Vernunft und Augenmaß sind wichtig
Der Grünen-Bundestagskandidat Hubert Nowack ist weit gereister Handwerksmeister
ROTTWEIL - „Wenn man etwas fordert, muss es auch umsetzbar sein“. „Wenn Unvernunft ideologisch wird, tue ich mich schwer.“Solche Sätze sind typisch für den Bundestagskandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, Hubert Nowack aus Rottweil. An der Wand hängt der Meisterbrief des Zimmermanns, er trägt auch bei offiziellen Wahlkampfterminen immer Kluft. Das ist keine Masche, das wird schnell klar. Er bewirbt in seinem Wahlkampf offensiv, was er ist: Ein Holz-Handwerker, der nicht schnellen Trends hinterherläuft, sondern sich so seine eigenen Gedanken macht – und schon gar nicht schnell alles glaubt, was man ihm weiszumachen versucht.
Das hat er schon mit 15 Jahren gelernt, als er sich gegen den Ausbau der Tuttlinger Straße und das Fällen der Baumallee einsetzte. Denn damals hatte man den Bürgern verkauft, die Bäume würden sowieso nicht mehr lange leben – „und jetzt stehen sie immer noch“, so Nowack. Oder die Aussagen von Windkraftanlagen-Anwohnern, die alle vollkommen unverständlich reagiert hätten auf die gern kolportierte Aussage, der Rotmilan wäre durch Windkraftanlagen bedroht, weil sie noch nie einen erschlagenen gesehen hatten. „Wenn man wirklich Greifvogelschutz betreiben wollte, müsste man die Autobahnen sperren“, sagt Nowack.
Heute ist Nowack 55 Jahre alt. Er nutzt, wie er sagt, das Zeitfenster, das sich durch das Erwachsensein der Töchter jetzt ergebe, für die Politik. Bei den Grünen eingetreten ist er erst 2010, dem Jahr, als er in den Rottweiler Gemeinderat für das Forum für Rottweil nachgerückt ist und in dem er – jetzt mit einer eigenen Grünen-Fraktion – immer noch tätig ist. Er ist Fraktionssprecher dort und auch im Kreistag. „Ein Handwerker ist Realist“Bodenständigkeit und Glaubwürdigkeit, das ist es, was er vermittelt, vermitteln will. „Ein Handwerker ist Realist. Wenn man etwas umsetzen kann, dann packe ich es auch an.“Beispiel Wasserkraft im Neckartal, wo er und weitere wohl 100 Leute leben, Beispiel Flüchtlinge, als er der Stadt anbot, das Obergeschoss seiner Werkstatt – früher Büros – umzubauen und zu nutzen, Beispiel Glyphosatverbot in der Stadt, Beispiel öffentlicher Nahverkehr mit Ausbau von Gäubahn und Ringzug, für den er sich einsetzt.
Bei den Grünen würde er sich weder ganz links noch ganz rechts verorten: „Wenn man etwas fordert, muss es umsetzbar sein und den Leuten nutzen.“Seine Wanderschaft nach der Gesellenprüfung als Innungssieger zwischen 1983 und 1985 hat ihn geprägt. Damals zog es ihn in die sozialistischen Länder – Tschechien, Ungarn, Rumänien. Dort habe er gesehen, was passiere „wenn Unvernunft Ideologie wird“.
Sein Vater war Elektromeister, geboren ist er in Rottweil, Realschule, dann die Wanderschaft; das Projekt in Ungarn – ein Dorfgemeinschaftshaus mit lauter Bögen nach dem Entwurf eines damals bekannten Architekten – hat ihn nachhaltig geprägt. Die Menschen hätten begonnen, sich selbst zu organisieren, daher sei die Arbeit auch politisch spannend gewesen. Bis heute hat er in seinem Büro eine Collage von dieser Zeit und behält die Kontakte. „Ich bin schon relativ bekannt“Sein Büro scheint ein wenig der Spiegel seines Charakters zu sein. Einerseits unendlich viele inhaltliche Ansätze und Impulse durch Bilder, Fotos, Zeitungsartikel, Postkarten an verschiedenen Wänden, andererseits akkurat aufgeräumte Leitz-Ordner-Regale und Ablagen fürs Geschäft. Jeden Tag lerne er etwas Neues sagt er, den Überblick verliert er nicht.
In den Bundestag einziehen werde er über die Liste nicht, sagt Nowack, er habe sich beim Listengerangel nicht beteiligen wollen. Aber gegen Volker Kauder als Direktkandidat gewinnen? „Ich bin in Rottweil schon relativ bekannt“, sagt er trocken. Und fügt hinzu: „Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass die Grünen ein gutes Ergebnis bekommen.“Es gehe für ihn darum, Gesicht zu zeigen. „Die Leute wissen, wofür ich stehe.“
Momentan ist ihm ein bisschen „zu wenig Salz in der Suppe“. Die einen – Stichwort Schulz-Hype – jonglierten mit zu schnell wechselnden Stimmungen, die CDU sage, sie wolle, dass alles so bleibt. Und die AfD? Die arbeite viel mit Ängsten, dabei wisse man doch: „Angst essen Seele auf“, wie der Titel des FassbinderFilms treffend zusammen fasse. Er halte viele Forderungen der AfD für abstrus und menschenverachtend. Da er selbst viel gereist sei und immer Hilfe von fremden Menschen bekommen habe, habe er kein Verständnis für dieses Hochpushen von schrecklichen Einzelfällen. Er setze sich für eine Trennung von Asyl- und Arbeitszuwanderung ein.
Sechs Nationen leben in seinem Haus, 16 Familien, und er sehe, wie sehr sich die Leute bemühten, hier Fuß zu fassen. Und dann lächelt er verschmitzt: Und seit die Flüchtlinge da seien, gebe es endlich auch eine Busverbindung ins Neckartal.