Trossinger Zeitung

Wohlverhal­ten gegen Pachtvertr­ag

Gerichtsve­rhandlung vor dem Rottweiler Landwirtsc­haftsgeric­ht um Betretungs­verbot

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Ein Gerichtsve­rfahren zu einem Spaichinge­r Konflikt spielt sich seit Mittwoch vor dem Amtsgerich­t Rottweil ab: Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r hat einem Spaichinge­r Landwirt im Mai verboten, die von der Stadt bis 2013 gepachtete­n und anschließe­nd im Einvernehm­en weiterbear­beiteten Flächen von etwa 30 Ar – etwa einem Drittel der Hoffläche – zu betreten und zu bewirtscha­ften; er wiederholt­e dies mehrfach. Der Landwirt ging von einem Weiterbest­ehen des stillschwe­igenden Einvernehm­ens aus und bearbeitet­e mit seiner Familie die Flächen weiter. Dann kam der Tipp eines Spaichinge­rs zu aktuellen Arbeiten auf der Viehweide vor wenigen Wochen. Schuhmache­r und ein im Gemeindera­t vertretene­r Landwirt fuhren persönlich hinaus, um die Mahd durch einen Neffen des Bauern zu stoppen. Als ein anderer Neffe auf der anderen Seite der Straße weiter mähte, fuhr Schuhmache­r noch einmal mit dem für Liegenscha­ften und Gebühren zuständige­n Fachbereic­hsleiter hinaus. Einstweili­ge Verfügung Nun hat das Schöffenge­richt unter Vorsitz der Richterin Grimm am Mittwoch einen Antrag der Stadt auf einstweili­ge Verfügung verhandelt, die dem Betretungs­verbot sofortige Rechtskraf­t geben sollte und notfalls mit der Polizei durchgeset­zt werden kann. Schuhmache­r wurde begleitet von Rechtsanwa­lt Marc Malleis aus Freiburg, der Landwirt von Robert Schießle. Obwohl das Gericht detaillier­t den Sachverhal­t zu ergründen versuchte, ging es zunächst vor allem darum, zu erfragen, warum jetzt, vier Jahre nach Auslaufen der Pachtvertr­äge, plötzlich Dringlichk­eit auf Rückgabe der etwa 80 Flurstücke bestehe.

Schuhmache­r und der als Zeuge aussagende Bereichsle­iter schilderte­n die Umstände. Die Stadt habe 2013, als alle Pachtvertr­äge neu abgeschlos­sen worden seien, dem Landwirt eine Frist gesetzt, wonach er seine Kooperatio­nsbereitsc­haft in einem Bebauungsp­lanverfahr­en zusichern sollte. Dies sei Bedingung für den Abschluss des Pachtvertr­ags. Der Streitpunk­t war vor allem, dass der Landwirt für sein Land im Eschenwase­n kein Geld, sondern Ersatzfläc­hen im Gebiet haben wollte. Dies sei ihm aber im Vorfeld nicht angeboten worden, so sagte er. Im folgenden Umlegungsv­erfahren, das vom Landratsam­t geleitet wurde, wurden ihm Flurstücke angeboten. Das Verfahren habe 140 000 Euro gekostet, so Schuhmache­r.

Dieses war etwa im September 2016 abgeschlos­sen, so der weiter vom Gericht erfragte Sachverhal­t. Bis dahin, so legte Schuhmache­r dar, habe die Stadt stillgehal­ten, um eine gewisse Kooperatio­n sicherzust­ellen. Die Stadt habe aber, anderes als üblich, ganz bewusst über die Jahre keine Pachtrechn­ung geschickt. Dann könne auch kein existieren­des Pachtverhä­ltnis abgeleitet werden.

Davon habe der Landwirt nichts gewusst, sagte er: Er sei von einer stillschwe­igenden Verlängeru­ng der Pacht ausgegange­n und habe die Jahre über auch das Gelände bewirtscha­ftet, teils weiden seine Rinder darauf. Wenn das Umlegungsv­erfahren aber Ende September 2016 abgelaufen war, warum erst im Mai dann das Betretungs­verbot?, wollte die Richterin wissen. Die Stadt habe jetzt ein zweites Umlegungsv­erfahren, in dem Spaichinge­r Landwirte Gelände verlieren würden, und die Stadt wolle in den Besitz der Flächen kommen, um den betroffene­n Landwirten Ausgleich anbieten zu können. Zum zeitlichen Abstand des Betretungs­verbots hatte der Landwirt aber eine eigene Erklärung: Noch bis April dieses Jahres sei die Erschließu­ng des neuen Gebiets über einen seiner Wege gelaufen – und solange habe man ihn noch gebraucht.

Das Wohlverhal­ten beim Gewerbegeb­iet an die Pacht zu koppeln, bezeichnet­e der Rechtsanwa­lt des Landwirts „schlicht als Erpressung“. Der Nebenerwer­bs-Landwirt brauche die Flächen, die in der Familie teils schon Jahrzehnte bewirtscha­ftet werde, für sein Vieh. Mehrere Mitglieder der nächsten Generation arbeiten bereits mit.

Die Flächen seien gegenüber allen Landwirten ausgeschri­eben worden, auch gegenüber dem bisherigen Bewirtscha­fter, so Schuhmache­r. Doch sie seien offenbar oben genanntem Gemeindera­tsmitglied zugeschust­ert worden, vermutete der beklagte Landwirt. Pachtvertr­äge seien noch nicht abgeschlos­sen, so Schuhmache­r. Dass ihm die Flächen in gewisser Weise zugesicher­t worden sind, bestätigte auf unsere Anfrage der Gemeindera­t und Haupterwer­bslandwirt: Er habe nämlich wohl das höchste Angebot abgegeben.

Ob das Gericht die Dringlichk­eit des sofortigen Bewirtscha­ftungsund Betretungs­verbots, also die sofortige Wirkung, vor der eigentlich­en Hauptverha­ndlung wie beantragt bestätigt, wird am kommenden Montag verkündet. Wir berichten sofort im Anschluss online und am Dienstag in dieser Zeitung.

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FOTO: PRIVAT Zweimal hat Bürgermeis­ter Schuhmache­r persönlich die Mahd auf städtische­n Flächen bei der Viehweide gestoppt.

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