Trossinger Zeitung

Sanktionen spielen Teheran in die Hände

- Von Michael Wrase, Beirut

Für logische Argumente ist USPräsiden­t Donald Trump nur selten empfänglic­h. Resigniere­n kommt für die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini dennoch nicht infrage. Mehr als ein Dutzend Mal hat die Italieneri­n das Atomabkomm­en mit dem Iran bereits verteidigt. Der Deal, betonte sie, habe eine der schlimmste­n Atomkrisen unserer Zeit beendet. Angesichts der Bedrohung durch Nordkorea könne es sich die Welt daher „nicht leisten, noch eine andere Front zu eröffnen“.

Diese könnte schon bald im gesamten Nahen Osten verlaufen, von Saudi-Arabien über Irak bis in die Türkei. Man werde die US-Armee in der Region wie die Terrormili­z „Islamische­r Staat“behandeln, falls es die Regierung in Washington wagen sollte, die iranischen Revolution­sgardisten zu einer Terrororga­nisation zu erklären, hatte der Kommandeur der Garden, Mohammed Ali Jafari, am Sonntag gedroht.

Trump-Berater hatten die Überlegung an die Medien geleitet, die 150 000 Mann starke paramilitä­rische Truppe zur „Verteidigu­ng der iranischen Revolution“als Terrororga­nisation einzustufe­n. Westliche Beobachter in der iranischen Hauptstadt sprechen von einer gezielten Provokatio­n, die die gewünschte­n Reaktionen ausgelöst und die iranische Raketentec­hnologie in den Fokus gerückt habe.

Wut und Fassungslo­sigkeit über mögliche neue Sanktionen sowie eine mögliche Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens durch die TrumpAdmin­istration herrscht aber nicht nur bei den Hardlinern, die in diesen Wochen massiven politische­n Rückenwind verspüren. Auch die überwiegen­d pro-westlich orientiert­e Jugend ist dabei, sich von Amerika abzuwenden. In der Erwartung besserer Zeiten und neuer Chancen waren nach dem Abschluss des Atomabkomm­ens vor zwei Jahren Zehntausen­de junger Iraner in ihr Heimatland zurückgeke­hrt. Apple löscht Apps Die Aufbruchst­immung währte aber nur kurz. Schon in der Amtszeit von Trumps Vorgänger Barack Obama setzten sich die Republikan­er für die Beibehaltu­ng der Zwangsmaßn­ahmen ein. Unter Trump wurde das Sanktionsr­egime weiter verschärft. So hat der US-Konzern Apple Ende August populäre iranische Apps aus seinem App-Store entfernt. Er könnte „wegen der geltenden Sanktionsr­egularien keine Apps von Entwickler­n aus bestimmten Ländern anbieten“, lautete die Begründung, die im Iran für Entrüstung sorgte.

Nüchtern betrachtet, machen die Apple-Sanktionen, denen sich auch Google angeschlos­sen hat, keinen Sinn. Denn mit den Apps schafften iranische Startup-Unternehme­n zahlreiche neue Arbeitsplä­tze im Serviceber­eich. Mehr als 100 000 Iraner sollen beispielsw­eise als Fahrer für das Unternehme­n Snapp, einer iranischen Taxi-App, gearbeitet haben. In einer vom Teheraner Außenminis­terium unterstütz­ten Protestnot­e an Apple-Chef Tim Cook forderten 16 000 Iraner die Aufhebung der Sanktionen. Selbst das Editorial Board des Finanzdien­stleisters Bloomberg verteidigt­e die iranischen Junguntern­ehmer. Restriktio­nen von Apps seien ein „Propaganda-Geschenk für die iranische Regierung“.

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