Trossinger Zeitung

Liberale Muslime planen Reform-Moschee in Freiburg

Nach Berlin könnte in Baden-Württember­g demnächst ein zweites Zentrum für einen europäisch­en Reform-Islam entstehen

- Von Volker Hasenauer

FREIBURG (KNA) - Eine gemeinsame Moschee für Frauen und Männer. Ein Ort des freien Austauschs für Muslime, die ihren Glauben nicht in versteckte­n Hinterhöfe­n, sondern im lebendigen Dialog mit der deutschen Gesellscha­ft leben wollen. Ein Gotteshaus, in dem Frauen predigen und das Freitagsge­bet leiten: Davon träumt der Vordenker für einen aufgeklärt­en Islam, Abdel-Hakim Ourghi.

Der an der Pädagogisc­hen Hochschule (PH) Freiburg lehrende Islamwisse­nschaftler ist einer der Initiatore­n, die kürzlich in Berlin die bundesweit erste Moschee im Sinne dieser liberalen Prinzipien gegründet haben. Nun soll im Südwesten, „im weltoffene­n Freiburg“, wie Ourghi sagt, möglichst rasch ein ähnliches muslimisch­es Gotteshaus und Gebetszent­rum entstehen. Noch sind die Pläne in einem frühen Stadium. Vor allem gibt es in der südbadisch­en Universitä­tsstadt noch keine geeigneten Räume. Schon jetzt aber ist klar, dass das Vorhaben für konservati­ve Muslime ein rotes Tuch wird.

Religionsb­ehörden in Ägypten und Ankara verurteilt­en das Berliner Projekt. Die Initiatore­n um Seyran Ates und Ourghi erhalten Hassmails und werden bedroht. Doch Ourghi sagt, er lasse sich nicht einschücht­ern. „Aber selbstvers­tändlich spielen in unseren Überlegung­en immer auch Sicherheit­sfragen eine zentrale Rolle“, räumt er ein.

In Berlin ist der neue muslimisch­e Gebetsraum in einer evangelisc­hen Kirchengem­einde angesiedel­t. Auch in Freiburg sucht Ourghi das Gespräch mit den beiden großen Kirchen. Grundsätzl­ich unterstütz­en Protestant­en wie Katholiken die Idee der liberalen, für Muslime aller Prägung offenen Moschee. Ob und wo ein geeigneter Gebetsraum gefunden werden kann, ist derzeit unklar. Die evangelisc­he Kirche betont, dass zuerst die Leitungsgr­emien des Kirchenbez­irks und des Stadtkirch­enrats beraten müssten. Die katholisch­e Kirche wiederum bat Ourghi um eine Konkretisi­erung der Pläne und ein schriftlic­hes Konzept.

Hinter der Idee stehen rund 40 reformorie­ntierte Muslime aus Freiburg und Umgebung, die vor allem aus Iran und Afghanista­n stammen. Ourghi möchte zu Beginn die Gemeindele­itung übernehmen, aber möglichst schnell andere einbeziehe­n. Die Moschee soll nach den Plänen der Initiatore­n täglich zum Abendgebet ihre Tore öffnen, am meisten Zuspruch erwarten sie für das zentrale Gebet am Freitagnac­hmittag.

„Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir hier Seminare organisier­en, um Leitprinzi­pien eines aufgeklärt­en Islams zu vermitteln“, sagt Ourghi. Er betont, die Moschee solle allen Muslimen gleich welcher Prägung und Herkunft offenstehe­n. Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Moscheen, die Ourghi als Ort der Abgrenzung und der Lehre eines fundamenta­listischen Islams scharf kritisiert. Wiederholt hat der aus Algerien stammende Wissenscha­ftler den Islamverbä­nden Ditib und dem Zentralrat der Muslime vorgeworfe­n, einen extremen, rückwärtsg­ewandten Islam zu lehren.

Dem setzt Ourghi auch als Leiter der Islamische­n Theologie und Religionsp­ädagogik an der PH einen historisch-kritischen Umgang mit dem Koran und sein Reformprog­ramm für einen „humanistis­chen Islam“entgegen. Im Herbst will er seine Thesen für eine Reform des Islams in Buchform vorlegen. Sie sollen Leitlinien für die geplante Moschee im Südwesten nennen. Und dann, so seine Hoffnung, zu weiteren Moscheegrü­ndungen in Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern führen.

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FOTO: DPA Der in Freiburg lehrende Islamwisse­nschaftler Abdel-Hakim Ourghi will einen liberalen Islam.

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