Unangestrengte Poesie
Die liebenswerte französische Komödie „Barfuß in Paris“mit dem letzten Auftritt von Emmanuelle Riva
ut, die Konkurrenz im Genre ist nicht gerade überwältigend – aber „Barfuß in Paris“könnte schon jetzt die schönste Komödie des Jahres sein. Und sie ist auch ein Abschied: Emmanuelle Riva, die große Hauptdarstellerin aus Michael Hanekes „Amour“, hat in diesem Film ihren letzten Auftritt. Kurz nach den Dreharbeiten ist sie gestorben.
Die Geschichte? Unerheblich. Fiona reist aus einem kleinen Nest in Kanada mit Rucksack und Ahornblatt-Fähnchen nach Paris, von wo sie einen verwirrt klingenden Brief ihrer alten Tante erhalten hat. Auf der Suche nach Martha trifft sie den freundlichen Obdachlosen Dom, der ihr spontan hilft – und der auch eine verwandte Seele ist.
Fiona Gordon und Dominique Abel, sie Kanadierin mit australischen Wurzeln, er Belgier, führen nicht nur Regie in diesem liebenswerten, warmherzigen Film. Sie haben auch das Drehbuch geschrieben und die Hauptrollen übernommen. Beide, auch privat miteinander verbunden, kommen vom Theater, hin und wieder machen sie auch Filme.
Ihr clowneskes, locker, aber exakt choreografiertes Spiel lässt ihre Vorbilder erkennen. Es sind nicht die schlechtesten: Charlie Chaplin, Buster Keaton, Jacques Tati, Aki Kaurismäki, Wes Anderson. Gesprochen wird wenig, das Dekor ist bewusst künstlich gehalten, die Tricks offenkundig als solche erkennbar, die Gags und Szenen – der Film ist eigentlich eine Nummernrevue – wirken durch ihre leichtfüßige Unangestrengtheit, ihren reduzierten Slapstick, durch ihre skurrile Poesie. Mit am schönsten kommt das zum Ausdruck, als Fiona und Dom in einem Restaurant einen Tanz aufs Parkett legen, einen Pas de deux, in dem sich Komik und Eleganz die Waage halten. Und natürlich hat der Tanz mit der Handlung überhaupt nichts zu tun.
Zwei Außenseiter in Paris, einem Paris, das aus der Zeit gefallen scheint – und zwei Stars des französischen Kinos stehen ihnen zur Seite. Neben Emmanuelle Riva, die sichtlich Spaß daran hat, eine Komödie zu drehen, ist das noch der große Blonde, Pierre Richard, in einem Kurzauftritt. Auch sein Duett mit Riva ist eine kleine, singuläre Preziose in diesem an Nummern so reichen Film, ein spektakulärer Balanceakt auf dem Eiffelturm eine weitere. „Barfuß in Paris“entlässt den Zuschauer am Ende beglückt aus dem Kino – man möchte sogleich ein Ticket nach Paris buchen. Barfuß in Paris. Regie: Fiona Gordon und Dominique Abel. Mit Fiona Gordon, Dominique Abel, Pierre Richard, Emmanuelle Riva. Belgien/Frankreich 2016. 83 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.