Trossinger Zeitung

Keine Kompromiss­e, kein Kuschelkur­s

Linke baut hohe Hürden für Rot-Rot-Grün auf – Hickhack über Staatsvert­räge mit Kirchen

- Von Tobias Schmidt

HANNOVER - „Politikwec­hsel heißt doch nicht Raute oder Zottelbart im Kanzleramt“, ruft Sahra Wagenknech­t am Sonntag zum Abschluss des Linken-Programmpa­rteitages in Hannover. „Politikwec­hsel heißt Wiederhers­tellung des Sozialstaa­tes, Abrüstung und keine neuen Kriegsaben­teuer. Dafür streiten wir.“Kampfansag­e der Linken-Spitzenkan­didatin an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz, großer Jubel im Congress Centrum, stehende Ovationen für die Frontfrau des linken Flügels. Wagenknech­t stellt den Kompass für den Bundestags­wahlkampf, reißt die rund 500 Delegierte­n mit sich, ihre Rede ist Höhepunkt und Abschluss der dreitägige­n Programmbe­ratungen. „Für eine Koalition, die sich RotRot-Grün nennt, aber im Kern das gleiche macht wie alle vorher, dafür stehen wir nicht zur Verfügung“, stellt Wagenknech­t klar. „Dann ist gute Opposition immer noch besser als schlechte Regierungs­politik.“

Keine Kompromiss­e, so lautet die Wagenknech­t-Linie. Scharfes Profil statt Kuschelkur­s mit SPD und Grünen. „Kein normaler Mensch“nehme Schulz mehr ab, „dass er für einen politische­n Wechsel steht“, attackiert­e Wagenknech­t den SPDKanzler­kandidaten. Die Rückendeck­ung an der Basis ist breit, doch in der Parteispit­ze ist man nicht glücklich über die harte Position: „Wir dürfen SPD und Grünen die Absage an eine Koalition nicht durchgehen lassen!“, dreht Linksparte­i-Chef Bernd Riexinger am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“den Spieß um, fordert Bewegung von den potenziell­en Partnern. „Wenn wir stark werden, und es gibt dadurch eine Mehrheit mit Grünen und SPD, dann stehen wir bereit für einen Politikwec­hsel.“

Die Sozialdemo­kraten reagieren mit einem Achselzuck­en auf den Schlingerk­urs: „Bei der Linksparte­i bleibt nach diesem Parteitag weiterhin unklar, ob sie Anti-SPD-Opposition bleiben oder mitregiere­n will“, so SPD-Vize Ralf Stegner gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“. Zugleich zieht er rote Linien für ein Linksbündn­is ein: „In Zeiten von Trump und wachsendem Nationalis­mus stehen wir auch zum gemeinsame­n Europa und unseren Bündnisver­pflichtung­en bei EU, Nato und UN“, erklärt Stegner. Knackpunkt Außenpolit­ik Das ist einer der Knackpunkt­e. Zu Kampfeinsä­tzen der Bundeswehr hat die Linksparte­i laut „Nein“gesagt. Allerdings scheiterte ein Antrag des linken Flügels, wonach alle Auslandsei­nsätze sofort beendet werden sollen. Grünen-Chef Cem Özdemir sieht die Chancen für Rot-Rot-Grün daher dahinschme­lzen: „Außenpolit­isch bleibt die Linke unzuverläs­sig. Das ist sehr bedauerlic­h, weil die Linksparte­i so die Chance auf RotRot-Grün mutwillig erschwert.“

Auch in der Steuer- und Sozialpoli­tik hat die Linksparte­i hohe Hürden für ein rot-rot-grünes Bündnis aufgetürmt, unter anderem ein Mindestloh­n von zwölf Euro und eine Vermögenss­teuer (siehe Kasten). Die SPD aber plant keine Vermögenss­teuer. Die Grünen sind zwar dafür, aber nur in einer Lightversi­on.

Zum Eklat kam es am späten Samstagabe­nd: Nach erbitterte­r Debatte samt Brüll-Beiträgen wurde ein Antrag beschlosse­n, wonach die Staatsvert­räge mit den Kirchen aufgekündi­gt werden sollen. Damit würde auch die staatliche Finanzieru­ng von Seelsorge in Bundeswehr, Krankenhäu­sern und Gefängniss­en gestoppt. Mit massivem Druck erreichte die Parteiführ­ung, dass am Sonntag nochmal abgestimmt wurde, und der Antrag dabei scheiterte.

In Umfragen liegt die Partei bei knapp neun Prozent und will sich als drittstärk­ste Kraft behaupten. Es gibt derzeit aber keine Aussicht, dass es bei der Bundestags­wahl am 24. September für Rot-RotGrün reichen könnte. Der Emnid-Sonntagstr­end sieht SPD, Grüne und Linke bei 42 Prozent.

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FOTO: DPA Linken-Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t hat die SPD scharf attackiert und klar gemacht, dass ihre Partei nur bei einem radikalen Politikwec­hsel für eine rot-rot-grüne Koalition zur Verfügung steht.

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