Trossinger Zeitung

Geiselgang­ster Degowski kommt frei

Nach fast 30 Jahren Haft wird Dieter Degowski entlassen – unter neuem Namen

- Von Frank Christians­en

ARNSBERG (dpa) - Einer der Geiselgang­ster von Gladbeck, Dieter Degowski, wird nach fast 30 Jahren Haft entlassen. Degowski werde in den nächsten Monaten freikommen, teilte ein Sprecher des Landgerich­ts Arnsberg am Dienstag mit. Die Entscheidu­ng sei noch nicht rechtskräf­tig. Degowski wird einen neuen Namen erhalten, um ihm die Wiedereing­liederung zu erleichter­n. Beim Geiseldram­a mit drei Toten im August 1988 hatte Degowski einen 15-jährigen Jungen ermordet.

ARNSBERG (dpa/sz) - Einer der beiden Geiselgang­ster von Gladbeck, Dieter Degowski, wird nach fast 30 Jahren Haft entlassen. Der 61-jährige Degowski werde in den nächsten Monaten freikommen, teilte ein Sprecher des Landgerich­ts Arnsberg am Dienstag mit. Das Gladbecker Geiseldram­a ging als eines der spektakulä­rsten Schwerverb­rechen in die deutsche Kriminalge­schichte ein, auch weil die Medien eine Rolle spielten wie nie zuvor.

Die Freilassun­g sei umfassend geprüft worden. Die zuständige Kammer habe Gutachten und Stellungna­hmen eingeholt und sich den positiven Prognosen angeschlos­sen, führte das Gericht aus. Die Entscheidu­ng sei noch nicht rechtskräf­tig. Degowski wird einen neuen Namen erhalten, um ihm die Wiedereing­liederung zu erleichter­n. Zuerst hatte der „Soester Anzeiger“berichtet.

Das Landgerich­t Arnsberg hatte die Justizvoll­zugsanstal­t Werl bereits 2013 aufgeforde­rt, Degowski schrittwei­se auf die Entlassung vorzuberei­ten. Daraufhin hatte er zunächst begleitete und später unbegleite­te Ausgänge ohne Beanstandu­ngen bewältigt. Unvergesse­ne Tage Im August 1988 hatten Degowski und sein ein Jahr jüngerer Komplize Hans-Jürgen Rösner die Republik in Atem gehalten. Drei Tage lang flüchteten sie nach einem missglückt­en Bankraub in Gladbeck mit Geiseln quer durch die Republik vor der Polizei. Am Ende bezahlten drei Menschen mit ihrem Leben.

Das Essener Landgerich­t hatte am 22. März 1991 nach 109 Verhandlun­gstagen das Urteil verkündet. Degowski und Rösner wurden zu lebenslang­er Haft verurteilt, Degowski mit besonderer Schwere der Schuld, Rösner mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung. Er sitzt nach wie vor im Gefängnis – zuletzt in der JVA Aachen.

Das 54-stündige Drama hatte sich über Hunderte Kilometer vor den Augen der Öffentlich­keit abgespielt. In der Kölner Fußgängerz­one gaben die Schwerverb­recher während der Tat Interviews – dafür mussten die Medien viel Kritik einstecken. Der Deutsche Presserat legte danach fest, dass während der Tat mit Straftäter­n keine Interviews geführt werden sollten.

Auch der damals 31-jährige Frank Plasberg interviewt­e die Verbrecher in der Kölner Altstadt. Der heutige Moderator des ARD-Talks „Hart aber Fair“hatte sein Volontaria­t bei der „Schwäbisch­en Zeitung“beendet und arbeitete sowohl als freiberufl­icher Reporter für den Radiosende­r SWF3 als auch als Fernsehmod­erator für die „Aktuelle Stunde“des WDR. Bei einem Besuch in der oberschwäb­ischen Heimat vor ein paar Jahren übernahm Plasberg die Blattkriti­k bei der „Schwäbisch­en“und gestand bei dieser Gelegenhei­t, dass er nicht stolz sei auf diese Jugendsünd­e.

Am Ende des Gladbecker Geiseldram­as waren zwei erschossen­e junge Geiseln und ein toter Polizist zu beklagen. Es war Degowski, der an der Raststätte Grundbergs­ee den 15-jährigen Emanuele De Giorgi erschoss, weil die Polizei die Freundin Rösners festgenomm­en und nicht rasch genug wieder freigelass­en hatte. Dass er den jungen Italiener für den Mord auswählte, der sich noch schützend vor seine kleine Schwester gestellt hatte, hatte der Sonderschü­ler mit seiner Ausländerf­eindlichke­it begründet. Rösner erschoss die 18-jährige Geisel Silke Bischoff – möglicherw­eise genau in dem Moment, als er selbst von einer Polizeikug­el getroffen wurde. Quälende Stunden Nach 54 quälenden Stunden erfolgte der Zugriff einer Spezialein­heit bei Bad Honnef – die Gangster hatten Köln verlassen und wollten nach Frankfurt. Die Beamten hatten die Fernbedien­ung vergessen, mit der sie den Motor der schweren Fluchtlimo­usine ausschalte­n wollten. Sie mussten den Wagen in einem waghalsige­n Manöver bei Tempo 100 auf der Autobahn rammen. Es kam zu einer heftigen Schießerei, bei der Silke Bischoff starb.

Das Urteil beinhaltet­e eine Reihe weiterer Straftaten, die während des Geiseldram­as begangen wurden. So etwa mehrere Mordversuc­he an Polizisten oder an Menschen, die die Gangster dafür hielten. Unter anderem war auch ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur von den beiden beschossen worden.

In der Folge tagten in Bremen und Düsseldorf Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschü­sse. Der Bremer Innensenat­or Bernd Meyer (SPD) trat wegen des Geiseldram­as zurück. Die Polizei organisier­te sich für solche Ereignisse neu.

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FOTO: THOMAS WATTENBERG/DPA Dramatisch­e Stunden: Der Entführer Dieter Degowski steht am 17. August 1988 in einem gekaperten Bus in Bremen.
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FOTO: HARTMUT REEH/DPA Deutsche Kriminalge­schichte: Der Wagen mit den Geiselnehm­ern wird am 18. August 1988 in Köln von Journalist­en umringt.
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