Keine Kompromisse, kein Kuschelkurs
Linke baut hohe Hürden für Rot-Rot-Grün auf – Hickhack über Staatsverträge mit Kirchen
HANNOVER - „Politikwechsel heißt doch nicht Raute oder Zottelbart im Kanzleramt“, ruft Sahra Wagenknecht am Sonntag zum Abschluss des Linken-Programmparteitages in Hannover. „Politikwechsel heißt Wiederherstellung des Sozialstaates, Abrüstung und keine neuen Kriegsabenteuer. Dafür streiten wir.“Kampfansage der Linken-Spitzenkandidatin an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz, großer Jubel im Congress Centrum, stehende Ovationen für die Frontfrau des linken Flügels. Wagenknecht stellt den Kompass für den Bundestagswahlkampf, reißt die rund 500 Delegierten mit sich, ihre Rede ist Höhepunkt und Abschluss der dreitägigen Programmberatungen. „Für eine Koalition, die sich RotRot-Grün nennt, aber im Kern das gleiche macht wie alle vorher, dafür stehen wir nicht zur Verfügung“, stellt Wagenknecht klar. „Dann ist gute Opposition immer noch besser als schlechte Regierungspolitik.“
Keine Kompromisse, so lautet die Wagenknecht-Linie. Scharfes Profil statt Kuschelkurs mit SPD und Grünen. „Kein normaler Mensch“nehme Schulz mehr ab, „dass er für einen politischen Wechsel steht“, attackierte Wagenknecht den SPDKanzlerkandidaten. Die Rückendeckung an der Basis ist breit, doch in der Parteispitze ist man nicht glücklich über die harte Position: „Wir dürfen SPD und Grünen die Absage an eine Koalition nicht durchgehen lassen!“, dreht Linkspartei-Chef Bernd Riexinger am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“den Spieß um, fordert Bewegung von den potenziellen Partnern. „Wenn wir stark werden, und es gibt dadurch eine Mehrheit mit Grünen und SPD, dann stehen wir bereit für einen Politikwechsel.“
Die Sozialdemokraten reagieren mit einem Achselzucken auf den Schlingerkurs: „Bei der Linkspartei bleibt nach diesem Parteitag weiterhin unklar, ob sie Anti-SPD-Opposition bleiben oder mitregieren will“, so SPD-Vize Ralf Stegner gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. Zugleich zieht er rote Linien für ein Linksbündnis ein: „In Zeiten von Trump und wachsendem Nationalismus stehen wir auch zum gemeinsamen Europa und unseren Bündnisverpflichtungen bei EU, Nato und UN“, erklärt Stegner. Knackpunkt Außenpolitik Das ist einer der Knackpunkte. Zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr hat die Linkspartei laut „Nein“gesagt. Allerdings scheiterte ein Antrag des linken Flügels, wonach alle Auslandseinsätze sofort beendet werden sollen. Grünen-Chef Cem Özdemir sieht die Chancen für Rot-Rot-Grün daher dahinschmelzen: „Außenpolitisch bleibt die Linke unzuverlässig. Das ist sehr bedauerlich, weil die Linkspartei so die Chance auf RotRot-Grün mutwillig erschwert.“
Auch in der Steuer- und Sozialpolitik hat die Linkspartei hohe Hürden für ein rot-rot-grünes Bündnis aufgetürmt, unter anderem ein Mindestlohn von zwölf Euro und eine Vermögenssteuer (siehe Kasten). Die SPD aber plant keine Vermögenssteuer. Die Grünen sind zwar dafür, aber nur in einer Lightversion.
Zum Eklat kam es am späten Samstagabend: Nach erbitterter Debatte samt Brüll-Beiträgen wurde ein Antrag beschlossen, wonach die Staatsverträge mit den Kirchen aufgekündigt werden sollen. Damit würde auch die staatliche Finanzierung von Seelsorge in Bundeswehr, Krankenhäusern und Gefängnissen gestoppt. Mit massivem Druck erreichte die Parteiführung, dass am Sonntag nochmal abgestimmt wurde, und der Antrag dabei scheiterte.
In Umfragen liegt die Partei bei knapp neun Prozent und will sich als drittstärkste Kraft behaupten. Es gibt derzeit aber keine Aussicht, dass es bei der Bundestagswahl am 24. September für Rot-RotGrün reichen könnte. Der Emnid-Sonntagstrend sieht SPD, Grüne und Linke bei 42 Prozent.