten – all dies wird von Karl Altmann geplant und ausgeführt. Und ans Aufhören denkt er noch lange nicht. „Ich würde es begrüßen, wenn mein Sohn, der die Geschäfte früher oder später übernehmen wird, mich weiter gebrauchen könnte.“ Beim Eishockey ergreift Altmann nun die Flucht Unter das Thema Eishockey hat er – obwohl es eine „traumhafte Zeit war, die ich nicht missen möchte“– längst einen Schlussstrich gezogen. „Das interessiert mich nicht mehr“, sagt Altmann. Sein Trainer Miroslav Berek hatte im Jahr 1994 die Vorstellung, die Spieler müssten schon eine halbe Stunde vor dem Training im Stadion sein. „Ihm hat es nicht gepasst, dass ich neben dem Sport arbeite. Deshalb wollte er mich nicht mehr in der Mannschaft haben“, berichtet Altmann. Danach sei er noch zweimal beim Spiel im Stadion gewesen. „Da hat mein Herz geblutet. Jetzt habe ich aber so viel Abstand und bin durch die Arbeit sehr eingespannt.“
Wenn seine Frau Kornelia, die weiter eishockeybegeistert ist, sich die Spiele im Stadion oder vor dem Fernseher anschaut, ergreift er die Flucht. „Sonntag ist OpaTag“, strahlt der 58Jährige, der sich dann um seine Enkel Charli, Ben und Marti kümmert. Altmann genießt die Zeit mit der Familie. Schließlich weiß er, dass seine Liebsten während seiner Karriere haben „leiden müssen“. Neben der Arbeit und bis zu drei Trainingseinheiten sei nicht viel Zeit geblieben. „Sie haben das hingenommen“, ist er froh, über den weiterhin großen Zusammenhalt.
Seine Frau lernt er in Landshut kennen. „Als 17- oder 18-Jähriger. Dabei haben wir nur 200 Meter voneinander gewohnt“, meint er. Von 1977 bis 1980 spielte er beim EV Landshut. Mit Sohn Daniel zieht das frisch verheiratete Paar 1980 nach Berlin. Zwei Jahre halten es die Altmanns in der damals geteilten Hauptstadt aus. „Uns fehlte das Familiäre. In einer Großstadt wie Berlin bist du immer allein“, sagt Altmann, der seit 1982 in Schwenningen mit Kornelia und den weiteren zwei Söhnen Markus und Maximilian lebt. „Das ist unsere Heimat.“
Sportlich macht er nach seinem Abschied vom SERC nur kurz einen Abstecher nach Stuttgart, spielt in der 2. Bundesliga Süd. Auf Höhenflüge muss er damals aber nicht verzichten. „Ich habe als Spieler meinen Pilotenschein gemacht und bin auch Fallschirm gesprungen“, erklärt er. PS-starke Maschinen haben es ihm ohnehin angetan. In seiner Schrauberwerkstatt in Schwenningen kümmert er sich selbst um die Autos der Familie. Mit seinem Ferrari saust er auch schon einmal mit 280 Stundenkilometer über die Autobahnen und auf der Rennstrecke im italienischen Mugello. „Ich bin früher gerne schnell gefahren. Auch mehr als erlaubt. Ich wollte testen, wo die Grenze ist.“Jetzt hat er etwas heruntergeschaltet. Neben seinem Job, dem Reparieren und Tunen der Autos sind die Enkel sein größtes Hobby.