Trossinger Zeitung

Ernteausfä­lle der Obstbauern lassen Saftpreise steigen

90 Prozent Ernteausfä­lle lassen Preise steigen – Bodenseere­gion von Einbußen stark betroffen

- Von Michael Kroha

LAICHINGEN/LINDAU (krom) - Als „historisch niedrig“bezeichnet der Verband der deutschen Fruchtsaft­industrie die diesjährig­e Streuobste­rnte. Die Ernteausfä­lle der Obstbauern von bis zu 90 Prozent lassen die Preise für Fruchtsäft­e steigen. Für den Liter Apfelsaft müsse der Kunde rund 30 Cent mehr bezahlen, so Dieter Burkhardt, Geschäftsf­ührer von Fruchtsäft­e Burkhardt in Laichingen. Besonders betroffen ist die Bodenseere­gion. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Klaus Widemann, Geschäftsf­ührer der Lindauer Bodensee-Fruchtsäft­e.

LAICHINGEN/LINDAU - Der Anhänger von Alfred Stöferle ist bis zum Rand gefüllt mit Äpfeln. Es ist seine dritte Fuhre von Bollingen im AlbDonau-Kreis nach Laichingen zum Fruchtsaft­hersteller Burkhardt. „Eine ganz schlechte Ernte“, sagt er. In normalen Jahren fahre er zusammen mit seiner Frau Ursula bis zu zehnmal zum Äpfel abgeben: „Vielleicht komme ich heuer nur noch ein viertes Mal.“Mehr gibt’s nicht.

Die Auswirkung­en der frühen Blüte im März und der späte Frost im April machen bei den Obstbauern nicht Halt. Auch die Nächsten in der Verarbeitu­ngskette, die Fruchtsaft­hersteller, beklagen erhebliche Einbußen – bis zu 90 Prozent. Laut dem Verband der deutschen Fruchtsaft­Industrie (VdF) ist die Streuobste­rnte „historisch niedrig“, „die niedrigste seit unseren Aufzeichnu­ngen“, so VdF-Geschäftsf­ührer Klaus Heitlinger. Besonders betroffen: die Bodenseere­gion. Zukauf im Ausland Bei Burkhardt Fruchtsäft­e in Laichingen stammt das Obst – überwiegen­d Äpfel (bis zu 95 Prozent), aber auch Birnen, Kirschen und Johannisbe­eren – aus der Region von Aalen über Stuttgart bis zum Bodensee. „Dramatisch“beschreibt Geschäftsf­ührer Dieter Burkhardt die Ausmaße. 10 000 Tonnen Äpfel werden im 50 Mitarbeite­r großen Betrieb im Schnitt zu Saft verarbeite­t. In diesem Jahr sollen es nur 1500 Tonnen sein: 85 Prozent Ausfall. „Unglaublic­h, wie zwei Nächte ein Naturprodu­kt so kaputt machen können“, sagt Burkhardt.

Den Norden Deutschlan­ds hätte es zwar nicht so schlimm erwischt und sie hätten eigentlich auch noch Vorrat vom vergangene­n Jahr, dennoch müsse aus dem europäisch­en Ausland zugekauft werden: aus Italien, Ungarn und den Balkanländ­ern. Die Folge: Die Preise steigen. 30 Cent pro Liter, 1,50 Euro pro Kiste. Denn auch die Nachfrage im Ausland steigt – beim Apfelsaft noch mehr als beispielsw­eise beim Kirschsaft. „Der Rohwarenan­teil ist bei Saft sehr hoch. Preisverän­derungen wirken sich deshalb sehr stark aus.“Laut VdF liegen die Preise für die Äpfel für die Saftverarb­eitung rund dreimal so hoch wie im Vorjahr.

Weil das Obst nicht mehr nur aus Baden-Württember­g kommt, müssen beim Laichinger Fruchtsaft­hersteller die Etiketten geändert werden – zum ersten Mal überhaupt. Kein großer Mehraufwan­d, so Burkhardt. Auch aus finanziell­er Sicht gibt er Entwarnung: „An die Existenzgr­enze wird es nicht so schnell gehen.“

Auch wenige Kilometer weiter, beim Fruchtsaft­hersteller Albi, stuft man die Auswirkung­en der Ernteeinbu­ßen als „erheblich“ein. Genaue Zahlen können jedoch noch nicht genannt werden, da noch nicht die komplette Ernte eingefahre­n worden sei. Obst müsse allerdings auch beim Bühlenhaus­er Unternehme­n aus dem Ausland zugekauft werden. Die Situation sei „absolut besonders“, so Albi-Sprecher Markus Mayer.

Ein ähnlich „schwierige­s Jahr“soll es laut Klaus Widemann, Geschäftsf­ührer der Lindauer BodenseeFr­uchtsäfte, 1991 gegeben haben, als die Ernte ebenfalls schlecht ausfiel. Auch damals seien die Preise angehoben worden. „Doch jetzt ist es noch schlimmer.“

Je nach Region rechnet er mit Ernteausfä­llen zwischen 80 und 90 Prozent. 30 000 Tonnen Äpfel werden im Schnitt verarbeite­t. Wie viel es dieses Jahr sind, traut sich Widemann noch nicht zu sagen. Die Flasche Apfelsaft werde jedoch auch bei ihm um rund 30Cent teurer. Bei den Bio-Äpfeln aus der Region rund um Backnang sei die Lage noch „krasser“: „Die Erträge tendieren gegen null“, sagt Widemann. „Das habe ich noch nicht erlebt.“Nun müsse bei allen Handelspar­tnern im Land die notwendige­n Mengen zusammenge­kratzt werden, um die Kunden versorgen zu können: „Das wird einigermaß­en klappen.“

Schon lange werde darüber gesprochen, dass nach den frostigen Nächten im April die Ernte schlecht ausfallen werde. „Jetzt merkt man auch, wie wenig das ist.“Doch seitens der Obstbauern dürfe die Lage nicht als allzu schlecht betrachtet werden, meint Widemann. Zum einen sollen die Äpfel weniger Säure enthalten, also süßer schmecken. Zum anderen erhalten die Obstbauern derzeit einen „Wahnsinnsp­reis“– beinahe doppelt so viel wie sonst. Soll heißen: Für einen geringeren Aufwand – weniger Klauben, weniger Transportf­ahrten – bekommen sie das gleiche Geld. Widemanns Rechnung: Wegen der schlechten Ernte kosten 100 Kilogramm Äpfel aktuell 23 Euro. Bei normaler Ernteausbe­ute müssten die Bauern für denselben Betrag doppelt so lange arbeiten und doppelt so oft hin- und herfahren. Ein Aspekt, den Alfred Stöferle beim Entladen seiner „ganz schlechten Ernte“vielleicht noch gar nicht bedacht hatte.

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FOTO: DPA Historisch niedrige Streuobste­rnte: Die Fruchtsaft­hersteller beklagen erhebliche Ausfälle.

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