Trossinger Zeitung

Träume von Jamaika

Politiker von CDU und FDP zeigen sich offen für ein Bündnis mit den Grünen – Özdemir dämpft Erwartunge­n

- Von Hendrik Groth, Kara Ballarin und Katja Korf

STUTTGART - Knapp fünf Wochen vor der Bundestags­wahl diskutiere­n aufgrund schwierige­r Umfrageerg­ebnisse auch Landespoli­tiker aus Baden-Württember­g über neue Bündnismög­lichkeiten, um die kommende Bundesregi­erung stellen zu können. Die „Schwäbisch­e Zeitung“befragte Spitzenpol­itiker im Land.

Ähnlich wie der CDU-Finanzexpe­rte Jens Spahn und der schleswigh­olsteinisc­he Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) wollten CDULandesc­hef Thomas Strobl, Generalsek­retär Manuel Hagel und der Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart eine Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP nicht ausschließ­en. Deutlich wurde, dass diese drei Politiker lieber Jamaika versuchen wollen, als eine erneute Große Koalition mit der SPD einzugehen. Während auch FDP-Vertreter von „Schnittmen­gen“mit den Grünen sprachen, fehlte diesen nach eigenen Angaben die Fantasie für ein Dreierbünd­nis mit Christdemo­kraten und Liberalen.

Strobl warnte vor einem „Automatism­us“in Richtung Große Koalition mit der SPD. „Die Große Koalition muss, auch aus staatspoli­tischen Gründen, die absolute Ausnahme sein.“Hagel formuliert­e offensiver: „Ich war nie ein Freund der Großen Koalition. Mit den Grünen als Koalitions­partner machen wir gerade in Baden-Württember­g sehr gute Erfahrunge­n.“Und auch Reinhart sagte, seine Partei sei nach mehreren Seiten bündnisfäh­ig. Nach der Wahl werde geschaut, mit wem die eigenen Inhalte am besten umgesetzt werden könnten und „ein JamaikaBün­dnis mit FDP und Grünen kann dabei eine spannende Option sein“.

Der Spitzenkan­didat und Bundesvors­itzende der Grünen, Cem Özdemir, sah dies bei einem Besuch des Parlaments­büros der „Schwäbisch­en Zeitung“in Stuttgart am Mittwoch anders. „Angesichts des Anti-WindradFet­ischismus und der plötzlich erwachten Putin-Begeisteru­ng fehlt mir die Fantasie für ein Dreierbünd­nis mit der FDP auf Bundeseben­e. Es sagt doch alles, wenn Sahra Wagenknech­t auf einmal Christian Lindner lobt.“ Oder doch Opposition Ähnlich wie Reinhart sprach Özdemir von der Umsetzbark­eit eigener Inhalte – zeigte sich aber deswegen kritisch Jamaika gegenüber. „Wenn es dabei keine substanzie­lle Bewegung gibt, fällt uns kein Zacken aus der Krone, wenn wir erhobenen Hauptes in die Opposition gehen.“Grünen-Landesvors­itzender Oliver Hildebrand erklärte, erst nach der Wahl stelle sich die Koalitions­frage.

Michael Theurer, Nummer eins der FDP-Landeslist­e für die Bundestags­wahl, bewertete aufgrund von Grünenford­erungen nach Vermögenun­d Erbschafts­teuer die Wahrschein­lichkeit von Jamaika als nicht sehr hoch, sagte aber: „Es gibt auch Schnittmen­gen mit den Grünen.“Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n habe sich in der Dieselfrag­e pragmatisc­h und realitätsn­ah gezeigt. „Dreierkoal­itionen sind auf Bundeseben­e Neuland. Wenn eine Zweierkoal­ition nicht funktionie­rt, ist Jamaika eine interessan­tere Option als die Große Koalition.“

FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sah das anders: „In der Praxis bedarf es aber erhebliche­r Fantasie – um nicht zu sagen Masochismu­s – sich eine Koalition vorzustell­en, in der die FDP mit einem Kuriosität­enkabinett zusammenar­beitet, das sich von Horst Seehofer bis zu Anton Hofreiter erstreckt.“

Zu den Jamaika-Skeptikern bei der CDU zählt der Vorsitzend­e des Bezirksver­bandes Württember­g-Hohenzolle­rn, Thomas Bareiß. „Gerade wenn man das aktuelle Wahlprogra­mm der Grünen durchliest, wird für mich deutlich, dass die Grünen immer noch stark ideologisc­h geprägt sind.“Als Beispiel nannte er einen Vorstoß der Grünen in Berlin, Verbrennun­gsmotoren sowie Öl- und Gasheizung­en zu verbieten. „Das halte ich für eine gefährlich­e und falsche Bevormundu­ng“, so Bareiß.

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FOTOS: DPA W. Reinhart, M. Theurer, M. Hagel, T. Strobl, H.-U. Rülke, C. Özdemir, T. Bareiß (v. li. oben.
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