Wenn giftige Muscheln zu Kunst werden
Heidi Leiprecht fertigt Schmuck aus Materialien aus der Karibik an - 14 Jahre in Antigua
TROSSINGEN - Was macht man mit giftigen Muscheln aus der Karibik, die man erst wochenlang in Bleichmittel einlegen muss, damit sie ungefährlich werden? Heidrun Leiprecht zumindest fertigt Schmuck daraus. Die Trossinger Künstlerin ist auf Kunsthandwerksmärkten in der ganzen Region unterwegs.
Die 77-Jährige kommt ursprünglich aus Emmingen-Liptingen und lebt in der Musikstadt - zuhause fühlt sie sich aber nicht im Kreis Tuttlingen, sondern viele tausend Kilometer entfernt. „Für mich ist Antigua Heimat“, sagt Heidi Leiprecht, wie sie lieber genannt werden möchte, und strahlt, wenn sie an die Karibikinsel denkt. Als Leiprecht zum ersten Mal auf der heißen Insel aus dem Flugzeug stieg, wollte sie am liebsten gleich wieder nach Hause fliegen. Stattdessen blieb sie. Es sollte der Beginn einer lebenslangen Liebe zur Karibik sein, die sie mit ihrer Liebe zur Kunst untrennbar verbindet. Zwischen Geckos und Kolibris Als Leiprecht Ende der 90er-Jahre in die Karibik kam, saß sie im Rollstuhl. „Ich habe dort wieder laufen gelernt“, sagt sie. Das warme Klima habe ihr geholfen. „Irgendwann bin ich die Insel auf- und abgelaufen, kannte mich bestens aus und eine Bekannte fragte mich, ob ich nicht als Reiseleiterin für sie arbeiten wolle.“Sie wollte und blieb für die nächsten 14 Jahre auf Antigua, wo sie in der Hauptstadt St. John unter Einheimischen lebte: In einem Holzhaus auf Stelzen, die vor Überschwemmungen schützen sollten, zwischen Geckos und Kolibris und zehn verschiedenen Bananenarten, die sie selbst im Garten anbaute.
Ihre Leidenschaft für Kunst hatte Heidi Leiprecht da schon längst entdeckt: „Ich fertige schon seit 40 Jahren alles mögliche an, von Blumen aus Kaffeekapseln bis zu Figuren aus Zahntechniker-Gips“, erzählt sie. In der Karibik wurde ihre Leidenschaft wiederentfacht - nicht zuletzt, als sie die vielen Materialien sah, die ihre dortige Adoptivtochter besaß: „Mir war sofort klar, dass man da ganz viel draus machen konnte“, sagt Heidi Leiprecht. Bald veranstaltete sie Ausstellungen und verkaufte an einem Kunststand auf dem Hof neben dem örtlichen Obst- und Gemüsemarkt ihren Schmuck an Touristen. „Ich habe alles benutzt, was da war“, sagt sie, „Kokosnüsse, Bohnen, einheimische Nüsse, Fischschuppen.“
Die Rückkehr nach Deutschland 2013 aus familiären Gründen sei „mit vielen Tränen verbunden gewesen“, sagt Heidi Leiprecht. Material aus der Karibik In ihrer Trossinger Wohnung hat sie sich mit Pflanzen, Kunst, Dekoration und Postern von weißen Stränden vor türkiser See so karibisch wie möglich eingerichtet, ihren Lebensgefährten Rudi Dittmann hat sie inspiriert, ebenfalls künstlerisch tätig zu werden. Und natürlich bleibt auch ein großer Teil der Materialien, die sie in ihrem Schmuck verwendet, karibisch. „Meine Adoptivtochter schickt immer mal wieder etwas“, erzählt Leiprecht. Auch von ihrem eigenen Besuch brachte sie Material mit - nicht ganz ohne Schrecken: aus einer Muschel krabbelte nämlich zurück in Deutschland eine große Spinne. Die Muschel schaffte es trotzdem in ihre Kunstwerkstatt.
In Trossingen sesshaft werden will Leiprecht nicht - allgemein nicht in Deutschland. „Ich bin ja ohnehin quasi Antiguanerin“, schmunzelt sie. Es zieht sie zurück in die Wärme: Leiprecht und Dittmann haben Spanien ins Auge gefasst. Wer weiß: Vielleicht fertigt sie ja bald Schmuck aus spanischen Materialien. Die Künstlerin lacht: „Egal wo ich bin, ich finde etwas.“