Hilfe für vermüllte Meere
UN-Konferenz ruft zur Reduzierung von Plastikabfall auf – Deutsche Unternehmen planen Systemlösungen
KIEL (dpa) - Mit dem ersten UN-Gipfel zum Schutz der Ozeane hat die Staatengemeinschaft auch den Plastikmüll stärker ins Blickfeld genommen. In deutschen Küstenregionen sucht man bereits nach Lösungen, von denen nicht nur die Natur profitieren könnte.
Rund 322 Millionen Tonnen Plastik wurden nach Angaben des Weltwirtschaftsforums 2015 produziert, Tendenz steigend. Allein von den Plastikverpackungen gelangen nach WWF-Angaben weltweit 32 Prozent in die Umwelt – ein Teil davon ins Meer. Umweltschützer finden Mikroplastik, Reste von Fischernetzen, Handyteile und anderen Müll in den Bäuchen von Möwen, Kormoranen und Albatrossen. Nach jüngsten Daten des deutschen Umweltbundesamts finden sich in den Küstenregionen hierzulande auf 100 Metern Strand durchschnittlich 389 Müllteile – eine Zahl, die ohne die funktionierende Abfallwirtschaft in Deutschland nach Ansicht von Experten weit höher wäre.
Die UN hatte vergangene Woche zur ersten Konferenz zum Schutz der Meere eingeladen. Schon 2050 könnte das Gewicht des in den Ozeanen treibenden Plastiks größer sein als das Gesamtgewicht der dort lebenden Fische, wenn nicht mehr gegen den Müll getan werde, warnte UNGeneralsekretär António Guterres. 193 UN-Mitgliedstaaten unterzeichneten am Freitag das Abschlussdokument, das unter anderem dazu aufruft, den Plastikmüll zu reduzieren und Maßnahmen gegen die Übersäuerung der Meere zu ergreifen. Selbst die USA waren dabei, distanzierten sich aber von einer Passage, in der auf die Auswirkungen des Klimawandels und die „besondere Bedeutung“des Pariser Klimaabkommens hingewiesen wird.
Auch Unternehmer planen Systemlösungen, was nicht einfach ist. Ein im vergangenen Jahr in Kiel gestartetes Netzwerk aus zehn Unternehmen, das im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wurde, scheiterte noch im Entstehungsprozess. Projektkoordinator Dirk Lindenau erklärt: „Es gab unterschiedliche Lösungsansätze und Philosophien.“ Wissenstransfer zugunsten der Natur Nun will der Kieler Schiffsbauer und Unternehmer ein neues Netzwerk aufbauen. „Ein Netzwerk aus Industrie und Wissenschaft in ganz Deutschland – das ist unser Ziel.“Interesse haben unter anderem ein Hersteller von Schiffsbedarf signalisiert, ein Institut für Meeresfischerei und eine Reederei. Bei erfolgreichem Antrag winken Fördermittel. Und die Unternehmer dürfen auf Aufträge und neue Geschäftsfelder hoffen.
Wer wolle, dass sich auch Schwellenländer für den Schutz der Meere einsetzten, müsse sie beim Aufbau funktionierender Abfallsysteme unterstützen und Anreize schaffen, sagt Lindenau. „Wenn sie keinen Zugang zu Trinkwasser und Nahrung haben und möglicherweise in einem Krisengebiet leben, sind ihnen andere Themen wichtiger. Diese Spannbreite dürfen wir bei unseren Lösungen nicht außer acht lassen.“Beim Ringen um globale Lösungen könne die norddeutsche Küstenregion als maritimer Wissensstandort eine Vorreiterrolle einnehmen. Und die deutsche Abfallwirtschaft könnte Pate stehen für Länder ohne funktionierendes Entsorgungssystem, glaubt Lindenau.
Wie der Wissenstransfer vom Recyclingweltmeister Deutschland zu Ländern ohne moderne Abfallwirtschaft gelingen könnte, zeigt ein System, das der Unternehmer für die Kapverdischen Inseln entwickelt hat: Ein Schiff soll zwischen den Inseln pendeln und den Müll einsammeln, ein anderes dient als Recyclinganlage, auf dem der Müll verdichtet und aufbereitet wird. Auf einem weiteren Schiff wird aus dem Abfall Energie gewonnen. Die Erträge sollen das Abfallsystem mitfinanzieren.