Mein Tag mit dem Energie-Agenten der ENRW…
| Diplom-Ingenieur Markus Bur am Orde fahndet nach Schwachstellen in und an Gebäuden
Spaichingen. „Begleite doch heute mal einen von den Energie-Agenten der ENRW“hatte mein Chef in seinem gewohnt schnoddrigen Tonfall vorgeschlagen. Beim Stichwort „Agent“schlug mein Puls schneller.
James Bond in der Region? Ich sah mich schon in einem Aston Martin DB5 sitzen, neben mir ein Modellathlet im Maßanzug, eine Dienstwaffe in der Brusttasche. Na ja, eine halbe Stunde später entpuppen sich meine Vorstellungen als reine Hirngespinste: „Ich habe die Lizenz zum Einsparen“, lacht Markus Bur am Orde, während er sich die gelb-blaue Wollmütze mit Bommel aus der Stirn schiebt und das umweltfreundliche Elektroauto startet. Der Diplom-Ingenieur arbeitet als Energieberater bei der Energieversorgung Rottweil (ENRW), und wir kutschieren nicht durch die hektische Metropole London – ein letztes Täuschungsmanöver meiner Hirngespinste – sondern in den beschaulichen Rottweiler Ortsteil Neufra. Unser Ziel befindet sich in einem ruhigen Wohngebiet. Einfamilienhäuser mit großen Gärten, Tauwetter, Nieselregen und eine Amsel, die durch die noch schneebedeckten Vorgärten hüpft, bieten eine Kulisse, in der sich James Bond mit Sicherheit langweilen würde, nicht jedoch der Energie-Agent: „Für mich ist jedes Gebäude eine spannende Herausforderung, die mich reizt!“Seltsam – kaum hat der Hausbesitzer, ein älterer Herr, der das Haus vermieten will und deshalb einen Energieausweis benötigt, uns eingelassen, packt auch mich das Jagdfieber. Suchend blicke ich auf Wände, Fenster, Decken und Heizkörper, als würden die Dinge selbst Auskunft über ihre Leistungsfähigkeit geben. Markus Bur am Orde jedoch ist Profi. Mit wenigen gezielten Fragen hat er sich ein erstes Bild des Objekts gemacht: Baujahr 1968, Fertighaus eines bekannten Herstellers, Holzständer-Bauweise und ganz wichtig: jüngst komplett energetisch saniert. „Vor der Sanierung hatte das Haus komischerweise einen äußerst penetranten Eigengeruch“, erzählt der Hausbesitzer, „einmal hat eine frühere Bewohnerin selbstgebackene Weihnachtsplätzchen an ihre Enkel verschickt. Das Gebäck hat aber so stark nach dem Haus gerochen, dass die Enkel sie nicht essen wollten.“Geschichten eines Hauses eben. Markus Bur am Orde kennt viele solcher Geschichten, da er täglich mit Gebäuden zu tun hat, in denen Menschen wohnen oder arbeiten. Heute stellt er zufrieden fest, dass die Unterlagen zum Haus – Pläne, Rechnungen und anderes – so aussagekräftig sind, dass nicht mehr viele Details fehlen. Er prüft noch Beschaffenheit und Stärke der Wände sowie den energetischen Zustand der Fenster. Durch die energetische Sanierung finden sich kaum Schwachstellen. Auch der Erdgas-Brennwertkessel im Keller ist in hervorragendem Zustand. Mich interessiert, woher der Hausbesitzer weiß, dass die ENRW als regionaler Energieversorger auch Energieausweise ausstellt. „Das habe ich irgendwo gelesen“, antwortet der ältere Herr auf dem Weg vom Keller ins Dachgeschoss, „und Kunde der ENRW bin ich schon seit Ewigkeiten.“Nebenbei erzählt er, dass sein Nachbar bis vor kurzem noch auf Vergleichsportalen im Netz immer die billigsten Stromanbieter ausgewählt hätte, bis er schließlich entnervt zur ENRW zurückkehrte: „Immer gab es Ärger mit den Billiganbietern, plötzliche Preiserhöhungen, Nachzahlungen und so weiter, unseriöse Machenschaften eben…“Im Dachgeschoss schlüpft Markus Bur am Orde mit einem Leuchtstab bewaffnet durch einen kleinen Zugang und untersucht noch die Dachhaut. Im Zuge der Sanierung ist eine sogenannte „Aufdachdämmung“auf das Dach gekommen. „Die neue Dämmung macht unglaublich viel aus“, berichtet der Hausbesitzer, „kein Vergleich zu früher!“Der Energieberater nickt wissend. Noch ein paar Fotos von außen und schon ist der Vor-Ort-Termin beendet. In seinem Büro bei der ENRW sichtet Markus Bur am Orde die Hauspläne und füttert seinen PC mit zahlreichen Fakten: Zahl der Geschosse, Baujahr, Maße, Raumhöhen und so weiter. Anschließend interessiert die Konstruktion und die alles entscheidende Frage, wie viel Wärme das Gebäude nach außen verliert. Feststellen lässt sich dies durch die Berechnung der Wärmeleitfähigkeit jedes Bauteils. Hierzu muss der Energieberater jeweils Material und die Maße von Kellerdecke, Dach, Wänden und Fenstern eingeben. Anschließend fehlen noch Heizform, Warmwasserbereich und die Ausrichtung der Außenflächen. „Es gibt viel Volumen und wenig Wärmeverluste, die großen Fenster sorgen für solare Einträge“, stellt Bur am Orde fest, „aber die Kellerdecke mindert die Bilanz etwas.“Der bedarfsorientierte Energieausweis weist Klassen von A bis H aus, wobei H die schwächste Bilanz abbildet. Das Haus in Neufra wird in der Klasse D eingestuft: „Für ein Gebäude diesen Alters ist das ziemlich gut. Normalerweise haben solche Häuser fast alle die Klasse H, also eine mangelhafte energetische Qualität.“Für den Energieberater ist die Arbeit nun fast getan, der Energieausweis muss nun nur noch gedruckt und an den Kunden geschickt werden. Damit endet mein Tag mit dem Energie-Agenten der ENRW, und ich muss sagen, es war auch ohne Aston Martin DB5, Maßanzug und Dienstwaffe eine spannende Sache. Für Markus Bur am Orde steht morgen schon der nächste Energieausweis auf dem Programm, denn fast jeden zweiten Arbeitstag stellen die Energieberater der ENRW einen solchen aus. Wie war das noch? Jedes Gebäude ist eine spannende Herausforderung…