Journalisten als Faustpfand von Sicherheitsbehörden
en tatsächlichen Grund, warum sie vor zehn Tagen verhaftet wurden, haben die fünf palästinensischen Journalisten bis heute nicht erfahren. Eine Woche lang saßen sie hinter Gittern der Autonomiebehörden im Westjordanland. Jetzt sind die Fünf, die für Online-Medien der Hamas oder anderer oppositioneller Gruppen arbeiten, wieder auf freiem Fuß.
Mit konkreten Vorwürfen sei er jedoch zu keiner Zeit konfrontiert worden, meinte einer von ihnen, Kotaibeh Kasem, ein freier Journalist aus Bethlehem, nach seiner Entlassung. Mit den Sicherheitsbehörden von Präsident Mahmud Abbas hatte er schon öfters Ärger. Diesmal habe er gleich geahnt, „dass es sich um eine politische Festnahme handelte“. Zugespitzt könnte man sagen, dass die fünf Reporter den palästinensischen Geheimdiensten in der Westbank als Faustpfand dienten, um die Hamas in Gaza zur Freilassung eines mit der Fatah verbandelten Medienvertreters zu zwingen.
Fuad Dscharada, Gaza-Korrespondent von „Palestine TV“, dem Abbas nahestehenden Nachrichtenkanal, ist vor zwei Monaten von der Hamas-Polizei ins Gefängnis geworfen worden. In dieser Woche ließ sie ihn frei, woraufhin die Autonomiebehörden im Gegenzug besagte fünf Journalisten aus der Haft entließen.
Dass die Hamas vor Geiselnahmen nicht zurückschreckt, ist bekannt. Offenbar greifen aber auch die von EU und USA trainierten Sicherheitsdienste im Westjordanland bisweilen auf Mafia-Methoden zurück, um die islamistischen Machthaber in Gaza unter Druck zu setzen. „Viel anders kann man es nicht nennen“, sagt Shawan Jabarin, Direktor der palästinensischen Bürgerrechtsorganisation „al-Haq“in Ramallah und fügt hinzu. „Willkürliche Festnahmen unter irgendeinem Vorwand sind ein Verbrechen“.
Den Vorwand lieferte ein hochproblematisches Gesetz zur Ahndung von Cyber-Straftaten, das Abbas per Präsidialdekret durchbrachte. Wer auf Webseiten oder in anderen sozialen Medien etwas veröffentlicht, was angeblich gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit verstößt oder die „nationale Einheit“gefährdet, riskiert demnach ein Jahr Gefängnis. Als Höchststrafe wird sogar „lebenslänglich“angedroht.
Offiziell erfuhren die fünf Journalisten bei ihrer Festnahme zwar nichts. Aber auf Nachfrage der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA verwies ein Sicherheitsbediensteter auf einen Artikel des Cyber-Gesetzes: „Informationsweitergabe an feindliche Dienste.“Dieses Gesetz erlaubt neben vagen Anschuldigungen auch weitreichende Befugnisse. Internet-Provider etwa sind gehalten, ihre Daten drei Jahre lang aufzubewahren, um sie zu jeder Zeit mit den Behörden teilen zu können.
Mit Meinungs- und Pressefreiheit, findet Jabarin, sei das alles unvereinbar. Die Hamas pfeift darauf. Aber die Autonomieführung in Ramallah, die sich als einzig legitime Vertretung Palästinas versteht, sollte an internationale Rechtsabkommen gebunden sein. Nur scheinen die Umgebung von Abbas dies im sich wieder zuspitzenden Machtkampf zwischen Fatah und Hamas öfters zu vergessen. Seit Juni ließen die Behörden in Ramallah rund dreißig kritische Webseiten blockieren, die angeblich entweder mit dem Ex-Fatah-Chef Dahlan oder den Islamisten sympathisieren.