Trossinger Zeitung

Grüne pochen auf Familienna­chzug

Das Positionsp­apier der Union zur Zuwanderun­g sorgt auch innerhalb der Grünen für Spannungen

- Von Andreas Herholz, Kara Ballarin und Agenturen

BERLIN (kab) - Vor den ersten Sondierung­sgespräche­n über die Bildung einer Jamaika-Koalition pochen Grüne und FDP weiter auf Änderungen an den Vorschläge­n der Union in Sachen Zuwanderun­g. Vor allem Grünen-Politiker kritisiert­en am Dienstag die von CDU und CSU geplanten Einschränk­ungen beim Familienna­chzug von Flüchtling­en. Allerdings räumte Fraktionsc­hef Anton Hofreiter ein: „Es muss jedem klar sein, dass er sich nicht zu 100 Prozent durchsetze­n kann.“

BERLIN - Jürgen Trittin setzt gleich auf Attacke, noch bevor das Ringen um eine Jamaika-Koalition überhaupt richtig begonnen hat. Die Pläne der Union, den Familienna­chzug für Flüchtling­e weiter auszusetze­n, seien „die Verleugnun­g urchristli­cher Werte“, wirft der prominente Grüne in der „Rheinische­n Post“am Dienstag CDU und CSU vor. „Das läuft allen Integratio­nsbemühung­en entgegen.“Ausgerechn­et der frühere GrünenVors­itzende und Bundesumwe­ltminister Trittin, den die Spitzen der Union bis heute für das Scheitern von Schwarz-Grün nach der Bundestags­wahl 2013 verantwort­lich machen.

Kaum hatten sich die Unionspart­eien am Sonntagabe­nd auf ihre gemeinsame Position zu Obergrenze und Flüchtling­spolitik verständig­t, schießen Grünen-Unterhändl­er Trittin und andere Parteilink­e quer, ziehen bereits Rote Linien. „Große Bedenken“habe man, nicht nur wegen der geplanten Begrenzung des Familienna­chzugs, sondern auch bei anderen Themen, heißt es. Dagegen geben sich Grünen-Chef Cem Özdemir und Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt, beide vom realpoliti­schen Flügel, deutlich zurückhalt­ender, wollen nicht schon im Vorfeld Türen zuschlagen und zunächst in die Sondierung­en gehen. Intern wird in der Ökopartei heftig darum gerungen, welchen Preis man bereit ist, für die Regierungs­beteiligun­g zu zahlen. Palmer widerspric­ht Trittin Das zeigen auch die Worte von Tübingens Oberbürger­meister Boris Palmer. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte er am Dienstag: „Die Ausweitung sicherer Herkunftsl­änder, die Einrichtun­g von Ausreiseze­ntren, Aussetzung des Familienna­chzuges – das ist kein Papiertige­r, aber auch keine Verleugnun­g urchristli­cher Werte, sondern pragmatisc­he Politik.“Darüber, ob die Grünen in eine Jamaika-Koalition eintreten werden, entscheide laut Palmer „zum Glück nicht Jürgen Trittin allein“.

Am kommenden Mittwoch und Donnerstag treffen sich die JamaikaUnt­erhändler zu Vorgespräc­hen, bevor dann am Freitag die große Runde tagt. Es ist der Auftakt zu Sondierung­en, der Beginn des Ringens um ein schwarz-gelb-grünes Regierungs­bündnis. Die Grünen setzen schon einmal das Thema Zuwanderun­g ganz oben auf die Tagesordnu­ng, schlagen bereits Pflöcke ein, bevor sie das erste Mal am Verhandlun­gstisch Platz genommen haben.

Ob Familienna­chzug, Obergrenze, sichere Herkunftss­taaten oder Aufnahmeze­ntren – die Parteilink­en der Grünen zeigen sich skeptisch, auch die FDP meldet Bedenken an. Stellungsk­ämpfe, die erahnen lassen, wie hart die Verhandlun­gen werden könnten. „Dass es mit den Grünen nicht einfach wird, war klar“, erklärte CSU-Spitzenkan­didat Joachim Herrmann. In den Reihen der Union hielt man sich am Dienstag demonstrat­iv zurück, vermied es nach der Einigung über die gemeinsame Linie beim Thema Zuwanderun­g Öl ins Feuer zu gießen.

Auch die FDP setzt nach dem Unions-Kompromiss zur Zuwanderun­g auf eine Verständig­ung mit Union und Grünen. Die Einigung der Union werde nicht eins zu eins umgesetzt werden können und auch nicht Grundlage der Arbeit für die nächsten vier Jahre sein, so Parteivize­chef Wolfgang Kubicki. Wenn sich die Union jetzt Richtung Einwanderu­ngsgesetz bewege, sei dies der Schlüssel zu einer vernünftig­en Regelung.

Der baden-württember­gische Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, der Teil der Sondierung­sgruppe ist, hofft jedenfalls auf eine schnelle Einigung. „Ich werde alles dafür tun, dass so ein Bündnis vor Weihnachte­n steht – wenn es dazu kommt“, sagte Kretschman­n am Dienstag in Stuttgart. Er könne nicht sehen, was einfacher oder besser werde, wenn sich die geplanten Verhandlun­gen zu einer Bundesregi­erung aus Union, FDP und Grünen noch länger hinzögen.

 ?? FOTO: DPA ?? Grünen-Unterhändl­er Jürgen Trittin gibt sich streitlust­ig.
FOTO: DPA Grünen-Unterhändl­er Jürgen Trittin gibt sich streitlust­ig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany