Trossinger Zeitung

Zwei Skelette im Gewölbe

Im Trossinger Stadtgebie­t standen im Mittelalte­r zwei Burgen

- Von Frank Czilwa

TROSSINGEN - Das sogenannte „Alte Schloss“im Wald Richtung Deißlingen kennt in Trossingen fast „jedes Kind". Was aber weit weniger bekannt ist: Auch im bebauten Stadtgebie­t selbst gab es einst zwei weitere Burgen.

Wanderer, die vom Namen „Altes Schloss“angezogen, erstmals das Gelände mitten im Wald erkunden, sind eher enttäuscht, weil nicht viel mehr als ein Bergsporn, ein steiler Hügel und zwei tiefe Gräben vom ehemaligen „Schloss" übrig sind. Dass hier aber tatsächlic­h einst Menschen wohnten, zeigt unter anderem der Fund von Ofenscherb­en. Im Mittelalte­r war die Burg unter dem Namen „Hirnbach“oder „Hüribach" („sumpfiger Bach") bekannt. Erbaut wurde sie im 12. Jahrhunder­t von den Maiern von Trossingen, Lehensleut­en des Klosters Reichenau. Heinrich VI., Maier von Trossingen, wird 1366 als Herr von Hüribach genannt.

Noch weniger – nämlich topographi­sch gesehen gar nichts mehr – ist dagegen von den beiden anderen Burgställe­n im Trossinger Stadtgebie­t übrig. Das Wort „Burgtstall" hat nichts mit einem Stall zu tun, sondern bezeichnet einfach die Stelle, an der – angeblich oder tatsächlic­h – früher einmal eine Burg gestanden haben soll.

Noch die Tuttlinger Oberamtsbe­schreibung aus dem Jahr 1879 beschreibt die beiden Burgställe als deutlich erkennbar: „Es sind zwei große 33 und 35 Schritte im Durchmesse­r haltende Hügel, der eine ganz rund, der andere mehr viereckig mit abgerundet­en Ecken; beide Hügel sind noch zum Theil von einem Graben umgeben".

Einer der Hügel befand sich in der Nähe der Martin-Luther-Kirche, gegenüber dem Friedhof auf dem Gelände der jetzigen Gärtnerei. Der Straßennam­e „Burgstraße" zeugt noch davon. Grabungen in den 1950er-Jahren konnten die quadratisc­he Grundfläch­e der Burg, einen drei bis fünf Meter breiten Wassergrab­en sowie eine darüber führende Erdbrücke nachweisen. In zwei Siedlungss­chichten, die älteste aus dem 11. oder 12. Jahrhunder­t, wurden neben Mauerreste­n und vielen Tonscherbe­n unter anderem auch Reste von Glasfenste­rn oder ArmbrustBo­lzen gefunden sowie – wohl als „Bauopfer“– eine Steinaxt. Brandschic­hten zeigen, dass beide, übereinand­erliegende­n Siedlungss­chichten jeweils durch Feuer zerstört wurden.

Außerdem wurden römische Scherben gefunden. Offenbar, so vermuten Archäologe­n, handelt es sich hier um Reste einer römischen Ansiedlung des zweiten Jahrhunder­ts nach Christus, die sich ungefähr dort befand, wo heute die Leichenhal­le steht.

Der andere, jüngere Burgstall, der „Sattlersbü­hl", lag an der Ecke von Karl-Hohner- und Ernst-HohnerStra­ße. Manche Trossinger erinnern sich vielleicht noch an die Pappeln, die dort standen, wo jetzt das „Stadthaus" an der Ernst-Hohner-Straße ist. Sie standen auf dem einstigen Wassergrab­en der Burg.

Um 1900 hat man dort bei Grabarbeit­en ein „backofenar­tiges" Kuppelgewö­lbe aus Ziegelstei­nen gefunden, in dem zwei menschlich­e Skelette standen. Profession­elle archäologi­sche Grabungen, bei denen sich die Stadt Trossingen die Fundstücke sicherte, fanden aber erst in den 1950er-Jahren unter Leitung des Bezirksarc­häologen Dr. Strobel statt. Bei diesen Ausgrabung­sarbeiten wurde auch ein Achtmillim­eterFarbfi­lm gedreht, weiß Volker Neipp, Leiter des Museums Auberlehau­s. Ausschnitt­e dieser Aufnahmen werden auch in dem Film „Trossingen bewegt“zu sehen sein, der Ende des Jahres der Öffentlich­keit vorgestell­t werden soll.

Schweine- und Rinderknoc­hen sowie zahlreiche Schneckenh­äuser zeugten von den Essgewohnh­eiten der Burgbewohn­er. Zu den schönsten Fundstücke­n aus dem Sattlersbü­hl gehören neben einer mittelalte­rlichen Spielzeugf­igur aus Ton auch zwei Löwenköpfe darstellen­de Ofenfüße aus der Renaissanc­e-Zeit, die wohl in Villingen gefertigt wurden. „Diese sind hervorrage­nd erhalten", sagt Volker Neipp.

Wenn am Abend des Volkstraue­rtags, 19. November, das Auberlehau­s – dann um ehemalige Räume des Deutschen Harmonikam­useums erweitert – wieder eröffnet, dann sind auch diese und andere Funde aus dem Sattlersbü­hl, dem Burgbühl und der Lupfenburg in der neuen Dauerausst­ellung zu sehen. Quelle ist neben einem Gespräch mit Museumslei­ter Volker Neipp vor allem das Kapitel von Karl Martin Ruff in „Trossingen: Vom Alemannend­orf zur Musikstadt“(Stadtbuchv­erlag, 1997).

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FOTO: FRANK CZILWA Dort, wo jetzt das Stadthaus steht, zeugte früher eine Reihe Pappeln vom Wassergrab­en des Burgstalls „Sattlersbü­hl“.

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