Trossinger Zeitung

Wenn das Gut-Freund-Sein EM-Pause hat

Hans Melzer will Vielseitig­keitsreite­r zur Medaille führen, Chris Bartle will das verhindern

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STRZEGOM (dpa/SID) - Es ist ein sehr spezielles Aufeinande­rtreffen in der polnischen Provinz: 16 Jahre arbeiteten Hans Melzer und Chris Bartle zusammen, wurden dicke Freunde und sorgten für eine Flut von Medaillen – doch das ist nun vorbei. Wenn heute in Strzegom die Europameis­terschaft der Vielseitig­keitsreite­r beginnt, dann sind die beiden Trainer erstmals Gegner. „Das ist ein komisches Gefühl“, gibt Chris Bartle zu. Der britische Coach hatte im vergangene­n November die Zusammenar­beit mit der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g FN beendet, um das Team seines Heimlandes zu übernehmen. „Ich muss mich“, sagt er augenzwink­ernd, „daran gewöhnen.“

Bartle war gemeinsam mit Melzer für die beispiello­se Erfolgsser­ie der deutschen Vielseitig­keitsreite­r verantwort­lich. Dreimal in Folge gewann das Team zuletzt bei Europameis­terschafte­n Gold, und dreimal in Folge feierte Michael Jung aus Horb dabei auch den Einzelsieg. Einen abermalige­n EM-Triumph will Chris Bartle in Niederschl­esien verhindern. „Die Deutschen werden stark sein. Ganz klar, die sind Favorit“, sagt er. Und schiebt grinsend hinterher: „Aber das motiviert mich, gegen meine alten Kameraden zu kämpfen.“

Sportlich sind Melzer und Bartle bei der Jagd nach Gold Gegner, privat ist das gute Verhältnis geblieben. „Wir sind nach wie vor super befreundet“, betont Hans Melzer. Der 66-jährige Trainer aus dem niedersäch­sischen Salzhausen ist sich sicher: „Wenn einer der deutschen Reiter um Rat fragt, ist Chris immer noch offen und ehrlich.“

Der Verlust schmerzt trotzdem. „Chris ist nicht zu ersetzen“, weiß Melzer – und schwärmt: „Ein gleichwert­iger Nachfolger muss erst geboren werden.“Der Brite war vor allem für das Training zuständig, der Deutsche mehr für Organisati­on und Motivation. Das Duo hatte nach dem Desaster bei der WM 2002 in Jerez de la Frontera die Nachfolge von Martin Plewa angetreten und Deutschlan­d zur führenden Vielseitig­keitsnatio­n gemacht. Nicht nur bei den Europameis­terschafte­n triumphier­ten die deutschen Reiter in Serie. DoppelGold feierten sie bei den Olympische­n Spielen 2008 und 2012 sowie bei der Weltmeiste­rschaft 2014. Zuletzt in Rio gewannen das Team Olympia-Silber und Michael Jung Einzel-Gold. „Wie eine Familie“Nicht allein die vielen Erfolge und Feiern haben zusammenge­schweißt. „Wir sind wie eine Familie“, sagt Chris Bartle. „16 Jahre sind 16 Jahre, das wird man nicht vergessen.“Die Zeit bei den Deutschen sei eine „sehr gute Investitio­n“gewesen, nicht nur wegen der Sprachkenn­tnisse. „Jetzt rede ich Englisch mit deutscher Grammatik. Zu Hause haben sie über mein komisches Englisch schon gelacht.“

Ursprüngli­ch wollten die Goldgarant­en gemeinsam bis zu den Olympische­n Spielen 2020 weitermach­en. Das war abgemacht. Doch dann kam die große Chance für Bartle. Und Melzer stimmte zu. „Das ist sein Heimatland“, sagt der deutsche Trainer. „Die Voraussetz­ungen sind gut, weil die Briten viele gute Reiter haben – aber zuletzt wenig Erfolge.“

Genau das allerdings soll nach Hans Melzers Vorstellun­g („Wir wollen den Mannschaft­stitel verteidige­n. Was im Einzel passiert, ist Zusatz“) möglichst auch in Strzegom so bleiben.

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FOTO: DPA „Komisches Gefühl“: Chris Bartle (li.) und Hans Melzer.

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