EU will Internet für alle
Kostenlose Hotspots geplant – Lebensqualität in abgelegenen Gebieten soll verbessert werden
BRÜSSEL - Schnelles Internet in den hintersten Winkel Europas bringen: Das ist eines der Ziele der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker. Viele europäische Länder laufen Gefahr, von der technischen Entwicklung abgehängt zu werden. Deutschland liegt im Vergleich der 28 EULänder nur im Mittelfeld, was Verfügbarkeit, Nutzung und Tempo von Onlinezugängen angeht. Das am Dienstag vom EU-Parlament beschlossene Förderpaket soll bis 2020 bis zu 8000 öffentliche Einrichtungen und Plätze mit kostenlosen Hotspots versorgen.
Die Kosten sind mit 15 000 bis 20 000 Euro pro Anschluss vergleichsweise überschaubar. Insgesamt werden im Haushalt 120 Millionen Euro für die Jahre 2018 und 2019 eingeplant. Einen Antrag können Kommunen stellen, Krankenhäuser, Bibliotheken oder andere öffentliche Einrichtungen mit viel Publikumsverkehr. So sollen auch Menschen, die zuhause keinen Anschluss oder sehr langsames Internet haben, Zugang zu schnellen Netzen erhalten. Der Haken: Die technischen Voraussetzungen, also schnelle Breitbandnetze, müssen in der Gemeinde bereits vorhanden sein. Der Antragsteller muss die Unterhaltskosten tragen und sich verpflichten, den Anschluss mindestens drei Jahre kostenlos und werbefrei zu betreiben. Und: Er darf keine Kundendaten abschöpfen.
Die Mittel sollen unkompliziert und ohne großen bürokratischen Aufwand verteilt werden. Über ein Online-Portal können sich interessierte Institutionen im Rahmen des Programms „wifi4eu“bewerben. Es geht nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Mittelfristig sollen aber möglichst viele Regionen zum Zuge kommen und strukturschwache Gebiete vorrangig gefördert werden. Die für das Thema zuständige EU-Kommissarin Mariya Gabriel sagte am Dienstag, sie hoffe bis Anfang 2018 die ersten 1000 Gutscheine verteilen zu können. Die von der EU finanzierten Hotspots sollen alle die gleiche Startseite mit einem wiedererkennbaren EU-Logo haben, damit sich einmal registrierte Nutzer überall mit dem gleichen Namen und Passwort einwählen können. Freier Zugang Klappt das wie geplant, dann hat sich die EU mit geringem finanziellen Aufwand eine Visitenkarte geschaffen, die dabei helfen könnte, das lädierte Image etwas aufzupolieren. Wer hat nicht schon im Urlaub, in der Bibliothek oder im Wartezimmer eines Krankenhauses vergeblich nach einem frei zugänglichen Hotspot gefahndet. Wenn in einem solchen Moment das blaue Logo mit den gelben Sternen auf dem Bildschirm erscheint, dann könnte der „digitale Binnenmarkt“vom abstrakten Wortungetüm zum erlebbaren Vorteil für den Verbraucher werden, so die Hoffnung.
„Dies ist die Gelegenheit, allen Europäerinnen und Europäern künftig einen umfassenderen Zugang zur Zukunft zu bieten – einen freien Zugang zu schnellem Internet, unabhängig davon, wo sie wohnen oder wieviel sie verdienen“, betont der sozialistische EU-Abgeordnete Carlos Zorrinho, der das Thema im EU-Parlament betreut. Dadurch werde die Lebensqualität vor allem in abgelegenen Gebieten verbessert und der Zugang zu wichtigen Kommunikationskanälen wie zum Beispiel elektronischen Gesundheitsdiensten und Behördendienstleistungen erleichtert, heißt es in der gestern beschlossenen Verordnung. Auch die Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen im ländlichen Raum werde begünstigt. Daher sei es Aufgabe des Staates und der Kommunen, dafür zu sorgen, dass Internetinhalte und Onlinedienste für alle zugänglich sind.
Auch Deutschland hat hier Nachholbedarf. In einer Rangliste, die der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger in seiner Zeit als Digitalkommissar erstellen ließ, liegt der Wirtschaftschampion Deutschland lediglich abgeschlagen im Mittelfeld. Spitzenreiter des Rankings sind Dänemark, Schweden und die Niederlande. Das Schlusslicht bilden Bulgarien und Rumänien. Spitzenreiter bei Onlineshopping Laut dieser Erhebungen telefonieren nur 28 Prozent der deutschen Internetanwender zwischen 16 und 74 Jahren per WhatsApp, Facetime oder Skype. EU-weit sind es 37 Prozent. Deutsche Unternehmen sind im EUVergleich zu zögerlich, Cloud-Technologien einzusetzen und soziale Medien für Werbezwecke zu nutzen.
Spitzenreiter sind die Deutschen nur beim Online-Shopping. 80 Prozent der Anwender kaufen im Internet ein.