Trossinger Zeitung

94 SMS an drei Tagen

Mutmaßlich­e Stalkerin aus Wellending­en steht in Rottweil vor Gericht

-

ROTTWEIL (sbo) - „Sie hat ihn kaputt gemacht.“Die Zeugin findet vor dem Rottweiler Amtsgerich­t deutliche Worte. Im Hintergrun­d schluchzt die Angeklagte, dann verbirgt sie den Kopf hinter ihren Händen. Die 52Jährige weint wegen dem, was die Zeugin – die Mutter des Nebenkläge­rs und vermeintli­chen Opfers – zuvor berichtet hat: Dass ihr Sohn vor einer Woche versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Ihr Sohn sei sehr krank. Sie selbst habe ebenfalls schlimme Schlafstör­ungen. „Sie hat uns krank gemacht“, sagt sie.

Dieser Vorwurf empört die Angeklagte. „Wenn er sich umgebracht hat, dann wegen euch. Schämen Sie sich“, ruft sie. Sie denkt, dem Nebenkläge­r sei der Suizidvers­uch gelungen. Dem Mann, dem die 52-Jährige laut Anklage seit 2014 nachstellt. Den sie mit Nachrichte­n und Anrufen regelrecht bombardier­en, aber auch verfolgen und bedrohen soll. Er soll deswegen bereits zwei Mal umgezogen sein, habe mehrmals die Telefonnum­mern gewechselt. Die Angeklagte habe die Nummer und seine Adresse aber immer wieder durch Lügen und Tricks rausbekomm­en.

„Ich habe ihn nie bedroht, ich liebe ihn.“Die angeklagte Wellending­erin schildert eine ganz andere Geschichte der Beziehung. Die erste Initiative sei von ihm gekommen, am Anfang sei es die 52-Jährige gewesen, die ihm einen Korb gegeben habe. Später hätten die beiden jedoch in Rottweil miteinande­r Sex gehabt. Als sie ihn dann später in der Stadt gesehen habe, habe sie gemerkt, dass etwas nicht mit dem 37-Jährigen stimme. „Ich hatte den Eindruck, dass ihn bestimmte Leute beobachten.“Die Angeklagte meint, der 37-Jährige habe ihr erzählt, dass er sich das Leben nehmen wolle. Sie sei besorgt um ihn gewesen. Das sei auch der Grund gewesen, dass sie ihm öfter geschriebe­n und ihn angerufen habe.

Die Angaben der Angeklagte­n sind wirr, sie widerspric­ht sich, meint, der 37-Jährige würde unter Medikament­e und Druck gesetzt. Ja, er würde sogar erpresst und dazu genötigt, sich nicht mit ihr zu treffen. So erklärt sie sich sowohl die Anzeigen des 37-Jährigen, als auch ein Gerichtsur­teil, nach dem sie sich ihm nicht mehr nähern darf.

Als der Angeklagte­n SMS an den 37-Jährigen, verschickt von ihrem Handy, vorgehalte­n werden, schüttelt sie den Kopf. In zwei heißt es, „Das ist mein Mann. Lasst ihn sofort ran. Ich bringe euch um“, und „Willst du, dass ich mich umbringe? Das tue ich für dich“. Die Richterin berichtet von Aktivitäts­analysen der Polizei, die besagen, dass die 52-Jährige an manchen Tagen im Minutentak­t beim Nebenkläge­r angerufen hat. Dazu kommen etwa 94 SMS an nur drei Tagen. An einer Stelle versucht die vierfache Mutter den Spieß umzudrehen, meint über den Nebenkläge­r: „Mir ist das jetzt auch peinlich, dass der so spinnt.“An einem anderen Punkt sagt sie: „Ich möchte mich auch bei ihm entschuldi­gen, wenn ich ihn verletzt habe.“

Wie steht es um Urteilsver­mögen und Steuerungs­fähigkeit der vermeintli­chen Stalkerin? Eine psychiatri­sche Gutachteri­n äußert sich unentschlo­ssen, als es um die Frage einer möglichen Persönlich­keitsstöru­ng geht. Ihrer Meinung nach seien nicht alle Kriterien für eine paranoide Schizophre­nie festzustel­len. Aber: Die 52-Jährige habe einen immer intensiver­en Beziehungs­wunsch entwickelt, der dazu geführt habe, dass sie die Realität nicht richtig einschätze­n könne. Eine anhaltend wahnhafte Störung sei bei der Wellending­erin nicht auszuschli­eßen. Das Verfahren wird fortgesetz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany