Grandiose Inszenierung reißt alle mit
Wiederaufführung des Rusticals „Der Watzmann ruft!“ist erneut ein großartiger Erfolg
GOSHEIM - Von der Lemberghütte bis zur Watzmann-Ostwand sind es nur ein paar Meter. Aber dort spielt sich ein Drama archaischen Ausmaßes ab. Die Geschichte um den etwas beschränkten „Bua“(Dieter Mayer), der der Verführung des Berges und des Weibes (der Gailtalerin, grandios intensiv gespielt von Jürgen Weber) nicht standhalten kann und in seinem Begehren umkommt, hat die Jurahalle wieder zum Bersten gefüllt. Das Rustical – also ein rustikales Musical – von Wolfgang Ambros, aufgeführt im vergangenen Jahr von einer Gruppe Gosheimern aus verschiedenen Vereinen, wird wegen des überwältigenden Erfolges in diesem Jahr, erweitert um ein paar Lieder, erneut aufgeführt. Diesmal dreimal. Heute, Samstag, ist die letzte Aufführung.
Alle drei waren sofort ausverkauft. Zurecht, und man kann nur hoffen, dass die inzwischen zum Verein gewordene Unternehmung noch weitere Aufführungen folgen lässt oder auch weitere Projekte.
Denn es ist kaum zu glauben, wie viel Talent da in einem einzigen Dorf gewachsen ist. Alles, aber auch wirklich alles war perfekt an dieser Aufführung: Niemals ist einem der grandiosen Schauspieler die Mimik verrutscht, niemals die tolle Stimme des Hauptsängers Michael Marquart um einen Viertelton abgeglitten, nie die grotesk-komisch-deftigen Szenen in puren Klamauk abgerutscht, nie, bis der Vorhang nach perfekt inszenierten Zugaben fällt, verliert die Truppe den Kontakt zum Publikum.
Dazu eine astreine Rockband, zu deren Konzert zu gehen sich alleine schon lohnen würde. Alles abgerundet durch eine perfekt ausgesteuerte Ton- und Lichttechnik, einer wie mehrere Bühnen wirkenden Kulisse, bis aufs I-Tüpfelchen geplanten Requisite und einer aufwändigen Saaldeko und Bewirtung an gleich mehreren Ständen, die alle Besucher sofort in die düster-heimelige Welt der Alpen zieht.
Auch wenn man sich immer vor Superlativen hüten sollte: aber eine solche Aufführung dürfte die Region noch nie gesehen haben.
Wolfgang Ambros', Manfred Tauchens und Joesi Prokopetz' „Rustical“ist seit den 70er- und 80er-Jahren Kult. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der „verfluchte Watzmann“ holt sich einen jeden, den er mit dumpfem Donnergrollen ruft. Eine unheimliche Kraft geht von dem Bergmassiv aus – im Hintergrund mit Nebelschwaden umwölkt zu sehen. Jetzt ruft er den Bua des Bergbauern, dem es nicht gelingt, seinen Sohn abzuhalten.
Zusätzlich wird dieser angetrieben durch die Verführungskünste der Gailtalerin, die ihm die Erfüllung verspricht, wenn er den Berg bezwingt. Es kommt, wie es kommen muss, der Bua klettert – und fällt. Doch „das Maß ist noch nicht voll“: Der verzweifelte Vater (Mathias Hermle) hört den unheimlichen Ruf seines Kindes vom „verfluachten Watzmann“...
Eine große Rolle spielen der unaufdringlich die Szenen verbindende Sprecher (Christian Schäffler) und die weiteren Figuren: die schnatternd lamentierenden Mägde (Regina Hermle, Regina Landold und Anita Weber), das kongeniale Knechteduo – der eine so beschränkt, dass ihm der Berg und die Frauen Wurscht sind (Johannes Landold), der andere bucklig, alt (was für eine tolle Maske!), aber mit der bodenständigen Schlagfertigkeit der Alpenbewohner ausgestattet (Franz Peyerl) und die Tanzpaare.
„Ja wisst Ihr denn nicht, was heute Nacht für eine Nacht ist?“, fragt die Gailtalerin die immer noch etwas begriffsstutzigen Männer. Das sind sie nicht lange: Höhepunkt ist buchstäblich, als sich die archaische Kraft des Berges mit den Urkräften des Weibes mischen in einem intensiven, aber nie obszönen Paarungstanz, der in einem furiosen Finale endet, und die leicht bekleideten Damen samt Herren im Vordergrund und die laszive Gailtalerin im Hintergrund ermattet zurück lässt.
Sehr zur Gaudi des Publikums, das von geschätzt fünf bis achtzig Jahren reicht, gibt es zwischendrin ein bisschen Klamauk wie etwa die Melodie des rosaroten Panters als Begleitmusik zur Pirsch auf die Gams oder die überklaren Andeutungen mittels einer großen Wurst.
Das Schöne an dieser Aufführung ist, dass sie das Publikum zwischen Ironie und Gänsehaut, zwischen Schwelgen im Heimeligen eines Volksmusikkonzertes und der Irritation eines lustigen Ländlers als Todeslied des Buabn, dem Mitschunkeln und Mitrocken, auch wenn man weit über 70 ist – hin und herschiebt. Die Zuschauer dürfen Echo und Laola spielen und sind aus dem Häuschen.
Zum Schluss hält es alle mindestens eine Viertelstunde lang nicht mehr auf den Stühlen.
Weitere Fotos finden Sie online unter www.schwaebische.de/ watzmann-gosheim. Außerdem finden Sie in Kürze unter www.schwaebische.de/ spaichingen unter der Rubrik „Video“einen Film über das Ereignis.