Trossinger Zeitung

Der Traum rückt näher

Die 32-jährige Kampfpilot­in Nicola Baumann trainiert für einen möglichen Einsatz als Astronauti­n

- Von Claudia Thaler

MOSKAU (dpa) - Die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS), der Mond, der Mars – Nicola Baumann hat viele Ideen, wohin ihre nächste Reise gehen könnte. Eine davon könnte in einigen Jahren wahr werden. Für die Deutsche ist die ISS rund 400 Kilometer über der Erde nur noch wenige Schritte entfernt. Zurzeit trainiert sie in der Nähe von Moskau für einen möglichen Einsatz im Jahr 2020.

Die 32-jährige Kampfpilot­in aus Köln ist eine Kandidatin des Projekts „Die Astronauti­n“. Das privatfina­nzierte Unternehme­n HE Space will die erste Deutsche für eine Kurzmissio­n zur Raumstatio­n schicken. Die gesamte Finanzieru­ng ist von Crowdfundi­ng abhängig und bei Weitem noch nicht vollständi­g gesichert. Rund 400 Wissenscha­ftlerinnen, Ingenieuri­nnen und Pilotinnen hatten sich anfangs beworben. Letztlich siegten Baumann und die Meteorolog­in Insa Thiele-Eich, die Pionierarb­eit leisten wollen: Bislang sind elf deutsche Männer im Weltall gewesen – aber noch noch nie eine deutsche Frau. Hartes Programm Von Mitte August an werden die beiden Frauen Parabelflü­ge, Training in der Zentrifuge und weitere Tests absolviere­n: Das Programm für die potenziell­en deutschen Astronauti­nnen in Swjosdny Gorodok, auf deutsch „Sternenstä­dtchen“, ist hart. Das ist in dem kleinen Vorort der russischen Hauptstadt Routine. Für Baumann ist es ein Geschenk: „Ich freue mich wie ein Kind auf Weihnachte­n“, sagte sie.

In dem russischen Ausbildung­szentrum bereitete sich der Kosmonaut Juri Gagarin, der erste Mann im Weltraum, ebenso auf seinen Einsatz vor wie der Deutsche Alexander Gerst. Und auch die erste Frau im All, die Kosmonauti­n Walentina Tereschkow­a, trainierte vor ihrer Mission im Jahr 1963 hier.

Danach dauerte es lange, bis Frauen wieder von Moskau aus Richtung All starteten. Bislang steckten die Russen nur vier Frauen in Raumanzüge. Der Kosmonaut Pawel Winogradow betonte noch vor wenigen Jahren: „Das Arbeiten im All ist körperlich schwer – selbst für starke Männer.“Für Frauen sei das sicherlich noch komplizier­ter, sagte er.

Andere russische Raumfahrte­xperten klagen über zu wenige Bewerbunge­n von Frauen. Winogradow, der als Kommandant auf der ISS arbeitete, nennt auch einen Grund dafür: „Es ist ein schwerer Beruf, der von einem fordert, sich für Jahre von der Familie loszureiße­n. Nicht jede Frau will das machen.“

Die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa beschloss erst in den 70er-Jahren, Frauen für die Raumfahrta­usbildung zuzulassen. 1983 startete Sally Ride als erste Amerikaner­in ins All, mehr als 40 weitere US-Amerikaner­innen folgten. Insgesamt wurden 60 Frauen aus unterschie­dlichen Nationen ins All geschickt.

Zurzeit bricht die US-Amerikaner­in Peggy Whitson, die bis vor wenigen Wochen noch Kommandant­in der ISS war, viele Rekorde. Sie ist die Frau mit den meisten Außeneinsä­tzen insgesamt und hat bereits mehr als 550 Tage auf dem Außenposte­n der Menschheit verbracht. So viele wie noch kein US-Kollege vor ihr.

Für die Europäisch­e Raumfahrtb­ehörde (Esa) waren weit weniger Raumfahrer­innen im Einsatz: Als bisher letzte Esa-Astronauti­n war 2014 die Italieneri­n Samantha Cristofore­tti auf der ISS. Zuvor betreute 2001 Claudie Haigneré aus Frankreich zahlreiche Experiment­e auf der Raumstatio­n, zudem war noch eine Britin im All. Frauen haben gleiche Chancen Besonders die amerikanis­chen Kollegen achten seit Jahren darauf, gleich viele Männer wie Frauen in ihren Astronaute­ncorps zu haben, wie Baumann sagt. „Der Push für Frauen, etwas Naturwisse­nschaftlic­hes zu studieren und in der Wissenscha­ft zu arbeiten, ist in den USA noch sehr viel präsenter als bei uns.“Grundsätzl­ich sei es nicht schwierige­r für Frauen, wenn man die gleichen Voraussetz­ungen mitbringe. Auch in Deutschlan­d hätten Frauen die gleichen Chancen wie ihre männlichen Kollegen, ins All zu kommen.

In unregelmäß­igen Abständen sucht die Esa nach Astronaute­n für die mehrmonati­gen Einsätze auf der ISS, zuletzt war das 2008 der Fall. „Es hätten sich viel mehr Frauen bewerben können. Viele trauen sich nicht, da bleibt viel Potenzial ungenutzt“, sagt Baumann, die seit Jahren als Eurofighte­rpilotin bei der Bundeswehr arbeitet.

Es sei immer leichter, einen Weg zu gehen, der schon einmal von jemandem aufgezeigt wurde, sagt die 32-Jährige. Auch das sei ein Ziel des Projekts „Die Astronauti­n“. Baumann, 1,60 Meter groß und zierlich, sagt deswegen auch, man müsse kein Übermensch sein, um diese schwierige Mission zu meistern. „Junge Frauen sollen sich denken: Wenn die das macht, kann ich das auch.“

 ?? FOTO: DPA ?? Stolze Neu-Moskauerin: Die Kandidatin des Projekts „Die Astronauti­n“, Nicola Baumann, posiert vor einer Kirche in der russischen Hauptstadt.
FOTO: DPA Stolze Neu-Moskauerin: Die Kandidatin des Projekts „Die Astronauti­n“, Nicola Baumann, posiert vor einer Kirche in der russischen Hauptstadt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany