Die Woche des Spielerverstehers
Rasantes Warm-up für Paris, doch Wolfsburg wartet mit einem Bayern-Spezialisten
MÜNCHEN (SID/dpa/sz) - Als das Wort Paris ganz am Ende der Pressekonferenz für das Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg doch noch fiel, zuckte die berühmte linke Augenbraue von Carlo Ancelotti gefährlich weit nach oben. „Heute ist das wichtigste Spiel das gegen Wolfsburg“, betonte der Trainer von Bayern München.
Doch das Gipfeltreffen in der Champions League mit der Milliarden-Truppe um 222-Millionen-Mann Neymar am Mittwoch in der französischen Hauptstadt wirft seine Schatten voraus. Schließlich treffen dort nicht nur zwei der besten europäischen Fußballclubs aufeinander, sondern auch zwei völlig verschiedene Philosophien: Das bayerische „Mia san mia“, das zuweilen auch zur Ich-AG mutiert hier und „was kostet die Welt“da. Eine Pleite in Paris – und in München stünde mehr als nur die sportliche Entwicklung infrage.
Dabei haben sich die Bayern nach turbulenten Wochen gerade wieder gefangen. Gegen völlig überforderte Schalker zeigte die Mannschaft beim 3:0-Sieg nicht nur wieder Spielfreude, sondern präsentierte sich auch als geschlossene Einheit – Brustjubel zwischen Thomas Müller und Robert Lewandowski inklusive. Und waren es vor allem jene beiden, die zuvor für reichlich Diskussionen und Unruhe gesorgt hatten. Müllers Bank-Grantler und Lewandowskis kritisches Interview zur TransferPolitik seines Clubs kamen nicht gerade gut bei der Vereinsführung an. Dass der Pole dafür bisher lediglich einen Rüffel von Vorstandsboss KarlHeinz Rummenigge kassierte, ansonsten aber straffrei bleibt, zeigt noch einmal die Abhängigkeit vom Torjäger. Lewandowski ist nicht nur als zuverlässiger Vollstrecker, sondern auch als permanenter Verantwortungsträger gefragt. Und die vergangenen Auftritte zeigen es wieder. Lewandowski ist der einzig Unersätzliche in der Mannschaft.
Egal ob Abwehrpfeiler wie Mats Hummels, Jérôme Boateng, die alternden Superstars Arjen Robben und Franck Ribéry oder sogar der überragende Manuel Neuer, der nun wieder verletzt pausieren muss – für alle gibt es im Kader Kompensation: Nur nicht für den Dauer-Torjäger.
Und spielen ihm manche Ausfälle sogar indirekt in die Karten. Zwangsumstellungen sind einfacher zu vermitteln als Rotation. Doch nützt alles nichts, wenn es gegen Wolfsburg oder vor allem in Paris einen erneuten Dämpfer gibt.
Und Ancelotti weiß das. „Ich bin nicht gestern geboren, sondern seit 30 Jahren im Geschäft“, betonte er erneut. Überhaupt sei dies „ein wichtiger Moment in der Saison. Die Atmosphäre ist gut, aber wir wissen: Im Fußball kann jedes Spiel eine Besserung oder Verschlechterung bringen.“Jetzt kann der Mister zeigen, dass er auch beim FC Bayern ein Spielerversteher sein kann. Deshalb wird er gegen die Wölfe (20.30 Uhr/ Eurosportplayer) „einige Spieler“neu in die Startelf bringen. Doch sitzt auf der Vfl-Trainerbank ein Angstgegner. Neu-Trainer Martin Schmidt war beim 2:2 mit dem FSV Mainz 05 am 22. April der letzte BundesligaCoach, der einen Punkt aus der Allianz Arena entführte. Und: Er war auch der Letzte, der dort in der Liga gewann – am 2. März 2016 (2:1). „Das ist eine ganz andere Geschichte und spielt keine Rolle“, sagte Schmidt. Seine Taktik dieses Mal? „Man kann auch sieben Spieler hinten reinstellen, ein Vaterunser beten und hoffen, dass es gut geht“, sagte Schmidt scherzhaft.
Alles andere als ein Sieg wäre für die Bayern sowieso eine kleine Katastrophe. Sonst droht ausgerechnet vor dem Top-Spiel erneutes Krisengerede, wie Thomas Müller weiß. „Wenn wir am Freitag unsere Leistung bringen, werden wir an der Geschichte, dass es jetzt läuft, weiterfeilen. Wenn nicht, müssen wir uns andere Geschichten anhören.“