Zwei Skelette im Gewölbe
Im Trossinger Stadtgebiet standen im Mittelalter zwei Burgen
TROSSINGEN - Das sogenannte „Alte Schloss“im Wald Richtung Deißlingen kennt in Trossingen fast „jedes Kind". Was aber weit weniger bekannt ist: Auch im bebauten Stadtgebiet selbst gab es einst zwei weitere Burgen.
Wanderer, die vom Namen „Altes Schloss“angezogen, erstmals das Gelände mitten im Wald erkunden, sind eher enttäuscht, weil nicht viel mehr als ein Bergsporn, ein steiler Hügel und zwei tiefe Gräben vom ehemaligen „Schloss" übrig sind. Dass hier aber tatsächlich einst Menschen wohnten, zeigt unter anderem der Fund von Ofenscherben. Im Mittelalter war die Burg unter dem Namen „Hirnbach“oder „Hüribach" („sumpfiger Bach") bekannt. Erbaut wurde sie im 12. Jahrhundert von den Maiern von Trossingen, Lehensleuten des Klosters Reichenau. Heinrich VI., Maier von Trossingen, wird 1366 als Herr von Hüribach genannt.
Noch weniger – nämlich topographisch gesehen gar nichts mehr – ist dagegen von den beiden anderen Burgställen im Trossinger Stadtgebiet übrig. Das Wort „Burgtstall" hat nichts mit einem Stall zu tun, sondern bezeichnet einfach die Stelle, an der – angeblich oder tatsächlich – früher einmal eine Burg gestanden haben soll.
Noch die Tuttlinger Oberamtsbeschreibung aus dem Jahr 1879 beschreibt die beiden Burgställe als deutlich erkennbar: „Es sind zwei große 33 und 35 Schritte im Durchmesser haltende Hügel, der eine ganz rund, der andere mehr viereckig mit abgerundeten Ecken; beide Hügel sind noch zum Theil von einem Graben umgeben".
Einer der Hügel befand sich in der Nähe der Martin-Luther-Kirche, gegenüber dem Friedhof auf dem Gelände der jetzigen Gärtnerei. Der Straßenname „Burgstraße" zeugt noch davon. Grabungen in den 1950er-Jahren konnten die quadratische Grundfläche der Burg, einen drei bis fünf Meter breiten Wassergraben sowie eine darüber führende Erdbrücke nachweisen. In zwei Siedlungsschichten, die älteste aus dem 11. oder 12. Jahrhundert, wurden neben Mauerresten und vielen Tonscherben unter anderem auch Reste von Glasfenstern oder ArmbrustBolzen gefunden sowie – wohl als „Bauopfer“– eine Steinaxt. Brandschichten zeigen, dass beide, übereinanderliegenden Siedlungsschichten jeweils durch Feuer zerstört wurden.
Außerdem wurden römische Scherben gefunden. Offenbar, so vermuten Archäologen, handelt es sich hier um Reste einer römischen Ansiedlung des zweiten Jahrhunderts nach Christus, die sich ungefähr dort befand, wo heute die Leichenhalle steht.
Der andere, jüngere Burgstall, der „Sattlersbühl", lag an der Ecke von Karl-Hohner- und Ernst-HohnerStraße. Manche Trossinger erinnern sich vielleicht noch an die Pappeln, die dort standen, wo jetzt das „Stadthaus" an der Ernst-Hohner-Straße ist. Sie standen auf dem einstigen Wassergraben der Burg.
Um 1900 hat man dort bei Grabarbeiten ein „backofenartiges" Kuppelgewölbe aus Ziegelsteinen gefunden, in dem zwei menschliche Skelette standen. Professionelle archäologische Grabungen, bei denen sich die Stadt Trossingen die Fundstücke sicherte, fanden aber erst in den 1950er-Jahren unter Leitung des Bezirksarchäologen Dr. Strobel statt. Bei diesen Ausgrabungsarbeiten wurde auch ein AchtmillimeterFarbfilm gedreht, weiß Volker Neipp, Leiter des Museums Auberlehaus. Ausschnitte dieser Aufnahmen werden auch in dem Film „Trossingen bewegt“zu sehen sein, der Ende des Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.
Schweine- und Rinderknochen sowie zahlreiche Schneckenhäuser zeugten von den Essgewohnheiten der Burgbewohner. Zu den schönsten Fundstücken aus dem Sattlersbühl gehören neben einer mittelalterlichen Spielzeugfigur aus Ton auch zwei Löwenköpfe darstellende Ofenfüße aus der Renaissance-Zeit, die wohl in Villingen gefertigt wurden. „Diese sind hervorragend erhalten", sagt Volker Neipp.
Wenn am Abend des Volkstrauertags, 19. November, das Auberlehaus – dann um ehemalige Räume des Deutschen Harmonikamuseums erweitert – wieder eröffnet, dann sind auch diese und andere Funde aus dem Sattlersbühl, dem Burgbühl und der Lupfenburg in der neuen Dauerausstellung zu sehen. Quelle ist neben einem Gespräch mit Museumsleiter Volker Neipp vor allem das Kapitel von Karl Martin Ruff in „Trossingen: Vom Alemannendorf zur Musikstadt“(Stadtbuchverlag, 1997).