Muslimische Gemeinde hat neuen Imam
Vili Kaplan ist jung, kommt von der Ägäisküste und kann den Koran auswendig
SPAICHINGEN - Es ist nicht die einfachste Zeit, in der Imam Vili Kaplan seinen Dienst in Spaichingen antritt. Seit einer Woche sind der neue geistliche Leiter der Moschee und seine Familie in Spaichingen aus der Türkei angekommen. Er ist jung, 31 Jahre alt, und stammt aus der Ägäis-Provinzhauptstadt Mugla.
„Ich hatte keine Vorstellung, wie es hier sein würde,“sagt er, aber nachdem er Menschen, Gemeinde und Stadt langsam kennenlernt, sei er sehr zuversichtlich, gut und Nutzen bringend hier wirken zu können. „Ich bin froh, dass ich nach Deutschland gekommen bin.“
Kaplan bringt seine Frau und seine beiden Söhne mit. Ob der Dreijährige gleich in den Kindergarten gehen werde, wisse das Paar noch nicht, sagt er, sein Siebenjähriger werde jetzt in der Schillerschule eingeschult. Die Kaplans hätten ihn extra so lange nicht in die türkische Schule geschickt, um ihn hier starten zu lassen.
Das Gespräch übersetzt Akin Eski. Er vertritt die Moschee-Gemeinde nach außen und kümmert sich ums Ankommen der Imam-Familie. Kaplan spricht ein wenig Deutsch, er hat einen Kurs in der Türkei absolviert und hofft, möglichst viel in der neuen Sprache zu lernen. Für die beiden Söhne sehen er und seine Frau es als große Chance, hier die Sprache zu lernen und beide Länder und Kulturen kennen zu lernen, sich in beiden Kulturen zurecht zu finden.
Bei der muslimischen Gemeinde in Spaichingen ist die Arbeits- und Entscheidungsstruktur ähnlich wie in der evangelischen Gemeinde: Dort organisiert sich die Gemeinde über den gewählten Kirchengemeinderat, dem der Pfarrer vorsteht, in der Moscheegemeinde ist es der gewählte Vorstand, der die Geschicke bespricht und in Fragen der Gemeinde entscheidet. „Die Gemeinde sagt, wo es langgeht“, lacht Akin Eski. Aber das Gehalt wird – anders als in evangelischen Gemeinden – von der türkischen Religionsbehörde bezahlt. Respekt vor der Bildung Man spürt, dass die Gemeinde – vermittels Akin Eski – großen Respekt vor der theologischen Ausbildung des neuen Imams hat. Er hat in einer Imamschule gelernt, an einer staatlichen Hochschule Theologie studiert und bereits zehn Jahre als Imam und Koran-Rezitations-Lehrer gearbeitet. Er ist ein „Hafiz“, also jemand, der den gesamten Koran auswendig kann und nach bestimmten Intonationsregeln rezitieren kann. Diese Fähigkeit wird unter Muslimen hoch geachtet.
Es sei ihm angeboten worden, nach Deutschland zu gehen, erzählt Kaplan. Er habe sich mit anderen Imamen beraten und sie hätten ihm diesen Schritt empfohlen. Dann habe er einen Test gemacht und bestanden. Er glaube, dass es ein großes Bedürfnis gebe unter den Muslimen in Deutschland auf eine solide Theologie. Sein erstes Ziel ist, mit den Jugendlichen zu arbeiten, dass sie einen guten Weg gehen. Die Menschen sollen den Koran lesen und auch verstehen können. Dabei komme es ganz entscheidend auf die Koranauslegung an, die Toleranz und Menschenfreundlichkeit und gesunden Menschenverstand anbiete und vorgebe.
Wichtig sei es für ihn aber auch, dass die Menschen Glauben und Kultur nicht vergessen. An Kultur meine er Anstand und Benehmen, die nicht verloren gehen sollen. Jedenfalls habe er Vorstellungen und Pläne für seine Arbeit und lacht: „Ich bin hier, um zu arbeiten und nicht, um Ferien zu machen.“
Zur derzeit angespannten Situation zwischen Deutschland und der Türkei und der inneren Zerrissenheit der hier lebenden türkischstämmigen Menschen äußert sich Kaplan zurückhaltend. Es sei eine schwierige Situation. Es gebe – auch für Deutschland – immer einen Grund, eine andere Sicht der Dinge zu haben. Er findet, dass wenn man nicht angegriffen wird, es auch keinen Grund gebe, nicht miteinander auszukommen. Die deutsche und türkische Geschichte sei immer geprägt gewesen von einem sehr guten Verhältnis. So solle es wieder werden.
Imame, so sagt Kaplan, dürften sich in die Auseinandersetzungen nicht einmischen, sondern seien als Theologen dazu da, Gutes für die Menschen zu tun. Die türkisch-islamische Gemeinde lädt von 15. bis 17. September zwischen 10.30 bis 20 Uhr zur jährlichen „Kermes“, dem Herbstund Kulturfest ein.