„Wie viel Unwahrheit darf oder muss es sein?“
(sz) - Zu den Artikeln „Bachverlegung“; „Verfahrenskosten im Pachtflächen-Konflikt“und „Unnötiger Pachtstreit schadet der Stadt“in unserer Zeitung hat uns ein Leserbrief erreicht: Bei der Stellungnahme der Fraktion der Grünen vom 14. September (“Unnötiger Pachtstreit schadet der Stadt“), zu der ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Efinger, meine Hochachtung ausspreche, ist man an das chinesische Sprichwort erinnert: „Die Wahrheiten, die wir am wenigsten gern hören, sind diejenigen, die wir am nötigsten kennen sollten.“Nimmt man die Berichterstattungen in der SZ vom 14. und 15. September („Bachverlegung durch die Hintertür bezahlt“und „Wer bezahlt Verfahrenskosten im Pachtflächen-Konflikt?“) hinzu, stellt sich die dringende Frage: Wie viel Un-Wahrheit darf / muss es sein!
Wenn Gemeinderat Frank Stoffel – nach vergeblichen schriftlichen Anfragen – in der Gemeinderatssitzung pflichtgemäß die berechtigte Frage nach der Kostenausweitung von 42 000 Euro für die Verlegung Unterbach gestellt hat, wird er aus meiner Sicht nach dem Gang der Dinge in unerträglicher Weise bloßgestellt, wenn ihn der Bürgermeister, der selbst klargestellt hatte, dass mit der Verabschiedung des Nachtrags keine Abänderung des die Kostenausweitung ablehnenden Beschlusses des Gemeinderats erfolge, der Ahnungslosigkeit im Haushaltsrecht bezichtigt. Der Bürgermeister wird den Gemeinderat doch nicht bewusst in die Irre geführt haben, um eine nicht genehmigte Kostenausweitung dennoch im Haushalt unterzubringen! Wenn die Stunde der Wahrheit schlägt, neigt man ja gerne zur Unwahrheit.
Das gleiche Spiel mit der Wahrheit ergibt sich aus der Beantwortung der von Gemeinderat Harald Niemann gestellten Streitwert-Frage im Zusammenhang mit dem aktuellen Pachtrechtsstreit. Man darf unterstellen, dass der Bürgermeister die insoweit auf den Streitwert abstellende städtische Hauptsatzung kennt. Ganz nebenbei: Auch die Kosten des Verfahrens übersteigen übrigens beim Streitwert von 4000 Euro den Betrag von 1000 Euro. Hat der Bürgermeister den Fragesteller hier nur falsch informiert oder schlicht die Unwahrheit gesagt?
Geradezu wohltuend und in Anlehnung auch an Wilhelm Busch („Manche Wahrheiten sollen nicht gesagt werden, manche brauchen`s nicht, manche aber müssen es!“) hebt sich bei dieser Gemengelage die Stellungnahme der Grünen-Fraktion zum Pachtstreit ab. Wird hier nicht tatsächlich ein Rachefeldzug gegen einen bestimmten Landwirt deutlich nach dem Motto: Gibst du mir (nicht), gebe ich dir (nicht)? Weist Gemeinderat Alexander Efinger hier nicht zu Recht auf Anrüchigkeiten hin, wenn ausgerechnet ein Landwirt, der in Personalunion auch Gemeinderat ist, in den Besitz der Pachtgrundstücke kommen sollte?
Bei William Shakespeare liest sich ein Fazit zur Wahrheit: „Wahrheit ist ein Hund, der ins Loch muss und hinaus gepeitscht wird, während Madame Schoßhündin am Feuer stehen und stinken darf.“– Glücklicherweise gibt es ein paar Personen, die Madame Schoßhündin ins Loch stecken und den Hund am Feuer stehen lassen! Hans-Otto Müller, Spaichingen